Schäuble plant Verfassungsschutz als Geheimpolizei zu etablieren

Wie heute bereits verbloggt, hat das Bundesinnenministerium von Wolfgang Schäuble Pläne für nach der Bundestagswahl in der Tasche, um den Bundesverfassungsschutz mittels erweiterter Befugnisse zu einer Art Geheimpolizei zu machen.

Der Journalist Heribert Prantl schreibt nun auf sueddeutsche.de, warum dies einfach nicht sein darf bzw. warum das quasi ein ungeheuerlicher Tabubruch ist:

In der nächsten Legislaturperiode soll nun, so die Pläne des Bundesinnenministeriums, die ganze Wand eingerissen werden. Aus dem Verfassungsschutz, aus dem Inlandsgeheimdienst also, soll eine allgemeine Sicherheitsbehörde werden. Das heißt: Polizei und Geheimdienst werden zusammengeführt. Die Verquickung von Polizei und Geheimdienst, die 1994 begonnen hat, soll nun vollendet werden. Das also ist die neue Sicherheitsarchitektur, von der seit Jahren die Rede ist.

Die Geheimdienste erhalten, darin besteht die Politik der inneren Sicherheit seit 15 Jahren, immer mehr Kompetenzen, und zwar nicht irgendwelche, sondern Kompetenzen im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Das heißt: Der Geheimdienst übernimmt immer mehr Polizei- und Staatsanwaltsaufgaben, ohne aber den gerichtlichen Kontrollen zu unterliegen, wie sie für die ordentlichen Sicherheitsbehörden, also für Polizei und Staatsanwaltschaft, vorgesehen sind. Aus dem Geheimdienst wird eine Geheimpolizei.

1994 wurde der Bundesnachrichtendienst, also der Auslandsgeheimdienst, zum großen Ohr der Polizei; er bekam das Recht, zur Bekämpfung der Drogenkriminalität Gespräche des internationalen Telefonverkehrs aufzuzeichnen, sobald bestimmte Stichwörter fallen. Die Erkenntnisse darüber werden, ohne dass Betroffene davon erfahren, an andere Sicherheitsbehörden weitergegeben. Solche Ermittlungsbefugnisse wurden seitdem stark ausgeweitet. Den Geheimdiensten sind Sonderrechte aber eigentlich nur zum Schutz der freiheitlichen Grundordnung eingeräumt. Die neueren Sicherheitsgesetze verleihen ihnen diese Sonderrechte auch zur allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung und losgelöst von den Kontrollen, die sonst bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten gelten.

Prantl führt aus, daß der Umbau bereits vor längerer Zeit begonnen hat und sowohl von CDU als auch von SPD geführten Regierungen vorangetrieben wurde. Deswegen ist es auch unglaubwürdig, wenn das Ministerium nun behauptet, daß das ja nur ein internes Papier, quasi eine Wunschliste der Referatsleiter oder anderer Leiter wäre, aber nichts offizielles. Die Geschichte lehrt uns, daß solche Wunschlisten dann doch irgendwann umgesetzt werden, insbesondere weil ja schon die Vorarbeiten so weit gediehen sind.
Doch zurück zu Prantls Artikel: wie oben erwähnt darf der Bundesverfassungsschutz schon etliche polizeiliche Aufgaben übernehmen, ohne jedoch den entsprechenden Kontrollen durch z.B. Richter zu unterliegen. Prantl weiter:

Der Verfassungsschutzbericht, den der Bundesinnenminister Schäuble im Juli 1990 vorlegte, war deshalb der letzte von der alten Art. War mit dem Ende des Berichtszeitraums 1989 die große Geschäftsgrundlage entfallen, auf welcher der Verfassungsschutz seit seiner Gründung gearbeitet hatte? War der Verfassungsschutz nun überflüssig. Spannend war deshalb damals nicht Schäubles Rückblick, sondern sein Ausblick in die Zukunft. Das gesetzliche Aufgabenspektrum, so sagte er damals, “wird sich allen politischen Umwälzungen zum Trotz nicht verengen”. Das machte hellhörig. Neue Aufgaben sollten die alten, die entfallenen, ersetzen.

Schäuble meinte unter anderem Aufgaben im Bereich der organisierten Kriminalität und des Handels mit Rauschgift. Es sei darüber nachzudenken, “ob und gegebenenfalls wie der Verfassungsschutz zur Lösung der Probleme eingesetzt werden kann”. Damals begannen die Überlegungen, aus dem Verfassungsschutz eine Bundesbehörde für innere Sicherheit zu machen.

Bundesbehörde für innere Sicherheit” – dazu braucht man ja eigentlich fast nichts mehr sagen.

Daß der parlamentarische Rat damals beim Entwurf des Grundgesetzes aus den Erfahrungen der Nazi-Zeit gelernt haben, hatte ich ja schon im vorherigen Artikel ausgeführt. Prantl führt das im zweiten Teil seines Artikels auch entsprechend aus:

Die Zurückhaltung der Geheimdienste, die Beschneidung ihrer Kompetenzen, gehört zur Staatsvernunft, sie gehört zu den Lehren aus der deutschen Geschichte, sie steht am Anfang der Geschichte der Bundesrepublik. Warum? Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war von den Nationalsozialisten ein Reichssicherheitshauptamt eingerichtet worden: ein Generalstab, der die Führung von Geheimer Staatspolizei, Sicherheitsdienst SD und Kriminalpolizei koordinierte.

Alles, was in diese Richtung geht, sollte in der demokratischen Bundesrepublik Deutschland verboten sein. Deshalb schrieben die West-Alliierten im sogenannten Polizeibrief der Militärgouverneure vom 8./14. April 1949 über die Geheimdienste: “Der Bundesregierung wird es gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnis haben.” Entscheidend ist und bleibt dieser letzte Satz. Er ist zur Verfassungstradition der Bundesrepublik geworden. Diese Verfassungstradition wird nun zerstört.

Nun steht die Bundesrepublik nicht mehr unter dem Besatzungsstatut der Alliierten, sondern ist ein souveräner Staat. Trotzdem hatte die damalige Auflage der Besatzungsmächte einen Sinn, den der parlamentarische Rat beim Entwurf des Grundgesetzes ja eben auch berücksichtigt. An dieser Stelle möchte ich auch nochmal die Pläne Schäubles in Erinnerung rufen, eine Bundesabhörzentrale beim Bundesverwaltungsamt ansiedeln zu wollen. Dies passt insofern in das übrige Bild, als daß auch das Bundesverwaltungsamt keine Polizeibehörde ist und somit auch keinerlei richterlicher Kontrolle unterläge.
Wie man hieraus erkennen kann, demontiert das Bundesinnenministerium zielstrebig die Grundlage unserer Demokratie: das Grundgesetz – und das, obwohl dessen Schutz ureigenste Aufgabe des Innenministeriums sein sollte.

Prantl führt weiterhin aus, was passiert, wenn der Verfassungsschutz einer ungenügenden Kontrolle unterliegt. Der Skandal um das “Celler Loch” und die Plutonium-“Lieferung” aus den ehemaligen Ostblock-Staaten, bei der der Verfassungsschutz mit enormen Nachdruck erst einen Markt für die nachfolgende Lieferung erschaffen hat, werden von Prantl als Beispiele angeführt.

Heribert Prantl schließt seinen lesenwerten und aufrüttelnden Artikel mit den folgenden Worten:

Es geht nicht an, dass die Regeln, die das Polizeirecht und die Strafprozessordnung formulieren, dadurch umgangen werden, dass man die Bekämpfung von Straftaten einem Organ überträgt, für das diese Gesetze nicht gelten. Wenn ein Geheimdienst wie eine Polizei arbeitet, muss er künftig auch wie die Polizei angeleitet und kontrolliert werden – von Staatsanwaltschaft und Justiz. Eine Geheimpolizei darf es im Rechtsstaat Bundesrepublik nicht geben.

Dem kann man eigentlich nur noch hinzufügen, daß eine Regierung oder eine Partei, die eben so etwas versucht und damit gegen das Grundgesetz arbeitet, weder tragbar noch wählbar ist. Am Sonntag hat jeder Bürger somit die Möglichkeit, diesem Vorhaben einen Riegel vorzuschieben!

Geht wählen!

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