Jahrzehntelange Überwachung der Bürger gewollt?

Der Spiegel berichtet in seiner neuesten Ausgabe darüber, daß die NSA dem BND entsprechende Werkzeuge zur Überwachung liefert. Die Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und deutschen Geheimdiensten soll entsprechend organisiert sein: 

Die NSA-Leute steckten “unter einer Decke mit den Deutschen”, erklärt Edward Snowden in einem Interview, das der SPIEGEL in seiner neuen Ausgabe veröffentlicht. Nach Angaben des Geheimdienst-Enthüllers gebe es in der US-Lauschbehörde NSA das “Foreign Affairs Directorate”, das zuständig für Kooperationen mit anderen Ländern sei.

Die Zusammenarbeit werde so organisiert, dass Behörden anderer Länder “ihr politisches Führungspersonal vor dem ‘Backlash’ schützen” können, falls herauskommen sollte, wie “massiv die Privatsphäre von Menschen missachtet wird”, sagt der US-Amerikaner. Und weiter: Telekommunikationsfirmen würden mit der NSA kooperieren, Personen würden normalerweise “aufgrund etwa des Facebook-Profils oder der eigenen E-Mails als Zielobjekt markiert”.

Laut Snowden könnte es also durchaus sein, daß Merkel & Co tatsächlich nichts gewußt haben. Macht es das besser oder ändert es etwas? Nein, das tut es nicht! Entweder Merkel (und andere Bundeskanzler haben es gewusst), dann ist nicht nur ihr Dementi unglaubwürdig, sondern sie hätte auch noch wissentlich nicht die Wahrheit gesagt. Oder aber Merkel hat in der Tat nichts gewußt, dann hat sie die Geheimdienste nicht unter Kontrolle, bzw. das G10-Gremium hätte seine parlamentarische Kontrollfunktion nicht ordentlich ausgeübt, und Merkel müsste als Regierungschefin die politische Verantwortung dafür übernehmen. So oder so: ich halte Merkel für politisch nicht mehr tragbar. Insbesondere, weil kein Willen erkennbar ist, diese Überwachung nun zu beenden. Stattdessen soll in Wiesbaden ein neues Kontrollzentrum errichtet werden – offensichtlich mit Duldung der Bundesregierung: 

Ein neuer Stützpunkt der US-Armee auf dem Boden der Bundesrepublik, den auch die NSA nutzen soll, ist mit den deutschen Behörden abgesprochen. In Wiesbaden wird derzeit ein neues “Consolidated Intelligence Center” errichtet. Für 124 Millionen Dollar entstehen abhörsichere Büros und ein Hightech-Kontrollzentrum. Sobald die Anlage in Wiesbaden fertiggestellt ist, wird ein bislang genutzter Komplex bei Darmstadt geschlossen.

Die Amerikaner vertrauen bei dem Neubau in Wiesbaden nur auf Landsleute. Die Baufirmen müssen aus den USA stammen und sicherheitsüberprüft sein. Und selbst die Materialien sollen aus den Vereinigten Staaten importiert und auf ihrem Weg nach Deutschland überwacht werden.

Ein solcher Bau ist sicherlich nur mit Kenntnis und unter erklärten Einverständnis durch die Bundesregierung möglich. Zur Erinnerung: in Wiesbaden sitzt auch das Bundeskriminalamt (BKA). Insofern sollte auch die Frage gestattet sein, ob da nicht eine unselige (und illegale) Zusammenarbeit zwischen ausländischem Geheimdienst und deutschem BKA entsteht?

“Aber ich habe doch nichts zu verbergen!”, werden nun wieder einige sagen. Wirklich? Und warum hängen dann in nahezu 100% aller Wohnungen Gardinen vor dem Fenster?

“Aber mit der Überwachung werden doch nachweislich Terroranschläge verhindert, auch hier bei uns in Deutschland!”, mögen nun wieder einige einwenden. Zumindest wird dies immer von den Sicherheitsbehörden behauptet. Aber ist das wirklich so? Wir als Bürger können das meistens nicht kontrollieren, weil die entsprechenden Unterlagen zumeist geheim sind. Sollen wir deshalb den Behörden einfach alles glauben, was sie behaupten? Nein! Natürlich nicht!

Denn wie Telepolis im Artikel “9/11, die NATO und der Krieg” von Paul Schreyer zu lesen ist, hat das Ganze System: 

Immer wieder wird in diesem Zusammenhang die sogenannte “Sauerland-Zelle” erwähnt, deren Treiben 2007 erst durch den US-Geheimdienst aufgedeckt worden war – gerade noch rechtzeitig vor einem möglichen Anschlag.

Unerwähnt bleibt dabei freilich, dass der Lieferant jener Bombenzünder damals ein Geheimdienstspitzel mit CIA-Kontakten war, und dass der Vordenker der Zelle von deutschen Diensten zuvor als V-Mann geführt wurde (Ferngelenkte Terroristen?). Eine Konstellation, die der amerikanische Journalist Trevor Aaronson in seinem aktuellen Buch “The Terror Factory” nun als Muster entlarvt hat. Er fand heraus, dass fast die Hälfte aller Terror-Ermittlungsverfahren des FBI seit 9/11 auf der Vorarbeit von Spitzeln beruhten, von denen viele erst mit großen Geldbeträgen vom FBI zur Terrorplanung bewegt wurden.

Im Ergebnis dient jeder (verhinderte) Terroranschlag zugleich als Rechtfertigung für stetig wachsende Behördenapparate, für Überwachung, Kontrolle und nicht zuletzt militärische Interventionen im Ausland.

Gerade die Sauerland-Gruppe wird immer gerne als Beispiel genommen, um die Effektivität und Notwendigkeit der Überwachung zu rechtfertigen. Aber gerade bei der Sauerland-Gruppe ist auch seit längerem bekannt, daß die Gruppe erst durch Geheimdienstaktivitäten geradezu dazu gedrängt wurde, einen Anschlag zu planen. Das wiederum wird aber gerne von den Überwachungsbefürworten gerne unter den Tisch gekehrt.

Was bleibt, ist ein dumpfes Gefühl des permanent überwacht werdens, die Ohnmächtigkeit gegenüber in- und ausländischen Datensammlern, von denen man nicht weiß, was sie mit den Daten anstellen und ob die Daten irgendwann mal in ferner Zukunft gegen einen verwendet werden und vor allem auch die Erkenntnis, daß wir offensichtlich unserem eigenen Staat nicht mehr vertrauen können!

Seit dem 11. September wird der Krieg gegen den Terror geführt. Die Kriegsgegner sind aber nicht irgendwelche radikalen Islamisten, wie uns immer eingeredet wird, sondern wir sind es alle gemeinsam. Unsere Freiheit und unsere Grundrechte werden massiv bekämpft. Wir sind diejenigen, gegen die Krieg geführt wird. Der Staat bzw. die Staaten führt Krieg gegen seine eigenen Bürger. Mal direkt mit biometrischen Pässen, Vorratsdatenspeicherung oder Fluggastdatenabkommen, mal indirekt über die Bespitzelung durch “befreundete” Geheimdienste, die immer dann tätig werden, wenn dann doch mal eine Verfassung den direkten Zugriff auf die eigenen Bürger feigenblatthaft verweigert.

Wenn schon der Staat nicht seinen Bürgern vertraut, welche Veranlassung sollten dann die Bürger haben, noch dem Staat zu vertrauen? Einem Staat, der offensichtlich lieber von der illegalen Spitzelei eines fremden Geheimdienstes gegen die eigenen Bürger profitiert. Einem Staat, der sich nicht schämt, Leute zu Terroranschlägen zu verführen, wie es im Fall der Sauerland-Gruppe war, und dieses dann als Begründung für die weitere Einschränkung von Grund-, Freiheits- und Menschenrechte zu mißbrauchen. Einem Staat, der sich noch immer weigert, das offen zu legen, was eigentlich schon seit Jahren und Jahrzehnten bekannt ist: die flächendeckende und grenzenlose Überwachung aller Bürger durch in- und ausländische Geheimdienste.

Was wir brauchen ist nun Wut und Empörung über unsere politische Führung, die es lieber vorzieht, ihren Amtseid zu brechen als ihn zu befolgen und wenigstens jetzt alle Fakten transparent, offen und ehrlich auf den Tisch zu legen und dafür zu sorgen, daß sämtliche illegalen Aktivitäten sofort eingestellt werden. Schreibt euren Abgeordneten aus Bundestag und Europaparlament, daß ihr nicht länger überwacht werden wollt! Engagiert euch in Bürgerrechtsorganisationen und spendet diesen ein paar Euros für die harte politische Arbeit, die sie tagtäglich für euch machen! Geht für euere Grundrechte auf die Straße, zum Beispiel am 7. September bei der “Freiheit statt Angst” Demo in Berlin!

Werdet aktiv, mischt euch ein!

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1 thought on “Jahrzehntelange Überwachung der Bürger gewollt?

  1. Grundrechte werden mit Füßen getreten
    Es ist wirklich eine Farce! Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (unser höchster gerichtlicher Spruchkörper) hat schon vor Jahrzehnten das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet: http://www.recht-freundlich.de/facebook-und-das-allgemeine-persoenlichkeitsrecht

    Und dieses Recht gilt eben auch im Internet, und am Telefon, und im Emailverkehr. Wie groß die Lücke zwischen Recht und Praxis jetzt klafft, haben wir dank Edward Snowden erfahren.

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