Das Für und Wider bei Internetsperren

Gestern hat Netzpolitik.org die ersten Videos der re:publica aus diesem Jahr auf Youtube hochgeladen. Darunter auch den Vortrag von Jeff Jarvis. Jarvis spricht über das deutsche Paradoxon: man geht ohne Probleme nackt an den Strand oder in die Saune und zeigt frei und offen die privatesten Teile, die man hat. Andererseits regt man sich in Deutschland darüber auf, daß Daten über einen gesammelt werden. Sei es nun Staat oder die private Wirtschaft wie Facebook oder Google.

Jarvis setzt dem Recht auf Privatsphäre ein Recht auf Öffentlichkeit entgegen, denn das Netz basiert auf die Offenheit der Daten, der Vernetzung, des Verlinkens, des Neumisches/Mashups und generell darauf, daß man die Daten frei und einfach zugänglich hat.
In dem rund einstündigen Vortrag spricht Jarvis viele interessante Punkte an. Bei manchen kann ich zustimmen und bei manchen nicht.

Interessant ist hierzu dann auch ein zweites Video, daß ich gestern auf der Seite von Annalist gefunden habe und das von einer Taz-Veranstaltung zum vielsagenden Thema “Mein Profil gehört mir” ist.

An der Veranstaltung der Taz haben neben Annalist selber auch Plompompom, der eine ähnliche Auffassung wie Jarvis vertritt. Er befürwortet die generelle Offenheit der Daten und hält den Datenschutz für ein überkommendes Produkt aus dem letzten Jahrtausend, also von vor der “Internetzeit”.

Die Argumentation für eine Offenheit der Daten ist durchaus interessant und es ist gut und richtig, daß diese Diskussion geführt wird. Aber für eine völlige Abschaffung der Privatsphäre und der Ansicht, daß alle Daten offen sein sollten, nicht erwärmen. Vielmehr denke ich, daß die Daten der Verwaltungen und des Staates offen sein sollten, die Daten der Bürger aber geschützt werden müssen, es sei denn man gibt sie selber frei. Und interessanterweise sieht auch Jeff Jarvis nicht in der Privatsphäre oder dem Datenschutz ein Problem bei den zögerlichen Deutschen, sondern vielmehr in einem Kontrollverlust über diese Daten. Damit dürfte er durchaus Recht haben, denn wenn ich die von mir veröffentlichten Daten selber kontrollieren kann, wäre ich eventuell eher bereit, Daten über mich heraus zu geben, da ich sie später wieder zurückziehen könnte.
Wenn ich ein Nacktbild von mir ins Fenster hängen würde, würde das 1) wohl niemanden interessieren und eher zur Belustigung der Passanten beitragen und 2) könnte ich das Bild jederzeit wieder entfernen, da ich ja die Kontrolle darüber habe. Stelle ich aber dieses Bild ins Internet, habe ich keine solche Kontrolle mehr darüber und zahlreiche Suchmaschinen erfassen das Bild und machen Kopien davon. Das Bild wieder aus dem Netz zu bekommen, gleicht einer Sisyphos-Arbeit.
Warum will ich die Kontrolle behalten? Weil ich nicht will, daß der von mir ins Netz gebrachte Inhalt mißbräuchlich verwendet wird. Das ist ein legitimes Recht.
Hingegen ist die Offenheit der Daten von öffentlichen Verwaltungen, des Staates und anderer Institutionen notwendig, da wir als Bürger der eigentliche Souverän des Staates sind und diesen formen und darstellen. Insofern haben wir nicht nur ein Recht auf das Wissen, was der Staat anstellt, sondern auch die Pflicht, dies erfahren zu dürfen, da wir ja urteilen müssen, ob die Arbeit der öffentlichen Hand in den letzten Jahren gut war und wir somit mit unserem Votum bei den Wahlen für eine Fortführung sorgen – oder eben für eine Veränderung.

Jeder hat das Recht darauf, privat zu bleiben. Wenn nun aber Firmen wie Facebook die Kontakte aus meinem Email-Adressbuch benutzen, weil ich bei der Registrierung oder Installation eines Plugins unvorsichtig war oder irgendwas übersehen habe, vielleicht auch weil es gut versteckt war, dann ist diese Privatheit nicht nur von mir nicht gewährleistet, sondern auch die von Dritten, nämlich meinen Kontakten, nicht. Dies gilt es aber unbedingt zu schützen und zu bewahren.

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