Nach der Landtagswahl in Niedersachsen

Die Landtagswahl in Niedersachsen war gestern spannend. Bis sich irgendwann zwischen 23 und 24 Uhr abzeichnete, daß Rot-Grün mit einem Mandat vorne liegt, war es ein ständiges Hin und Her oder auch mal ein ausgeprägtes Patt zwischen den Lagern. Die Ergebnisse sind inzwischen bekannt (auch wenn das amtliche Endergebnis noch aussteht):

  • CDU: 36%
  • SPD: 32,6%
  • B90/Grüne: 13,7%
  • FDP: 9,9%
  • Linke: 3,1%
  • Piraten: 2,1%

Überraschend sind für alle gestern die fast 10% Stimmen für die FDP gewesen. Ich finde das immer noch etwas sonderbar und würde mich viel mehr darüber freuen können, wenn die FDP endlich ihre unsägliche neoliberale Wirtschafts- und Klientelpolitik auf der Müllhalde der Geschichte entsorgen und sich mehr dem Liberalismus von Dahrendorf, Hirsch, Baum, Schnarrenberger verschreiben würde. Danach sieht es aber leider nicht aus.

Bemerkenswert finde ich auch, daß die beiden großen Lager (CDU/FDP und SPD/Grüne) fast gleichstark sind. Das sind die Parteien der Mitte. Daran sieht man, wie ähnlich sich die Parteien eigentlich alle schon geworden sind. Es ist fast egal, welche Partei man wählt. Sie sind austauschbar geworden. Sie polarisieren nicht mehr.

Polarisieren tun eigentlich nur noch die Linke und die Piratenpartei. Die Linke ist nun aus dem Landtag geflogen, die Piratenpartei ist erst gar nicht reingekommen. Die Linke wird aufgrund ihrer SED-Vergangenheit von den übrigen Parteien gemieden wie der Teufel das Weihwasser meiden soll. Dabei hat die Linke in Niedersachsen naturgemäß gar nichts mit der SED-Nachfolgepartei zu tun. Vielleicht mag es ein paar vereinzelte Ex-SED/PDSler geben, die irgendwann mal aus dem Osten Deutschlands nach Niedersachsen gezogen sind. Auch hat Sahra Wagenknecht, ihres Zeichens bekennende Kommunistin, kräftig im Wahlkampf in Niedersachsen mitgewirkt. Trotzdem dürfte die Linke in Niedersachsen eher ihre Wurzeln in der damaligen Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG) haben, die irgendwann mit der PDS zur Partei DieLinke fusionierte.

Die Piratenpartei hingegen sind Newcomer, die letztes Jahr ein ziemliches Hoch hatten. Inzwischen sind sie auf den Boden der Realität zurückgeholt worden. Trotzdem halte ich die Piratenpartei mit 2,1% für unterbewertet. Das Problem ist, daß die Piratenpartei ihre Themen nicht an den Wähler bringen konnte und diese Themen zudem auch viele Wähler gar nicht interessieren. Die Analysen sowohl außerhalb als auch innerhalb der Piratenpartei laufen auf Hochtouren, wie zum Beispiel bei Klaus Peukert oder bei Ennomane. Es gibt viele Stimmen, daß die Piratenpartei ja nun nicht mehr Protestpartei ist, sondern durch ihre Präsenz in vier Landtagen im Politikalltag angekommen ist und “liefern” müsse.

Ich finde, die Piratenpartei muss hingegen wieder mehr Protestpartei werden. Und zwar eine unbequeme Protestpartei in der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition. Statt sich in endlosen internen Streitigkeiten zu zerfleischen, sollten die Piraten die Fehler der anderen Parteien, insbesondere der Regierungsparteien, erbarmungslos ans Tageslicht zerren und publik machen. Sie sollten die Indignados der deutschen Politik werden, die politische Stimme der Empörten.

Müssen die Piraten ein ausgeklügeltes Vollprogramm haben? Nein, müssen sie meiner Meinung nach nicht. Das bräuchten sie nur, wenn sie Regierungsverantwortung haben wollen. Davon ist eine 2% Partei aber meilenweit entfernt. Deshalb brauchen sie kein Vollprogramm und müssen nicht zu allem eine Lösung haben. Sie sollten aber die Mißstände in der Politik transparent machen und anprangern. Sie müssen die “etablierten” Parteien vor sich her treiben. Unbequeme Fragen stellen, neue Ideen und Lösungen fordern.

Wir brauchen keine fünfte oder sechste Partei der MItte, sondern eine Partei, die nicht so weiter macht wie alle anderen Parteien, sondern unsere Gesellschaft nach vorne bringt. Das kann aber nur gelingen, wenn man eben nicht wie die anderen ist, sondern anders.

Das wirklich Positive am Wahlergebnis ist für mich jedoch, daß Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann, weithin als Ultra-Hardliner der Sicherheitsfanatiker bekannt, bald Geschichte sein wird. Durch den Wechsel in Niedersachsen verliert Schünemann nicht nur sein Amt als niedersächsischer Innenminister, sondern auch sein Mandat als Landtagsabgeordneter. Kurzum: Schünemann wird bald arbeitslos sein. Und darüber dürfen sich nun wirklich viele Menschen freuen, denen Freiheit, Humanität und Grundrechte am Herzen liegen.

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