Sebastian Stiffel von der Piratenpartei war dieses mal am schnellsten und hat bereits alle Fragen beantwortet. Wie bereits bei der ersten Aktion üblich, stelle ich hier wieder alle Antworten in Gänze ein und kommentiere sie dann.
Hier nun Sebastians Antworten:
Moin Ingo!
Die (hoffentlich nicht zu knappe) Beantwortung deiner Fragen anbei.
1.) Da es sich beim Zugangserschwerungsgesetz um eine beinahe wirkungslose aber verfassungsfeindliche Maßnahme handelt, die einer Polizeibehörde willkürliche Zensur ermöglicht, lehne ich es ab.
Statt dessen müssen die Inhalte zeitnah aus dem Internet gelöscht werden, was bisher für Provider im Nicht-EU-Ausland gar nicht erst versucht wird. Die Machbarkeit des Prinzips “Löschen STATT Sperren” wurde ja unter anderem vom Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur eindrucksvoll demonstriert: http://ak-zensur.de/2009/05/loeschen-funktioniert.html2.) Glaubt man Politikern und Presse, befindet sich die Wirtschaft ja bereits wieder im Aufwind und selbst die US-Banken schreiben wieder Gewinne. Daher sehe ich der Vergabe von Krediten auch an mittelständische Unternehmen nur als Frage der Zeit. Mir fehlen allerdings weitreichende Konsequenzen aus der Krise, wo Managerboni und Abfindungen trotz kompletter Misswirtschaft ausgezahlt wurden.
3.) Ein falscher Ansatz wäre, vorschnell ein erzwungenes Angleichen des Lohnniveaus zu fordern, denn nur wenn Firmen Geld sparen, verlagern sie Produktionsstätten und Jobs gen Osten. Eine wirkungsvolle Maßnahme, die ich uneingeschränkt unterstütze, ist die Verbesserung der Infrastruktur in den neuen Bundesländern. Dazu zählen auch flächendeckende Breitband-Internetanschlüsse, ohne die Firmen im Jahr 2009 nicht mehr produktiv arbeiten können.
4.) Ein Ehrenkodex klingt zwar nett, bliebe aber wohl ohne Folgen. Wir Piraten fordern und praktizieren daher eine neue Politik der Offenheit und Transparenz. So stellen wir nicht nur unseren Kontostand und alle Protokolle samt Eintscheidungen zur öffentlichen Einsicht ins Internet, sondern bieten auch die Möglichkeit, auf jeder Ebene kritisch zu hinterfragen.
5.) Das Grundgesetz ist mit seinen nun 60 Jahren unsere altehrwürdige gesamtdeutsche Verfassung. Es enthält eine ganze Reihe von Schutzrechten, die dafür Sorge tragen sollen, dass der Bürger vor dem Staat geschützt wird. In genau diesem Kontext schätze ich es sehr, denn unser Grundgesetz war in den letzten Legislaturperioden leider oft genug der letzte Anker, um Gesetze die zu stoppen, die Deutschland zum Polizei- und Überwachungsstaat umbauen wollten oder die im GG verankerte Gewaltenteilung aufweichen.
6.) In meinem Fall wäre das die Einführung der Kulturflatrate. Einem Modell zur vollständigen Legalisierung der Privatkopie: das Herunterladen von Musik und Filmen aus dem Internet wird legal, dafür zahlt man eine geringe monatliche Pauschale, die anschließend über einen Nutzungsschlüssel an die Künstler ausgeschüttet wird.
Basti
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Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Stiffel
Obwohl die Piratenpartei häufig bloß als Ein-Themen-Partei oder Internet-Partei verschrien ist, hat Sebastian hier auch sehr schön auf die anderen Fragen geantwortet. Es liegt ein bißchen in der Natur der Sache, daß ich natürlich nicht in allen Punkten mit Sebastians Meinung übereinstimme. 😉
ad 1) Daß ich auch den Ansatz “Löschen statt Sperren” favorisiere und nichts vom Zugangserschwerungsgesetz halte, dürfte sich bei den Lesern meines Blogs inzwischen herumgesprochen haben. Ergänzend möchte ich nur kurz auf die heutige Aktion von MOGIS hinweisen: “Warum man mit Kooperation weiter kommt …”
ad 2) Die Frage ist meiner Meinung nach nicht, ob irgendwann die Kredite an KMUs wieder fliessen, sondern warum sie nicht jetzt fliessen, wenn sie gebraucht werden? Denn unter anderem war ja wohl die Millarden für die Banken dazu da, eben dem Mittelstand mit Krediten eine Überbrückung der Krise zu ermöglichen. Da haben meiner Meinung nach die Banken und die Politik grandios versagt. Daß stattdessen viele Banken schon wieder Gewinne erwirtschaften ist zum einen zwar schön, aber man muss sich fragen, woher die Gewinne so plötzlich kommen und wieso überhaupt der Steuerzahle einspringen musste? Die notwendigen Konsequenzen, wie Sebastian fordert, müssten nun umgehend (aka. sofort) gezogen werden, aber auch da sehe ich eher ein “Wir machen weiter wie bisher”.
ad 3) Sicherlich ist es notwendig, die notwendige Infrastruktur für die Firmen zu schaffen. Und das gilt insbesondere für die Breitbandversorgung in ländlichen Gebieten. Da ich vor nicht allzu langer Zeit noch bei einer Firma gearbeitet habe, die eben unterversorgte Gebiete mittels Funktechniken versorgt hat, weiß ich nur zu gut um die Problematik. Leider heißt das auch, daß die Versorgung durch alternative Anbieter nunmal nicht zum Discount-Schleuder-Preis von 14.99 für 16 Mbit/s zu machen ist. Viele potentielle Kunden wollen aber nicht mehr bezahlen.
Allerdings finde ich durchaus, daß die Löhne auch hier im Osten auf Westniveau angeglichen werden sollten. Zum einen jammern die Firmen immer herum, daß sie keine qualifizierten Leute finden können, zum anderen wollen (oder können) sie nicht die entsprechenden Löhne zahlen, um die Leute entweder hier zu behalten oder eben zurück zu locken. Wer hier aber wenig Geld verdient, kann auch nur wenig Geld ausgeben. Natürlich bringt es dann auch nichts, hohe Löhne hier zu zahlen, wenn die Leute alle beim billigsten Internetversand oder Discounter kaufen. Das Geld muss dann schon in die lokale Wirtschaft fliessen. Aber auf Ewig niedrige Löhne hinnehmen zu müssen, sehe ich persönlich gar nicht ein.
ad 4) Daß die Piratenpartei ziemlich transparent ist, ist in der Tat ziemlich außergewöhnlich in der deutschen Parteienlandschaft und sehr lobenswert. Es bleibt zu hoffen, daß dies auch zukünftig so bleiben wird. Gerade wenn man mal wieder hört, daß Gesetze mit Hilfe von externen Anwaltskanzleien entworfen werden, wie es nun im Wirtschaftsministerium der Fall war/ist, dann wünscht man sich als Wähler in der Tat mehr Transparenz, damit sowas möglichst früh auffliegt und im Keime erstickt werden kann. Oder wie es anderswo so schön heißt: Für einen gläsernen Staat, nicht einen gläsernen Bürger!
ad 5) Auch hier wird der regelmäßige Leser meines Blogs nicht überrascht sein, wenn ich Sebastian in seiner Meinung zum Grundgesetz und seiner Bedeutung zustimme. Den Geist und das Wesen des Grundgesetzes zu wahren, ist Aufgabe aller Wähler am 27. September bei der Bundestagswahl! Bis dahin bleibt noch reichlich Zeit, nicht nur sich selber darüber zu informieren, welche Parteien für die Wahrung des Grundgesetzes eintreten, sondern auch andere darüber zu informieren und aufzuklären.
ad 6) Die Kulturflatrate klingt natürlich schön einfach. Allerdings hab ich noch so meine Zweifel, ob das wirklich das beste im Sinne aller ist. Daß sich das ganze Brimborium rund um die Verwertungsgesellschaften überlebt hat, ist hingegen keine Frage. Das muss schnellstens geändert werden. Inzwischen ist das Urheberrecht bzw. das bisherige Verwertungsrecht meiner Meinung nach eher hinderlich und dient nicht mehr der Gesellschaft, sondern nur noch einigen wenigen: nämlich den Gesellschaften selber. Auch die Künstler haben allzu häufig das Nachsehen.
Soweit also erstmal mein erster Kommentar zu den ersten Antworten. Nun heißt es wieder warten, wer denn als zweites antworten wird… man darf gespannt sein! 🙂
moin, hab die aktion auch gestartet, schon vor nen paar tagen und auch schon eine antwort erhalten, siehe:
http://ajp.blogsport.de/category/fragen-zur-wahl/
mag klaus-dieter
Hehehe… einige Fragen kommen mir seltsam vertraut vor. 😉
Gegen einen Hinweis Link auf die Ursprungsaktion haette ich uebrigens nichts einzuwenden. ;-))
Scheinbar haben bei euch in Frankfurt aber bis auf den Kandidaten der Piratenpartei auch noch keine weiteren geantworten. Und das, wo doch dieses Jahr “Internetwahlkampf” sein soll… 😉
Aber auch schoene Aktion! Weiter so und haltet mich auf dem Laufenden! 🙂