Derzeit macht das neue Melderecht von sich reden. Der Bundestag hatte nämlich letztens ein neues Melderechtgesetz beschlossen, da der Bund nach der Föderalismusreform nun für ein einheitliches Melderecht zuständig ist. Das ist an und für sich nun erstmal eine positive Sache. Aber unsere Bundesregierung wäre nicht unsere Bundesregierung, wenn sie nicht auch dieses einfache Thema grandios vergurkt hätte. Und das hat sich eben genau gemacht. Gehen wir mal Schritt für Schritt die Kritikpunkte durch:
- Das Zustandekommen
Bereits die Abstimmung im Bundestag war mal wieder eine Farce sondergleichen. Wieso, zeigt dieses Video vom Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags (Youtube):
Die Abstimmung war während des EM-Halbfinalspiels der deutschen Mannschaft gegen Italien, die Anzahl der Parlamentarier mithin also mehr als überschaubar. Darüberhinaus fand keinerlei Debatte statt, sondern die Reden wurden lediglich zu Protokoll gegeben. Vor allem die geringe Anzahl der anwesenden Abgeordneten ist in Hinblick auf die Beschlußfähigkeit des Bundestages, die ja erst letztens beim Betreuungsgeld entscheiden nicht festgestellt wurde, interessant. Laut Webseite des Bundestages, ist der Bundestag “beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.” Wie kann, bitte schön, die Beschlußfähigkeit nicht vom Sitzungsvorstand angezweifelt werden, wenn da nur gut 30-40 Abgeordnete im Plenum sitzen? Ich votiere stark dafür, daß die Beschlußfähigkeit künftig zu Beginn der Sitzung durch den Bundestagspräsidenten oder dessen Vertreter festgestellt werden muss. - Änderung des Gesetzesentwurfs
Auch ein beliebter Taschenspielertrick der derzeitigen Bundesregierung ist es offenbar, in einer Nacht- und Nebelaktion wichtige Teile eines Gesetzes kurz vor der Abstimmung durch eine Neufassung ins Gegenteil zu kehren. So auch bei dem Entwurf zum neuen Meldegesetz, wie Rechtsanwalt Udo Vetter schreibt:
“Was bei der Eurorettung schon lange kritisiert wird, ist anscheinend auch ein beliebtes Mittel bei anderen Gesetzesvorhaben: In letzter Minute kriegt der Gesetzentwurf eine andere Fassung – und der Inhalt verkehrt sich mitunter in sein Gegenteil. Genau das ist am vergangenen Freitag im Bundestag bei einem heiklen Datenschutzthema geschehen. Obwohl es vorher anderes geplant war, dürfen Meldeämter bald die Daten aller Bürger verkaufen. Betroffene, also wir alle, können zwar widersprechen. Es hilft nur nichts.” - Inhaltliche Kritik
Durch die kurzfristige Neufassung besteht nun eigentlich kein Datenschutz mehr bei den Daten der Bürger. Interessierte Unternehmen, aber auch zum Beispiel die GEZ , können nun unter dem Vorwand der Adreßbestätigung anfragen und Auskunft bekommen. Das bisherige Opt-In wurde durch ein nutz- und wirkungsloses Opt-Out ersetzt. Das ganze hat mal wieder den Anschein von Klientelpolitik. - Die Opposition
Erst nach gut 2 Wochen, nachdem das neue Meldegesetz im Bundestag beschlossen worden ist, wacht die Opposition auf und kündigt an, das Meldegesetz im Bundesrat stoppen zu wollen. Aber scheinbar, so sagt zumindest Johannes Saalfeld von B90/Grüne im Schweriner Landtag, sei das Gesetz gar nicht zustimmungspflichtig: “@ingoj Neues #Meldegesetz ist kein zustimmungspflichtiges Gesetz im Bundesrat. CDU/FDP muss also zu Änderung überzeugt werden. #dranbleiben“. Die Empörung kommt also ziemlich spät. Bleibt aber dennoch zu hoffen, daß der öffentliche Druck noch größer werden und das neue Meldegesetz gekippt wird.
Insgesamt gesehen also mal wieder ein Glanzstück demokratischer Unfähigkeit im Bundestag, die wir nun erleben und im Zweifel teuer mit unseren Daten bezahlen müssen. Wie bereits oben geschrieben sollte eine Lehre aus diesem Gesetz sein, daß zukünftig die Beschlußfähigkeit zwangsläufig bei jeder Abstimmung vom Sitzungsvorstand im Bundestag festgestellt werden muss. Ebenso sollte die Lehre sein, daß Änderungen vor Abstimmungsbeginn noch einmal laut verlesen werden sollten. Darüberhinaus muss nachvollziehbar sein, welche Änderung von welcher Person im Gesetzestext eingebracht wurde. So ein Changelog ist in der Softwareentwicklung Gang und Gäbe und demokratisch gesehen ein Mehrwert in Sachen Transparenz.
PS: auch Katharina hat wieder kluges hierzu geschrieben: Anwesenheitspflicht: Das unentschuldigte Fehlen der Politik im Bundestag