Die Bundesversammlung und die Wahl des Bundespräsidenten

Bald ist es soweit und die Bundesversammlung tritt am Ende des Monats zusammen, um nach dem Rücktritt von Horst Köhler einen neuen Bundespräsidenten zu wählen. Die Koalition hat ja den gebürtigen Osnabrücker und bisherigen Ministerpräsidenten Christian Wulff vorgeschlagen. Da der Bundespräsident aber eigentlich überparteilich und unabhängig sein sollte, gefiel der Vorschlag nicht nur der Opposition aus SPD und Grünen nicht. Diese stellten dann mit Rostocker und ehemaligen Leiter der Behörde für Stasi-Unterlagen Joachim Gauck einen entsprechenden Gegenkandidaten auf.

Nun kritisiert aber der altgediente CDU-Mann Kurt Biedenkopf genau dieses Vorgehen der Koalition. Spiegel Online schreibt:

Auf fast einer ganzen Seite des Feuilletons der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lässt sich Biedenkopf unter der harmlosen Überschrift "Zur Bundesversammlung 2010" aus. Wortreich fordert er in seinem Gastbeitrag, die Abstimmung über den neuen Bundespräsidenten in der Bundesversammlung "freizugeben". Parteitaktische Machtspiele und Fraktionszwang dürften bei der Abstimmung keine Rolle spielen, die Wahl nicht mit dem Schicksal der Regierungskoalition verbunden werden, mahnt der Autor.

Der frühere, langjährige CDU-Generalsekretär argumentiert mit Warnungen vor zunehmender Politikverdrossenheit, mit der Bedeutung der Bundesversammlung und des Amtes, das sie vergeben soll, mit der angeblichen verfassungspolitischen Fragwürdigkeit der Wahl, würde sie "Teil des politischen Machtspiels".

Und in einem früheren Artikel

Der Bundespräsident sei auf "Glaubwürdigkeit und Autorität" angewiesen, argumentiert Biedenkopf. Er wirft den politischen Parteien vor, sie würden den Eindruck erwecken, mit der Wahl des Staatsoberhaupts sei das Fortbestehen der Regierung verbunden. Damit gefährdeten sie "nicht nur die Autorität der Bundesversammlung", sondern auch "die Würde des Amtes des Bundespräsidenten selbst".

Biedenkopf fürchtet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Überparteilichkeit des Staatsoberhauptes sei somit gefährdet. Er räumte aber auch ein, dass streng genommen die Parteien die Wahl gar nicht freigeben könnten, die nach dem Grundgesetz ohnehin frei sei.

Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP sollen nach Biedenkopfs Überzeugung Gaucks Beliebtheit als Signal verstehen: "Die breite Zustimmung in der Bevölkerung zur Kandidatur Joachim Gaucks ist nicht nur seinen allseits gerühmten Qualitäten geschuldet. Sie ist zugleich Ausdruck eines zunehmenden Misstrauens gegenüber dem umfassenden Anspruch der politischen Parteien. Dieser Anspruch wird auch in dem Versuch sichtbar, sich der Bundesversammlung für die Entscheidung ihrer machtpolitischen Fragen zu bedienen."

In der Tat halte ich es für bedenklich, wenn sich die Auffassung der Koalition durchsetzen, der Bundespräsident müsse aus der aktiven Politik kommen. Das Amt braucht keinen Parteisoldaten wie Wulff, der latent im Verdacht steht, lediglich die Vorhaben der Regierung abzunicken, sondern einen unabhängigen Amtsinhaber, der eine gewisse Distanz zur aktiven Politik hat, um eben wirklich unabhängig Entscheidungen zu treffen. Und diesem Bild eines Bundespräsidenten kommt Gauck entsprechend nahe. Wulff hingegen würde auf mich nur den Eindruck einer Marionette Merkels machen. Aber genau das soll der Bundespräsident ja eben nicht sein.

Deshalb ist auch, wie Biedenkopf aufführt, das Ansehen des Amtes an sich in Gefahr. Und dies wäre dann auch schädlich für das Demokratieverständnis der Bürger und somit für die Demokratie an sich. Die Bürger haben eh kaum noch Vertrauen in die Politik, wie gestern ein Artikel über den Mittelstand zeigt: 

Demnach erwartet die Mitte im Grunde nichts mehr von der Politik. Ohne große Emotionen, kühl und realistisch setzen die Menschen im sozialen Zentrum voraus, dass der Raum für jeden Politiker – selbst wenn er besten Willens und von einiger Güte wäre – denkbar knapp bemessen ist.

Die Bevölkerung hat also bereits in weiten Teilen den Eindruck, daß sich die Politik von der Gesellschaft abgekoppelt hat und nur noch ihr eigenes Ding "da oben" macht. Daraus resultiert dann logischerweise auch das Desinteresse an Politik und die mangelhafte Beteiligung an Wahl. Ist die Wahlbeteiligung aber gering, fehlt die eigentliche Legitimation der Politiker für ihr Amt.

Deshalb muss das Amt des Bundespräsidenten und die Wahl hierzu frei bleiben von Parteidünkel, Machtspielchen und Parteisoldaten.

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