Noch mehr Wikileaks

Wikileaks und es nimmt kein Ende. Es ist schon erstaunlich, was die Veröffentlichung der Depeschen so alles an das Tageslicht spült. Anfangs gab es ja nur die lustigen, aber durchaus zutreffenden Einschätzungen über Politiker zu lesen. Inzwischen kommt ja einiges mehr hoch. Fefe hat in seinem Blog zum Beispiel Waffenlieferungen an den Sudan thematisiert: 

Der Hammer ist jetzt, was der Botschafter den Vorgesetzten zurückkabelt:

"Die kenianische Regierung ist verständlicherweise irritiert, weil der Transfer der Panzer doch den Zielen der USA entspricht … die SPLA von einer Guerillaarmee zu einer kleinen konventionellen Truppe umzubauen, die Juba (Hauptstadt der Rebellen) auch verteidigen kann."

NEIN wie geil! Bwahahahaha! Und nicht nur das! Kommt noch härter!

In den vergangenen zwei Jahren haben uns die Offiziellen des Verteidigungsministeriums alle Einzelheiten ihres Engagements mit der SPLA offengelegt, so wie wir ihnen unser Trainingsprogramm für die SPLA gezeigt haben, einschließlich des Schießtrainings für Soldaten, entsprechend der Präsidenten-Direktive vom Mai 2007 … Es ist schwierig, den Kenianern beizubringen, dass die Überstellung des Geräts an die SPLA Sanktionen nach sich zieht, wenn sie gleichzeitig sehen, dass die USA ihre Militärhilfe an die SPLA unverändert fortsetzen.

Und so bekommen die Sachen allmählich ein neues Gesicht. Oder um es deutlicher zu sagen: die Wahrheit kommt endlich mal ans Licht!

Aber auch Lorenz Matzat schreibt in seinem Blog Datenjournalist lesenswertes über Wikileaks: 

Tatsächlich wäre es seitens der USA angebracht gewesen, das Leak sportlicher zu nehmen und diejenigen, die zum Mord an Julian Assange aufrufen, in ihre Schranken zu verweisen. Und dann eben dafür zu sorgen, sensible politische Kommunikation zukünftig sicherer zu organisieren.

Dem entgegen tut die US-Regierung das Dümmste, was sie tun kann: Sie versucht eines der Leuchtturmprojekte der freien Meinungsäußerung in die Knie zu zwingen. Und scheint das so ahnungslos anzugehen, wie ein Abmahnanwalt, der keine Schimmer davon hat, zu welchem Reputationsverlust das für den Klienten führen kann.

Tatsächlich ist die Vorgehensweise der US-Regierung wenig verständlich. Während ähnliche Veröffentlichungen im Netz wie zum Beispiel in Burma weltweit als Meilenstein der Demokratie und der Meinungsfreiheit gefeiert und die Bestrebungen der entsprechenden Regime, dies zu unterbinden, auf das Schärfste verurteilt wurden, gibt sich die US-Regierung nun die Blöße genauso zu verfahren. Das macht sie wenig bis gar nicht glaubwürdig.

Allerdings ist auch nicht alle Geschehenisse um Wikileaks herum in den letzten Tagen lobenswert. So hat eine Hacker-Gruppe (und ja, ich mache bewußt keine Unterscheidung zwischen Hackern und Crackern) einen breit angelegten Angriff per dDoS auf diejenigen Firmen gestartet, die Wikileaks in den letzten Tagen vor die Tür gesetzt haben. So hat es zum Beispiel Mastercard getroffen, wie n-tv berichtet

Nach der Verhaftung von Wikileaks-Chef Julian Assange gehen Hacker-Gruppen massiv gegen seine Gegner vor. Cyber-Angriffe legten die Website des schwedischen Anwalts im Strafverfahren gegen Assange sowie Websites von Firmen lahm, die der Enthüllungsplattform die Zusammenarbeit aufgekündigt hatten. Derweil kündigte eine isländische Computerfirma Klage gegen das Kreditkarteninstitut Visa an.

DDoS-Angriffe gehen gar nicht. Das ist unterstes Niveau und absolut zu verurteilen. Auch die TAZ hat was zum Thema und erwähnt am Schluß, daß wohl doch PayPal auf Drängen der US-Regierung das Konto gesperrt hat: 

Parallel dazu berichtet der US-Technikblog techcrunch.com, dass PayPal-Vizechef Osama Bedier auf einer Pariser Internetkonferenz zugegeben hatte, dass die Schließung ihres Wikileaks-Spendenkonto erfolgt war, nachdem die US-Regierung sein Unternehmen auf deren "illegale Aktivitäten" aufmerksam gemacht hatte.

Auch Netzpolitik.org nimmt Stellung zu den Attacken. Die Wau-Holland-Stiftung unternimmt hingegen das einzig richtige: sie unternimmt juristische Schritte gegen PayPal:

Zudem stellt die von PayPal veröffentlichte Behauptung, die Wau Holland Stiftung unterstütze und fördere "illegale Aktivitäten", eine Verleumdung dar, gegen die sich die Stiftung in aller Form verwehrt.

Die Stiftung hat deshalb mittlerweile anwaltliche Schritte gegen die Firma PayPal eingeleitet. Paypal wurde aufgefordert, diese Behauptung von ihrem Firmenblog zu entfernen sowie den berechtigen Zugriff auf das Spendenkonto wiederherzustellen.

Unterdessen gerät aber auch Twitter als Verbreitungsmedium ins Visier der Diskussion um Wikileaks, wie der Spiegel zu berichten weiß: 

Dass nun ausgerechnet WikiLeaks nicht in den Trendthemen auftaucht, beschäftigt seit Tagen Blogger und Presse. Der Verdacht liegt nahe, Twitter zensiere die Liste der Top-Themen und versuche das Thema WikiLeaks zu verbergen. Schließlich haben längst auch andere Unternehmen die Enthüllungsplattform verbannt (siehe Kasten) – Amazon hat die Organisation von seinen Servern geworfen, Paypal, Visa und Mastercard den Zahlungsverkehr eingestellt. Warum also sollte nicht auch Twitter sich dem Druck einiger Politiker beugen, die drastische Strafen für WikiLeaks und ihre Unterstützer fordern?

Twitter verteidigt sich zwar damit, daß der Algorithmus nunmal so seltsam arbeitet, daß er Topics, die längere Zeit populär sind, nicht mehr anzeigt, aber besonders glaubhaft erscheint mir das wirklich nicht. Und es paßt auch nicht zu dem, was Netzpolitik.org nun über Twitter meldet: 

Der Twitter-Account der Gruppe Anonymous, die zur Stunde DDoS-Attacken auf MasterCard & Visa orchestriert, wurde soeben von Twitter suspendiert. Nachdem in den letzten Tagen immer wieder (Zensur-)Vorwürfe gegen Twitter laut wurden, weil #Wikileaks wider Erwarten nicht in den Trending Topics war, wofür eine zumindest nachvollziehbare Erklärung gegeben wurde, dürfte die Debatte nun – zu Recht – wieder entflammen.

All das zeigt jedenfalls, daß das Internet eine bedingslose Netzneutralität und dezentralisierte Dienste dringend braucht, um damit die Meinungsfreiheit gewährleisten zu können. Meinungsfreiheit und Grundrechte allgemein sind insbesondere dann wichtig, wenn sie in Gefahr sind. Und der Schutz dieser Grundrechte unterscheidet einen Staat mit freiheitlich demokratischer Grundordnung von einem Regime. Daran, wie sehr die Staaten nun die Veröffentlichungen von Wikileaks schützen, sind sie zu messen, ob ihnen die Grundrechte und die Informationsfreiheit ihrer Bürger etwas wert sind.

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4 thoughts on “Noch mehr Wikileaks

  1. “All das zeigt jedenfalls,
    “All das zeigt jedenfalls, daß das Internet eine bedingslose Netzneutralität und dezentralisierte Dienste dringend braucht, um damit die Meinungsfreiheit gewährleisten zu können.”

    *Unterschreib*

    … huch, ich hab eine Nachricht auf Facebook! Ich muss weg! 😉

  2. Jene die normal immer sagen
    Jene die normal immer sagen ‘wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten’ reden jetzt groß von Geheimnisverrat. Eine ironische Wende wie ich meine.

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