Quo vadis, Verfassungsschutz?

Eines wird derzeit ziemlich deutlich: der Verfassungsschutz in Bund und Ländern hat versagt. Ganz einfach. Entweder muss er sich vorwerfen lassen, auf dem rechten Auge blind zu sein, oder aber über seine V-Leute mehr oder minder direkt die NPD zu finanzieren, wie Panorama und publikative.org berichten. Stattdessen versucht die Politik mit ihren üblichen Platitüden und dem schon reflexhaften Ruf nach Vorratsdatenspeicherung vom eigentlichen Problem abzulenken.

Der Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein, ist meiner Meinung nach auch nicht so völlig von der Hand zu weisen, insbesondere wenn man sich die Geschichte der Besetzungen dieser Ämter zum Beispiel am Auswärtigen Amt anschaut, die im Buch "Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik" ziemlich ausführlich, um nicht zu sagen: in epischer Breite, dargelegt wird. In der Nachkriegszeit versorgten sich die alten Seilschaften nämlich gerne selber mit Pöstchen in der noch jungen Bundesrepublik. Es blieb teilweise auch kaum ein anderer Weg, da erfahrene Leute gebraucht wurden und neue, unbelastete Mitarbeiter erst noch ausgebildet werden mussten. Was im Auswärtigen Amt passierte, wird auch in vielen anderen Behörden so abgelaufen sein. So wurde Generalmajor Reinhard Gehlen zum Leiter der Organisation Gehlen, dem späteren Bundesnachrichtendienst. So hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) offenbar den einen oder anderen brauen Fleck, wie zum Beispiel Hubert Schrübbers, in seiner Vergangenheit.

Doch nicht nur die Vergangenheit dürfte problematisch sein, auch die Struktur an sich: das BfV untersteht dem Bundesministerium des Innern, zu dessen Aufgaben neben der inneren Sicherheit auch der Schutz der Verfassung gehört. Und hier sehe ich einen grundlegenden Interessenkonflikt. Wie die jüngste Vergangenheit seit dem 11. September 2001 zeigt, kann man nicht den Bock der Sicherheit zum Gärtner im Garten der Grundrechte machen. Wer mehr Sicherheit will, muss immer mehr Grundrechte abbauen. Eine Aufsicht über das BfV kann somit auch nicht gegeben sein, da auch hier Interessenkonflikte herrschen.

Kritik am BfV gibt es aber natürlich auch in den Medien, wie zum Beispiel von Heribert Prantl in der Süddeutschen:

Gewiss: Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt nicht "wegen Staatskrise", sondern wegen "Bildung terroristischer Vereinigungen" – aber damit indirekt auch wegen Staatsversagens, weil die zuständigen Behörden von dieser terroristischen Vereinigung offenbar nicht das mindeste mitgekriegt haben. Die Ermittlungen können eine Staatskrise zur Folge haben – zumal dann, wenn sich ergibt, dass es gegen Rechtsextremisten eine heimliche Linie der Schonung und Nachsicht gegeben haben sollte.

Immer mehr Menschen fragen sich, wer denn die Verfassung vor einem Verfassungsschutz schützt, der mit Akribie und Eifer kritische Demokraten observiert, aber gewalttätige Neonazis in Ruhe lässt oder als V-Leute beschäftigt. Wenn es dem Verfassungsschutz nicht gelingt, seine rechtsextremistischen V-Leute unter Aufsicht zu halten, darf man ihm dann geheimdienstliche, also grundrechtsaggressive Ermittlungsmethoden in die Hand geben?

Auch wenn Prantl von einer Staatskrise spricht, so habe ich jedoch wenig Hoffnung, daß dem so ist. Oder mit anderen Worten: es wird keine personellen Konsequenzen geben, sondern es werden mal wieder in schönster Aktionismus-Manier irgendwelche Abwehrzentren ins Leben gerufen, die zwar vielleicht eine arbeitsmarktpolitische, aber ansonsten keinerlei Bedeutung haben. 

Auch Spiegel Online diskutiert in einem Artikel die Rolle des Verfassungsschutzes und bringt einige interessante Aspekte: 

Nicht alle Vorschläge folgen zwingend aus dem Fall der "Zwickauer Zelle". Viele Ideen betreffen Ressourcen, Mittel und Verzahnung der Behörden, was nach bisherigem Kenntnisstand nicht das zentrale Problem gewesen zu sein scheint. Spricht man mit Mitarbeitern von Sicherheitsbehörden, treibt diese vor allem das handwerkliche Versagen um. Viele Beamte sind betroffen über dessen Ausmaß. Fragt man sie, was ihrer Meinung nach Abhilfe schaffen könnte, kommen Antworten wie: bessere Ausbildung, mehr politische Rückendeckung, mehr Unabhängigkeit im Durchdenken von Szenarien.

Seltsamerweise wird da mit keinem Wort eine Vorratsdatenspeicherung erwähnt oder überhaupt mehr Befugnisse, sondern es soll mehr Ausbildung, mehr Rückendeckung durch die Politik und mehr Unabhängigkeit geben. Gerade letzteres würde sich mit dem nun beschlossenen Abwehrzentrum beissen. Auch eine Vorratsdatenspeicherung hilft nichts weiter, denn das BfV mit seinen geheimdienstlichen Befugnissen hätte schon längst die Telefone der Gruppe abhören können. Auch sollten hier die Voraussetzungen für eine Online-Durchsuchung auf den Computern der Verdächtigen gegeben sein, denn die Neonazis zielen ja auf eine Beseitigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab. Nur: der Verfassungsschutz hat diese Leute aus den Augen verloren. Das ist das eigentlich, das grundlegende Problem, das auch nicht mit einem neuen Abwehrzentrum behoben werden wird.

Die Idee am Ende des Spiegel-Artikels eines unabhängigen Geheimdienstbeauftragten ähnlich dem Wehrbeauftragten finde ich unterstützenswert. Insgesamt gesehen muss der Verfassungsschutz aber reformiert werden. Damit meine ich nicht einen zentralen Dienst, sondern innerhalb unseres föderalen Systems zum Beispiel dadurch, daß die parlamentarische Kontrolle gestärkt wird und die Verfassungsbehörden nicht mit den Innenministerien unterstehen, sondern eigenständig sind und somit auch gegebenenfalls verfassungsfeindliche Aktivitäten zum Beispiel im Innenministerium untersuchen können. Bitter notwendig wäre es jedenfalls.

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1 thought on “Quo vadis, Verfassungsschutz?

  1. Bullshit
    Der Verfassungsschutz gehört nicht reformiert, sondern seine Verantwortlichen und seine Killer hinter Gitter, ganz einfach. Das Geschwätz in den Mainstream-Medien von einer braunen Terrorgruppe aus drei Vollhonks, die einerseits eine Polizeibeamtin kaltblütig erschießen, und sich dann nach einem Bankraub wegen eines sich dem “Fluchtfahrzeug” Wohnmobil nähernden Streifenbeamten gegenseitig umzubringen (erst Bauchschuss, dann Kopfschuss, danach noch eben mal das Wohnmobil anzünden, HAHA), dient doch nur der Stärkung einer Bundespolizei mit weitläufigen Rechten, nach dem Motto “Der VS hat gepennt, wir brauchen was besseres”.

    Wenn DAS mal kein stichhaltiges Tatmotiv für Anschläge ist!

    Im Übrigen scheint es für den Mainstream zwar keine Rolle zu spielen, ob das “Terrortrio” tatsächlich an den Tatorten der Bosporus-Morde war, während es vollkommen nebensächlich zu sein scheint, dass BfVS-Beamte nachweislich an mindestens 6 Tatorten gesichtet wurden. WTF?

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