Manches ändert sich nie – Die FDP im Nichtwandel der Zeit

Manchmal lohnt es sich auch, sich nicht nur im Netz zu informieren, sondern ab und zu auch mal eine gedruckte Version eines Wochenmagazins zu kaufen. In diesem Fall hatte ich den Spiegel 48/2010 wegen der Wikileaks Botschafts-Depeschen gekauft. Auf Seite 44 berichtet der Artikel "Freudige Mitarbeit", den es auch online gibt, über Verstrickungen der FDP mit Alt-Nazis in den 50er und 60er Jahren.

Es geht im Artikel vornehmlich darum, daß die FDP-Spitze aus Nordrhein-Westfalen unter dem Vorsitzenden Friedrich Middelhauve Kontakte zum Naumann-Kreis unterhielt, der versuchte, die FDP zu unterwandern und Alt-Nazis beherbergte, die die Wiederergreifung der Macht planten. Der Naumann-Kreis wurde von den britischen Allierten am 15. Januar 1953 verhaftet.

Das ist sicherlich keine rühmliche Geschichte der FDP und insofern ist es nur folgerichtig, daß Ex-Innenminister Gerhart Baum eine Aufarbeitung fordert, aber interessant ist dabei auch folgender Passus im Artikel: 

Middlehauve konnte sich weitere drei Jahre als Landesvorsitzender halten, dann trat er zurück. Die Anhänger seines Kurses blieben fast alle bei den Freidemokraten, so dass Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) noch Jahre später von der "Nazi-FDP" in NRW sprach.

Doch warum trennten sich die Liberalen nicht von Achenbach und anderen einstigen NS-Parteigenossen?

Weil Achenbach über glänzende Kontakte in die Ruhr-Industrie verfügte und in großem Ausmaß Spenden akquirierte. Mehr als 70 Prozent der gesamten Parteieinnahmen kamen zeitweise aus Nordrhein-Westfalen. Wenn es nur Geld brachte, war offenbar jede Kooperation recht.

Offenbar war die FDP auch damals schon eine Klientel-Partei. Das ist also keine neuartige Erscheinung der FDP als Mövenpickpartei, sondern liegt anscheinend in einer langen, wenngleich auch wenig rühmlichen Tradition. Und es zeigt, wie bedenklich Parteispenden sind. Wer das Geld hat, bestimmt den Kurs der Partei und falls diese auch noch an der Regierung beteiligt ist, den Kurs der Politik an sich mit.

Doch es geht noch weiter: 

Middelhauve-Intimus Diewerge agierte bis in die siebziger Jahre als Geschäftsführer angeblich gemeinnütziger Vereine, über die er gemeinsam mit dem damaligen Schatzmeister des Landesverbands Lambsdorff Spenden an die FDP verschleierte. Als diese Konstruktion im Flick-Skandal aufflog, war Diewerge schon tot. Er starb 1977.

Auch die meisten anderen Parteigänger Middelhauves sind nicht mehr am Leben. 1991 verschied Achenbach.

Hermann Otto Solms übernahm es, den Parteifreund zu würdigen. Achenbach habe sich "über die nationalen Grenzen hinweg um den Liberalismus verdient gemacht", erklärte der heutige Vizepräsident des Bundestags, die FDP werde ihm "ein ehrendes Andenken bewahren".

Der Wikipedia-Artikel zum Naumann-Kreis hat ja einen entsprechenden eigenen Abschnitt über Achenbach, so daß zumindest die Vermutung naheliegt, daß sich Achenbach auch heute noch irgendwie auf die Politik der FDP auswirkt. Historisch belegt scheint die Rolle Achenbachs freilich nicht zu sein. Trotzdem verwundert es mich dann doch, daß Solms Achenbach als jemanden würdigt, der sich um den Liberalismus verdient gemacht hat. Eigentlich müsste ja das Gegenteil der Fall gewesen sein, wenn Achenbach wirklich der Kopf des Naumann-Kreises gewesen sein soll, wie Wikipedia nahelegt.

Aber der Artikel zeigt auch, daß es wohl zwei Strömungen in der FDP gegeben hat. Auf der einen Seite die echten Liberalen zu denen ich Baum, Hirsch, SLS (Freiburger Kreis), Theodor Heuss oder Dahrendorf. Auf der anderen Seite würde ich solche Politiker wie Westerwelle sehen, mit denen ich, liberal betrachtet, nichts anfangen kann.

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