Vor einigen Tagen hat sich Siegfried Kauder, CDU mal wieder aus dem Fenster gelehnt und gefordert, daß Internetnutzern für 3 Wochen der Anschluß gekappt werden soll, wenn diese Urheberrechtsverletzungen begangen haben, also quasi das französische 3-Strikes-Modell, bloss halt nur mit 3 Wochen Sperre. Da verwundert auch nicht weiter, daß Kauder Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e.V. ist, eher im Gegenteil. Zwar hat der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Union dann wohl Kauder zurückgepfiffen, pardon, über die Reaktionen im Netz aufgeklärt, aber ich kann trotzdem nicht an eine unbedachte Meinungsäußerung Kauders glauben. Vielmehr glaube ich, daß Kauder bewußt nach der Maxime "Steter Tropfen höhlt den Stein" gehandelt hat.
Beispiele dafür, daß stetige und beharrliche Forderungen irgendwann Erfolg haben, gibt es zahlreiche. Zum Beispiel die Kronzeugenregelung. Diese wurde auch erst vehement durch die Experten abgelehnt, aber ständig von einigen Politikern gefordert, bis sie dann endlich kam. Heribert Prantl schreibt in seinem Buch "Verdächtig" auf Seite 31:
"Die Kronzeugenregelung ist auch beispielshaft dafür, wie ein Gesetzgeber allmählich weich wird; wie er ein Gesetz, das er erst für untragbar hält, im Lauf der Zeit annimmt, wie sich Bedenken abschleifen. Dreimal – 1975, 1977 und 1986 – war der Kronzeuge von der einhelligen Kritik der Fachöffentlichkeit gestellt, als personifizierte Ungerechtigkeit entlarvt und schließlich in der rechtspopulistischen Requisitenkammer/Abteilung ‘unbrauchbare Intrumentarien gegen den Terrorismus’ abgestellt worden – eingewickelt in die Protestnoten der Richter und Staatsanwälte, verschnürt mit dem fünffachen Nein von über neunzig Strafrechtsprofessoren.
1989 holte der konservative Gesetzgeber den Kronzeugen dort wieder heraus – und das gelang ihm mit einem Trick: Er führte gleichzeitig ein strafbewehrtes Vermummungsverbot gegen Demonstranten ein, auf das sich die öffentliche Kritik konzentrierte."
Prantl fährt dann noch mit der weiteren Geschichte zur Kronzeugenregelung fort, etwa damit, daß diese erst einmal bis 1992 befristet wurde und eine Verlängerung bestenfalls bei großen Erfolgen in Frage käme. Der Erfolg blieb aus, aber stattdessen wurde argumentiert, daß die Kronzeugenregelung ja vielleicht irgendwann einmal helfen würde, einen Mord zu verhindern. 1999 wurde dann die Kronzeugenregelung gekippt, allerdings nur kurzfristig, bis sie nach dem 11. September 2001 erneut ins Leben gerufen wurde – angeblich dringend für den Kampf gegen den Terrorismus benötigt.
Wenn man nur lange genug etwas fordert, dann wird man irgendwann diese Forderung durchsetzen können und genau das scheint mir die Intention von Siegfried Kauder zu sein: bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit das Thema auf den Tisch zu bringen und immer wieder wahlweise die Einführung von Netzsperren oder aber die Sperrung von Zugängen zu fordern. Irgendwann werden die Forderungen dann schon erfüllt werden. Und dann? Dann, so ist zu vermuten, wird sich Herr Kauder von der Politik zurückziehen und eine lukrative Position in der Rechte- und Medienbranche einnehmen. Bleibt nur zu hoffen, daß sich die politische Großwetterlage langsam aber sicher ändert und das Urheberrecht als solches reformiert wird, denn von den Forderungen der Industrie profitieren nicht die Künstler, sondern die Rechteverwerter, also die Industrie selber.