Nach der Bundestagswahl…

Holger Gassenschmidt wies per Twitter auf einen Artikel bei Stern.de hin, der sich mit der niedrigen Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl beschäftigt. Dort geht es darum, ob der neue Tiefststand bei der Wahlbeteiligung eine Blamage für die Demokratie sei:

Dass bei dieser Bundestagswahl dennoch fast 30 Prozent der Wahlberechtigten keine Stimme abgaben und damit für die niedrigste Wahlbeteiligung seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 sorgten, könnte man nun resigniert auf die Dummheit der Wahlverweigerer schieben. Aber so einfach ist es nicht.

Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap hält nur eine Minderheit der Nichtwähler die Wahlen generell für überflüssig. Knapp zwei Drittel der Nichtwähler verweigern ihre Stimmabgabe, weil sie nichts mehr mit den bestehenden Parteien anfangen können und darüber hinaus an der Ehrlichkeit der Politiker zweifeln. Unsere Volksvertreter haben also ganz offensichtlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und das ist die eigentliche Blamage. Denn es zeigt, in welch desolatem Zustand das politische Wertesystem der Bundesrepublik inzwischen ist.

Im Vorfeld der Berichterstattung zur Wahl waren unter anderem auch Berichte in den Medien zu finden, in denen Professoren und andere durchaus gebildete Leute sagte, sie würden nicht mehr wählen gehen, weil sie nicht wüssten, welche Partei sie wählen sollten. Also ähnlich wie im obigen Zitat von Stern. Nur daß es eben nicht Hinz oder Kunz waren, sondern gewissermaßen mitunter die intellektuelle Elite des Landes. Und wenn selbst die sich nicht mehr von der Politik repräsentiert sehen, dann ist in der Tat die Blamage für die Politik nicht weit entfernt.

Was bedeutet es aber, wenn immer weniger Menschen die politischen Eliten ernst nehmen? Wenn Wahlen überflüssig erscheinen? Wenn das Nichtwählen als letztes Mittel des Protestes vor der inneren Immigration gesehen wird? Wenn die von Wahl zu Wahl wachsende Verweigerungshaltung von der Politik achselzuckend zur Kenntnis genommen und anschließend unter Weiteres abgelegt wird? Es bedeutet einen Demokratieverlust, der gefährliche Folgen haben wird. Denn – auch das ergab die Infratest-Studie – unpolitisch sind die Nichtwähler nicht. Die Frage ist nur, wie sie ihr Interesse kanalisieren, wenn nicht über die demokratische Teilhabe.

In der Tat sehe ich es auch als Problem für die Demokratie an, wenn die Wahlbeteiligung immer geringer wird. Das ganze politische Gebilde in der Bundesrepublik ist darauf ausgerichtet, daß die Politiker demokratisch legitimiert werden. Wenn nun ein großer Teil der Bevölkerung eben nicht mehr wählen geht, entfällt auch irgendwann die Legimation der Politik durch den Bürger. In Teilen der Bevölkerung fehlt diese Legimation bereits heute.
So ist die Wahlbeteiligung in den östlichen Bundesländern deutlich niedriger als im Westen, wo die Beteiligung fast homogen und flächendeckend über 71% lag.

Das Problem bedingt sich gegenseitig, meiner Meinung nach: wenn die Politiker Politik für die Lobbyisten und Konzerne machen, fühlen sich viele Wähler nicht vertreten. Dadurch sinkt das Feedback der Wähler für die Politiker. Wenn die Politiker weniger Feedback von den Wählern bekommen, können sie nicht auf die Wünsche der Politiker eingehen und andere Interessenvertreter bekommen automatisch mehr Gehör. Das wiederum führt zu “Politikverdrossenheit” bei den Wählern.

Die Aufgabe der Politiker für die nächsten 4 Jahre muss also heissen, den Wähler wieder verstärkt in die politische Willens- und Meinungsbildung einzubeziehen. Die Bürger müssen wieder für Politik begeistert werden und den Eindruck gewinnen, daß sie eben doch etwas verändern können. Und ebenso müssen die Medien dementsprechend handeln. So würde ich mir z.B. wünschen, daß in diversen Talkshows nicht immer nur irgendwelche Schauspieler oder andere Prominenten über ihre neuen Filme und Bücher reden dürfen, sondern daß dort auch wieder über politische Themen gesprochen wird. Unter “normalen” Bürgern und nicht wie bei Anne Will, Maischberger oder sonstigen Polittalkern unter Politikern.

Mal schauen, was die nächsten 4 Jahre bringen werden…

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