FoeBuD: “ELENA: Elektronische Leistungserfassung Eines Neuen Ausmaßes”

Um es gleich vorweg zu sagen: es geht hier nicht um Argumente pro oder contra Internetsperren, sondern um Verdi und die SPD, die mal für und mal wider Netzsperren sind, um es mal platt auszudrücken.

Fleißigen Lesern von Netzpolitik wird aufgefallen sein, daß dort zwei Artikel erschienen sind, die sich zum einen mit der SPD als auch mit Verdi und einigen netzpolitisch relevanten Themen befassen. Der Begriff “Netzsperren” oder “Internetsperren” greift hier freilich zu kurz und ist eher als ein Synonym für eben diese netzpolitisch relevanten Themen zu verstehen.

Zum einen meldet Netzpolitik.org, daß die Gewerkschaft ver.di ein Bündnis mit der Rechteindustrie eingeht:

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di – oder ihre Spitze – hat sich nun offenbar entschlossen, diesem Bündnis beizutreten. Nachdem es zuletzt in Großbritannien (wir berichteten) unter maßgeblicher Mitwirkung der Creative Coalition Campaign gelang, das Modell einer „providergestützten Urheberrechtsdurchsetzung im Netz“ zu errichten, sollen nun auch hierzulande ähnliche Pläne verfolgt und eine Koalition der Gewerkschafts- und Unternehmensverbände geschmiedet werden. Dabei dürfte ver.di bekannt sein, dass die neuen Bündnispartner allesamt Sanktionsmaßnahmen um jeden Preis im Falle von Urheberrechtsverletzungen im Internet einfordern. Will die Gewerkschaft tatsächlich mit diesen den Weg von Überwachen und Strafen – der totalen Kontrolle des Netzes einschließlich Graduated Response, Netz- und Zugangssperren – gehen und sich damit in einem zentralen Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft im Digitalzeitalter für Jahre politikunfähig machen?

Da wundert sich der aufmerksame Leser und reibt sich die Äuglein. Noch vor kurzem hat ver.di noch zur Unterstützung der Verfassungsbeschwerde zu ELENA aufgerufen und damit den Eindruck erweckt, sich um den Datenschutz (zumindest der Arbeitnehmer) zu sorgen. Das jetzige Bündnis läuft dem Image des Datenschützers aber zuwider, weil im Rahmen der Rechtedurchsetzung der Bündnispartner eine entsprechende Aufweichung des Datenschutzes zur Verfolgung von Urheberrechtsansprüchen, die ja durchaus legitim sind, anstrebt: je länger Daten gespeichert werden, um so höher sind die Erfolgsaussichten, an die Daten heran zu kommen und sie verwenden zu können.

Aber auch die SPD sorgt für irritiertes Kopfschütteln: die Bundestagsfraktion teilt freudig ihre Teilnehmer an der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” mit. Unter anderem drückt sich diese Freude in der Benennung eben dieser mit Vornamen Alvar aus (tolle Satzkonstruktion, was? ;-)):

Mit Alvar Freude haben wir sehr bewusst einen der schärfsten Kritiker der netzpolitischen Aktivitäten des Bundestages der vergangenen Monate und Jahre für die Enquete-Kommission benannt. Alvar Freude, Mitbegründer des AK Zensur wird durch seine fundierte und ausgewiesene Expertise einen wichtigen inhaltlichen Beitrag für die Enquete-Kommission leisten.

Es ist zweifelslos zu befürworten, daß Alvar dort für die Mitarbeiter in der Kommission gewonnen werden konnte, aber wenn man dann die Meldung auf Netzpolitik.org zur SPD in Rheinland-Pfalz liest, wundert man sich schon, ob die SPD das insgesamt gesehen überhaupt ernst meint:

Einer heutigen Mitteilung des Mainzer Innenministeriums nach, will die rheinland-pfälzische SPD-Landesregierung Online-Durchsuchungen sowie die Überwachung von verschlüsselter Internet-Telefonie (Quellen-Telekommunikationsüberwachung) erlauben. Beamte sollen zur Gefahrenabwehr außerdem Telefongespräche unterbrechen dürfen. Zur “Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person” sollen weiterhin Rasterfahndungen zugelassen werden. Der Ministerrat billigte heute den entsprechenden Entwurf für die Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG).

Ein Wähler wird sich also zu Recht fragen dürfen, ob er die SPD überhaupt ernstnehmen und somit wählen kann, wenn diese Partei in einer wichtigen Kommission einen der schärfsten Kritiker entsendet, aber gleichzeitig in einem Landesverband konträr agiert. Die SPD in Rheinland-Pfalz (bzw. die dortige SPD-Landesregierung) gibt sich alle Mühe, jeglichen Datenschutz von Bürgern auszuhebeln und den Sicherheitsfanatikern nach dem Mund zu reden.
Somit wird die SPD in Rheinland-Pfalz eigentlich unwählbar.

UPDATE 23. April. 2010:
Mittlerweile hat ver.di Fragen von Netzpolitik.org zu dieser Veranstaltung beantwortet.

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