Presseschau: Wikileaks, Assange und so

Und schon wieder haben sich zahlreiche offene Tabs bei mir im Browser angesammelt. Hauptsächlich natürlich zum vorherrschenden Thema diese Woche: Wikileaks und die Verhaftung von Julian Assange. Los geht’s! Nicht unbedingt in einer sinnvollen Reihenfolger, sondern in der Reihenfolge, wie mir die Tabs und Links ins Auge springen: 

Auf Telepolis schreibt Florian Rötzer über Assange, die angebliche Vergewaltigung und den Europäischen Haftbefehl

Allerdings dürfte es die die Staatsanwältin Marianne Ny, trotz der gesetzlichen Lage in Schweden, wo der Tatbestand der Vergewaltigung oder Nötigung sehr viel schneller eingeklagt werden kann, schwer haben, Assange nach einer Auslieferung festzuhalten. Ob er verurteilt werden würde, steht in den Sternen. Ob die USA direkt dahinter stehen, kann bezweifelt werden, recht ist es der US-Regierung sicherlich, da diese noch Mühe hat, ein Vergehen, beispielsweise nach dem Spionagegesetz, und damit eine Anklage zu konstruieren.

[…]

Bekannt sind allerdings die engen Beziehungen zwischen den USA und Schweden. Man darf auch daran erinnern (Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer), dass sich die schwedische Regierung schon im Dezember 2001 heimlich an der Verschleppung von zwei Menschen beteiligte. Die schwedische Polizei nahm diese nach einem entsprechenden Beschluss des Kabinetts ohne Haftbefehl fest und übergab sie am Flughafen in Stockholm amerikanischen Agenten, die diese mit einem der üblichen getarnten Flugzeuge nach Ägypten brachten, wo sie gefoltert worden seien.

Es ist wohl nach derzeitigem Stand auszuschließen, daß Assange von der CIA verschleppt und gefoltert werden wird. Aber eine Auslieferung an die USA halte ich persönlich für durchaus im Bereich des Möglichen, obwohl den USA bisher ja anscheinend die rechtliche Grundlage dafür zu fehlen scheint. Eine Auslieferung wäre insofern natürlich ein Knaller und würde Verschwörungstheoretikern natürlich neues Futter liefern. Manchmal mag ich ja auch die eine oder andere Verschwörungstheorie, muss ich zugeben. 🙂

Das Metronauten Blog hat sich nochmal mit dem Gegenangriff von Anonymous befasst: 

Wer also auf picklige Teenager schimpft, die sich mit ihren Mitteln am Protest für Informationsfreiheit beteiligen, der verschiebt den Rahmen der Handlungsmöglichkeiten und die Definition, was digitaler Protest sein darf. Gerade, dass Netzpolitik in diese Kerbe schlägt ist hier wenig förderlich. Es sollte in diesen Zeiten eher das Ziel sein, die Grenze des digitalen zivilen Ungehorsams zu Gunsten der netzpolitischen Bewegung zu verschieben. Gute Erfahrungen in dieser Richtung hat die Anti-Atom-Bewegung gerade gemacht. Hier wurde das “Schottern” zur in weiten Kreisen als legitimes Mittel angesehene Aktionsform verschoben. Das ist die richtige Stoßrichtung – und nicht eine “digitale Gewaltdebatte”, die nur zur Spaltung beiträgt.

Ob nun Schottern oder dDoS – man kann da sicherlich geteilter Meinung sein, aber ich finde, wenn man als Protest etwas strafrechtlich relevantes tut, liefert man der anderen Seite nur Argumente, um weitere Verschärfungen fordern zu können. Hingegen halte ich passiven und zivilen Ungehorsam durchaus als legitimes Mittel, um seinen Unmut zu äußern.

Bei Zeit-Online gab es ein Interview mit Thomas Hoeren zum Thema Wikileaks und z.B. Amazon:

ZEIT ONLINE: Herr Hoeren, dürfen amerikanische Internetdienstleister einem unliebsamen Kunden wie Wikileaks einfach kündigen?

Thomas Hoeren: Es ist höchst strittig, ob diese Kündigungen gerechtfertigt sind. Nach US-Recht ist dieses Vorgehen mindestens dubios. Wie im deutschen Recht müssen mehrere Rechtsgüter abgewogen werden. Im amerikanischen Recht müssten etwa bei einer Kündigung nicht nur die eigenen Nutzungsbedingungen, sondern auch der erste Zusatzartikel zur Verfassung, der Presse- und Meinungsfreiheit garantiert, gewürdigt werden. Meines Erachtens sind die Gründe hierfür nicht im Recht zu finden. Die Anbieter stehen unter einem enormen politischen Druck.

Hoeren nimmt da eigentlich schon das vorweg, was dann auch ein paar Tage offiziell wurde: die Unternehmen haben eigentlich nur auf politischen Druck hin reagiert. Daß sie dabei teilweise sogar selber illegal handelten, musste dann wohl auch PayPal einsehen und gab zumindest die Gelder der Wau Holland Stiftung wieder frei.

Interessanterweise spielt Hoeren dann auch nochmal auf das Thema Cloud an, das ja auch derzeit sehr stark von Microsoft im Radio beworben wird:

ZEIT ONLINE: Privatpersonen unterliegen solchen Beschränkungen nicht, spricht für sie etwas dagegen, amerikanische Dienstleister zu nutzen?

Hoeren: Amazon als Serverbetreiber würde ich meiden. Überhaupt bestimmen viele US-Cloud-Anbieter in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen beziehungsweise in den Nutzungsbedingungen, dass alle Daten ihnen gehören. Das ist die typische Haltung. Google ist eine solche Klausel für Deutschland von den Gerichten verboten worden – zu Recht.

Ich bin ja auch ein großer Fan von Selfhosting. Dieser Cloud-Hype ist für mich unverständlich. Eben genau aus dem Grund, daß ich dann ja meine Daten aus meinen Händen gebe und diese dann gewissermaßen vogelfrei werden: ich kann nicht mehr kontrollieren, was mit ihnen geschieht. Gruselig. Aber zurück zum Thema…

Don Alphonso schreibt in der FAZ-Community einen wirklich lesens- und empfehlenswerten Artikel über quasi 700 Jahre Wikileaks. Er geht dabei auf die lange Geschichte und Tradition vieler Querdenker ein. Angefangen bei William von Ockham und Jan Hus über Martin Luther, Giordano Bruno und Denis Diderot bis hin zu Heinrich Heine, Rudolf Augstein und eben Julian Assange. Er schließt mit:

Ich persönlich bin mir mit Blick auf die 7 Jahrhunderte Wikileaks sehr sicher, dass man Assange wie seinen Vorgängern einst auch ein Denkmal errichten wird. Man wird über seine Verfolger und ihre Verbrechen verächtlich reden, wie man heute verächtlich über Scheiterhaufen denkt, und sich über diese seine Zeit wundern, da die Bürger, die nun endlich frei und mündig gewesen wären, nicht genug getan haben, diejenigen zu schützen, die die Wahrheit sagten, und jene gewähren liessen, die sie bewusst belogen.

Einen durchaus interessanten Einblick gibt es auch auf www.newyorker.com über Julian Assange und Wikileaks zu lesen: 

The house on Grettisgata Street, in Reykjavik, is a century old, small and white, situated just a few streets from the North Atlantic. The shifting northerly winds can suddenly bring ice and snow to the city, even in springtime, and when they do a certain kind of silence sets in. This was the case on the morning of March 30th, when a tall Australian man named Julian Paul Assange, with gray eyes and a mop of silver-white hair, arrived to rent the place. Assange was dressed in a gray full-body snowsuit, and he had with him a small entourage. “We are journalists,” he told the owner of the house. Eyjafjallajökull had recently begun erupting, and he said, “We’re here to write about the volcano.” After the owner left, Assange quickly closed the drapes, and he made sure that they stayed closed, day and night. The house, as far as he was concerned, would now serve as a war room; people called it the Bunker. Half a dozen computers were set up in a starkly decorated, white-walled living space. Icelandic activists arrived, and they began to work, more or less at Assange’s direction, around the clock. Their focus was Project B—Assange’s code name for a thirty-eight-minute video taken from the cockpit of an Apache military helicopter in Iraq in 2007. The video depicted American soldiers killing at least eighteen people, including two Reuters journalists; it later became the subject of widespread controversy, but at this early stage it was still a closely guarded military secret.

Die ganze Geschichte ist zwar ziemlich lang, aber auch recht interessant. Man erfährt nebenbei so einiges über Assange und Wikileaks und um die Geschichte zum Video Collateral Murder. Lesenswert!

Aus der Schweiz gibt es gleich zwei interessante Artikel von der Zeitschrift "Der Bund". Laut Wikipedia ist dies eine liberale, deutschsprachige Zeitung in der Schweiz. Der erste Artikel handelt davon, daß eine Computerfirma Visa wegen der Sperrung des Zahlungsverkehrs an Wikileaks verklagen will: 

Die Blockade verursache grosse finanzielle Verlusten bei Wikileaks, was offenbar das einzige Ziel der Zahlungseinstellung sei, erklärte Fink. «Wir können nicht glauben, dass Wikileaks der Marke Visa auch nur einen Kratzer zufügen kann», fügte er hinzu. Die Nutzer des Kreditkarteninstituts wünschten ausdrücklich, Geld an Wikileaks zu spenden, doch Visa komme diesem Wunsch nicht nach. Fink forderte das Kreditkarteninstitut auf, sich aus der Politik herauszuhalten. «Visa sollte sich nicht in die Politik einmischen, sondern einfach das tun, was es zu tun hat: Geldtransfer.»

Dem kann man eigentlich kaum was hinzufügen, außer vielleicht "Recht hat DataCell!". Der zweite Artikel handelt davon, daß die Schweizer Piratenpartei, die ja auch Wikileaks mirrorn, aufgerufen hat, Julian Assange Asyl zu gewähren

Den Einmischungen seitens der USA und ihrem Botschafter in Bern müsse die Schweiz entschieden entgegentreten. «Der Bundesrat soll unmissverständlich Position für Meinungs- und Pressefreiheit beziehen», heisst es im offenen Brief. Und weiter: «Aus digitalpolitischen Gründen ist ein Asyl für Julian Assange zu prüfen.» Der am Dienstag verhaftete Wikileaks-Gründer hatte angedeutet, dass er in die Schweiz ziehen wolle. Kurz darauf warnte der US-Botschafter die Schweiz, Assange Asyl zu gewähren.

Das allerdings ist ja durchaus interessant, daß die USA die Schweiz warnen, Assange Asyl zu gewähren. Immerhin ist die Schweiz für ihre Neutralität berühmt-berüchtigt und ein eigenständiges Land. Insofern darf und kann die Schweiz jeder Person Asyl gewähren, der sie dieses Recht zugestehen will. Was die USA sich da also in die inneren Angelegenheiten der Schweizer einmischen, ist also völlig rätselhaft. Umgekehrt würde ich gerne mal die Entrüstung der USA sehen, wenn die Schweiz der USA bei ihren Asyl-Anträgen reinreden würde.

Zum Schluß noch der Verweis auf die Sendung 3sat Extra vom 10.12.2010. Dort wurde unter dem Titel "Jagd auf Wikileaks – Freies Netz oder Datenterror" diskutiert. Die Diskussion war so lala, was vor allem an Wolf v. Lojewski lag, der die Position des Amerika-Freundes inne hielt. Das interessantes war aber gleich am Anfang, als die Moderatorin Tina Mendelsohn von einer Freundin berichtet, die von einem reichen Amerikaner folgende E-Mail bekommen hatte (Screenshot):

Das ist nun natürlich ein gefundenes Fressen für alle Verschwörungsfans. Aber auch alle anderen sollten sich diese Aussage mal auf der Zunge zergehen lassen: da will ein amerikanischer Millardär Geld an Wikileaks überweisen und hat kurz darauf keinen Zugriff auf seine eigenen Konten mehr. Also nicht nur, daß die Überweisung nicht klappte, sondern der Zugang zu den eigenen Konten ist gesperrt. Wenn das stimmen sollte, dann wäre das natürlich ein Knaller.

Wie auch immer. Da das Video ja dank der glorreichen Depublizierungsstrategie der Öffentlich-Rechtlichen nicht allzu lange in der 3sat-eigenen Mediathek sein dürfte, hier nun die Youtube-Version davon: 

Als wirklich allerletzten Link zum Lesen dann noch dieser hier, wo jemand mal hinter den Vorwurf der Vergewaltigung zu blicken versuchte. Zu lesen auf rixstep.com unter dem Titel "Assange Case: Evidence Destroyed Over and Over Again":

One of the women who filed charges against Julian Assange is Anna Ardin. She stood in the elections to the community council for the social democrats and she is a public person who should be examined. So I’ll publish her name.

Anna Ardin is christian, feminist, social democrat, animal rights activist, and opponent of abortion on the left political scene. She’s previously been in charge of equality issues for the student union of Uppsala University – a job she won an award for. Today she works for the Brotherhood Movement and ‘burns for peace and justice… for a just, open society of solidarity’.

Auch hier gilt natürlich wieder: die Wahrheit muss letztendlich ein Gericht finden, aber was dort im Artikel berichtet wird, scheint die Sache mit der Anklage zumindest in ein etwas anderes Licht zu rücken.

So, alle Tabs gebloggt und geschlossen. Mal schauen, was die nächste Woche so bringt. 🙂

UPDATE:
Einen Link hab ich noch vergessen! Beim European/N24 kommentiert Sebastian Blumenthal "Im Zweifel für die Freiheit!"

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