Berlin-Besuch

Auf den Seiten des FoeBuD e.V. hat Katharina Maria Nocun einen interessenten Artikel zu ELENA, dem Elektronischen Entgeltnachweis, geschrieben. Der Artikel ist etwas länger, aber wert gelesen und weiterempfohlen zu werden:

Den Anstoß zu ELENA gab ein Vorschlag der Hartz-Kommission zur Minimierung von Medienbrüchen innerhalb der Verwaltung. Für die Bundesregierung sollte dieses Verfahren mehr „Innovation“ und weniger Bürokratie für Wirtschaft und Behörden bringen. Grund genug, um das Großprojekt mit Millionen Euro aus der Staatskasse zu finanzieren. Gesprochen wurde von einem Effizienzgewinn auf Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite, von Einsparungen und einer Senkung der bürokratischen Hürden für Beschäftigungsverhältnisse. Den Unternehmen wurden jährliche Einsparungen in Höhe von 85,6 Millionen Euro versprochen und auch die Umwelt sollte langfristig deutlich durch die so eingesparten 60 Millionen Papierbescheinigungen entlastet werden. Ziel der Maßnahme sei es, deutsche Unternehmen einmal mehr „wettbewerbsfähig“ zu machen.

Auch wenn sich nun Grüne und SPD nicht gerne daran erinnern mögen: ELENA ist unter der rot-grünen Regierung entstanden. Und es ist erstaunlich, daß gerade einmal 85.6 Mio. Euro eingespart werden sollten. Wer Großprojekte wie dieses kennt, weiß, daß a) die Kosten eines solchen Projekts meistens höher sind als geplant, und b) daß solche Großprojekte meistens nicht so erfolgreich beendet werden. Aber darum geht es hier in erster Linie nicht. Es ist nur erstaunlich, daß für so eine geringe Einsparung die Daten aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer gespeichert werden sollen.

Die Kritik geht dann ja auch weiter, worauf Wirtschaftsminister Brüderle ja auch schon mit dem Plan konterte, kleine und mittelständische Unternehmen aus ELENA herauszunehmen:

Die Kosten und Nutzen der “Entbürokratisierung” durch ELENA sind jedoch keineswegs gleich verteilt. Denn während sich Großkonzerne durchaus eine EDV-Abteilung und entsprechendes Personal sowie standardisierte Programme leisten können, stellt dieser Mehraufwand für kleinere Unternehmen eine bürokratische Hürde von digitalem Ausmaß dar. Insbesondere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse werden wohl kaum von der neuen Regelung profitieren. In dieser Hinsicht dürfte es also gar nicht so sicher sein, dass ELENA durch Entbürokratisierung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen kann. Insbesondere da mehr als zwei Drittel der deutschen Arbeitnehmer in kleinen und mittelständischen Unternehmen beschäftigt sind, die zumindest anfangs Probleme mit dem neuen System haben dürften. Wirkliche Innovationen fallen da schwer, wenn gleich nach Unternehmensgründung von möglicherweise technisch weniger versierten Kleinstunternehmern verlangt wird, monatlich über die eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse elektronisch Zeugnis abzulegen, statt wie bisher einmal jährlich die notwendigen Papiere einzusenden. Wenn man nun Verdienstbescheinigungen im speziellen betrachtet und hierbei von einem durchschnittlichen Unternehmen ausgeht, welches seinen Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz mit guter Bezahlung bietet, stellt man fest, dass diese nicht zu den “Nettogewinnern” des ELENA-Verfahrens gehören. Denn statt alle paar Jahre mal “eine” Verdienstbescheinigung ausstellen zu müssen, wird dies nun plötzlich allmonatlich verlangt. Somit gehören gerade die eher arbeitnehmerfreundlichen Unternehmen zu den Verlierern des Verfahrens, während Unternehmen mit einer eher dehnbaren Vorstellung von Unternehmensethik zu den Profiteuren gezählt werden können. Denn jene, die frei nach dem Motto “hire and fire” agieren und daher auch eine hohe Mitarbeiterfluktuation aufweisen, verteilen die bürokratischen Hürden unter den sie bisher zu “leiden” hatten, nun gleichmäßig auf die restlichen Beschäftigungsverhältnisse innerhalb der Bundesrepublik.

Und in der Tat stellen sich bereits kleine Unternehmen gegen ELENA, wie z.B. Zahnärztin Dr. Kristiane Zickenheiner:

Und wie soll ich als Arbeitgeber diesen zusätzlichen formalen Aufwand eigentlich bewältigen? So eine unsinnige Bürokratie ist auch in einem kleinen Unternehmen wie dem unseren ein betriebswirtschaftlicher Faktor. Für die Einstellung werden 2 DIN A4-Seiten benötigt, für Änderungen der wöchentlichen Arbeitszeit eine weitere DIN A4-Seite, für die Kündigung werden drei DIN A4-Seiten abgefragt.

Katharina beleuchtet in ihrem Artikel auch andere Aspekte wie die Förderung von elektronischen Signaturkarten durch die Bundesregierung und wer davon profitiert (nämlich die entsprechende Trustcenter-Firmen). Ihr Fazit ist:

Ähnlich, wenn auch aus einer anderen Argumentation heraus, sehen es Datenschutz-Aktive und klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen ELENA. Denn in dieser Diskussion um ELENA geht es um weit mehr als den Elektronischen Entgeltnachweis. Es geht darum, wie weit wir den Aufbau zentralisierter Datenbanken mit Daten, die einen Großteil unserer alltäglichen Lebenswelt abdecken, mit unserem Verständnis von Demokratie und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbaren können oder wollen.

Eigentlich hat das Bundesverfassungsgericht in früheren Entscheidungen ja untersagt, den Bürger zentral zu erfassen und damit gläsern zu machen. Aber mit ELENA ist es wieder ein weiterer Schritt auf einen gläsernen Bürger. Eine zentrale Identifikationsnummer hat jeder Bürger ja bereits durch die zentrale Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) erhalten. Nun können die Daten aus verschiedenen Datenbanken zentral gespeichert und zusammengeführt werden. Genau das, was das BVerfG verhindern wollte.

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