Erich Moechel über das EU-PNR Abkommen

Manchmal lohnt es sich in einem vereinten Europa auch über die Grenzen zu schauen. Nicht nur, weil es da auch schön ist, sondern weil es dort auch engagierte Menschen gibt, die sich gegen den Abbau von Bürger- und Freiheitsrechten einsetzen. So zum Beispiel Erich Moechel, der auf fm4.orf.at einen interessanten Artikel über das geplante Fluggastdatenabkommen (PNR) geschrieben hat: 

Schon der im Auftrag des Rats durch die Kommission verfasste Richtlinienentwurf zur Speicherung der internationalen Flüge aus dem EU-Raum und vice versa laufe Gefahr, bei der Umsetzung in nationales Recht von den jeweiligen Höchstgerichten als rechtswidrig eingestuft und in der Folge verworfen zu werden.

Was auf nationaler Ebene gesetzlich verboten sei, könne nicht mittels EU-Recht dort eingeführt werden, sagte der Sprecher der Ratsjuristen und verwies auf die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Trotz eines weiten Gestaltungsspielraums für die Mitgliedsstaaten hätten mehrere nationale Höchstgerichte die Regeln als verfassungswidrig erkannt.

Fazit der Rechtsabteilung, die auf ausdrücklichen Wunsch des GENVAL-Vorsitzes nur kurz das Wort ergreifen durfte: Der Vorrang des EU-Rechts gegenüber nationalen Gesetzen sei gefährdet, wenn nationale Höchstgerichte EU-Beschlüsse aufheben würden.

Das Gutachten des juristischen Dienstes war ja schon hier erwähnt worden. Insofern also nichts Neues. Aufhorchen lässt mich aber der letzte Satz. Das hört sich für mich schon fast so an, als wenn die EU-Kommission überlegt, wie sich die EU-Beschlüsse doch noch in nationales Recht umsetzen lassen könnten, obwohl nationale Gerichte diese für rechtswidrig halten. Ich wäre persönlich wenig überrascht, wenn es bald eine solche Initiative geben würde. Aber Moechel hat noch anderes Interessantes zu berichten: 

In der anschließenden Diskussion hagelte es Änderungswünsche. Griechenland, die Niederlande und Deutschland verlangten eine Verkürzung der auf fünf Jahre geplanten Speicherfrist. Österreich forderte einen Richtervorbehalt für den Zugang zu den Daten, England, Frankreich, Schweden, Italien und Tschechien lehnten das postwendend als "nicht praktikabel" ab.

Großbritannien sprach sich sogar gegen die Informationspflicht gegenüber den jeweiligen für die Speicherung zuständigen nationalen PNR-Beauftragten aus, weil das in Bezug auf "Geheimdiensterkenntnisse problematisch" sei. Briten und Franzosen plädierten dafür, "Echtzeitanalyse und proaktive Nutzung" der Passagierdaten auch für weniger schwere Straftaten zuzulassen.

Nicht nur, daß es keinen Richterbeschluß für die Daten geben soll und somit der Verwertung durch Behörden Tür und Tor offensteht, sondern die Daten sollen auch für "weniger schwere Straftaten" zur Verfügung stehen. Daß das nicht gutgehen kann, hat man ja nun gerade erst beim Skandal um die Handydaten in Dresden gesehen. Deshalb kann man ja eigentlich schon fast davon ausgehen, daß ein solches Gesetz vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert wird. Allerdings gibt es da zwei Probleme: 

Zum einen nützt es ja nichts, wenn nur die Deutschen beim PNR nicht machen. Dann wäre man zwar bei innerdeutschen Flüge (daten-)sicher, aber bei innereuropäischen Flügen würden trotzdem Daten erhoben und dann auch verwertet werden.
Zum anderen ist da die Unsicherheit beim BVerfG, wie es die Datensammelei beim PNR bewertet. Auch bei der Vorratsdatenspeicherung (VDS) wurde das Gesetz gekippt und für nichtig erklärt, allerdings nicht die VDS als solches. Moechel nimmt explizit auf die VDS Bezug: 

Strukturell weisen alle PNR-Abkommen große Ähnlichkeit mit der völlig missglückten Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf. In beiden Fällen werden personenbezogene Daten von allen Teilnehmern pauschal erhoben und "auf Vorrat" gespeichert, ohne dass eine Straftat vorliegen würde. Das ist europaweit in praktisch allen Datenschutzgesetzen grundsätzlich verboten – sowohl die Vorratsdatenspeicherung wie die PNR-Abkommen stehen dazu in diametralem Gegensatz.

Dieser diametrale Gegensatz hindert Polizeibehörden und Unions- sowie SPD-Politiker jedoch vielfach nicht daran, beharrlich und penetrant auf die Wiedereinführung der VDS zu pochen. Im Moment steht da nur Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberg von der FDP davor, wobei es da aber zu befürchten steht, daß die FDP als solches die VDS gerne gegen ihr Lieblingsthema Steuersenkung eintauschen möchte. Also auch eine sehr wackelige Angelegenheit.

Der eigentliche Kritikpunkt kommt bei Moechel aber erst ganz am Schluß: 

Was die Ratsarbeitsgruppe mit dem nichtssagenden Titel "Arbeitsgruppe für allgemeine Angelegenheit und Evaluation" angeht, so hieß dieses 1997 gegründete Ratskomitee bis 2010 "Multidisziplinäre Arbeitsgruppe gegen organisiertes Verbrechen".

Wie alle anderen Arbeitsgruppen des Ministerrats tagt auch diese unter striktem Ausschluss der Öffentlichkeit. Ihre Agenda ist ebenso geheim wie ihre Zusammensetzung, eine dazugehörige Webpräsenz gibt es nicht.

Allein schon der Name der Arbeitsgruppe bis 2010 ist vielsagend. Die Umbenennung ist noch vielsagender. Beziehungsweise nichtssagender, was aber für sich genommen vielsagend ist. "Arbeitsgruppe für allgemeine Angelegenheiten und Evaluation" ist so schwammig, daß selbst mir kaum etwas dazu einfällt, außer daß es nach so einer außerordentlichen Verharmlosung und Vertuschung ausschaut, daß das weitaus schlimmer zum Himmel stinkt als bei Vechta auf einem Acker nach Ausbringung der Hühnergülle.

Diese Geheimniskrämerei in der EU muss ganz einfach aufhören. Jetzt. Sofort.

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