Bundesversammlung: Die Methoden der CDU

Nachdem ich mich ja heute morgen schon über die Bundesversammlung und die Wahl des Bundespräsidenten ausgelassen habe, hat sich in der Zwischenzeit noch ein interessantes Detail ergeben. Die CDU schickt nicht nur einen "Parteisoldaten" als Kandidaten ins Rennen und nominiert erstaunlich wenig Nicht-Politiker als Wahlmänner und -frauen für die Bundesversammlung, sondern zieht auch Nominierungen zurück, die sich nicht klar für den CDU-Kandidaten Wulff aussprechen, wie die Sueddeutsche berichtet

sueddeutsche.de: Frau Schipanski, Sie sollten für die Thüringer CDU zur Bundesversammlung am 30. Juni nach Berlin reisen und über den neuen Bundespräsidenten entscheiden. Nun werden Sie diese Reise nicht antreten. Sie sind von der Liste gestrichen worden. Warum?

Dagmar Schipanski: Ich war von der Thüringer CDU aufgestellt. In mehreren Interviews hatte ich dann gesagt, dass ich beide Kandidaten für geeignet halte. Sowohl Christian Wulf als einen erfahrenen Berufspolitiker mit Charisma, als auch Joachim Gauck.

sueddeutsche.de: Haben Sie Zorn?

Schipanski: Ich bin tief betroffen über ein solches Vorgehen, wenn man sich auf sein Gewissen beruft, verspielt man offenbar das Vertrauen. So wenig Vertrauen zu den eigenen Leuten – das ist kein gutes Zeichen. Das habe ich auch allen Fraktionsmitgliedern in einem Brief mitgeteilt. Ich empfinde diese Handlung als unverständlich, nicht gerechtfertigt und mit der Würde der Demokratie nicht vereinbar.

sueddeutsche.de: Sachsens Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat sich gerade für die Freigabe der Präsidentenwahl ausgesprochen. Wie sehen Sie das?

Schipanski: Ich sehe das hier genauso, die Bundesversammlung ist ein Verfassungsorgan und da kann man keinen Fraktionszwang ausüben. Da darf und muss man einzig und allein dem Gewissen verpflichtet sein. Es geht um die Wahl eines unabhängigen Bundespräsidenten, der über den Parteien steht. Und das kann man nicht einfach mit der Machtfrage der jetzigen Regierungskoalition verbinden. Das widerspricht unserer Verfassung.

Die CDU-Landtagsfraktion äußert sich zwar im Artikel entsprechend gegenteilig zu der Darstellung Schipanskis, aber irgendwie kann mich deren Darstellung nicht so recht überzeugen. Ich halte die Sichtweise Schipanskis durchaus für plausibel. Das liegt vermutlich auch daran, daß ich mit ihr übereinstimme, was die Wahl eines unabhängigen Bundespräsidenten angeht. Bisher hat die CDU wenig getan, um mich davon zu überzeugen, daß Wulff entsprechend unabhängig sein wird. Das Mißtrauen hat sich die CDU durch ihre bisherige Politik im übrigen selber zuzuschreiben.

Der ganze bisherige Ablauf der Wahl zum Nachfolger Köhlers nach dessen Rücktritt ist geeignet, sich in der Auffassung bestätigt zu sehen, daß die CDU lediglich aus eigenem Interesse mit einem CDU-Mann zu besetzen, um damit ihren Machtanspruch zu zementieren. Doch dieses Gebaren schädigt das Amt weitaus schlimmer als die Aussagen Köhlers über die Auslandseinsätze der Bundeswehr, wegen derer er zurückgetreten ist.

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