Das vergangene Wochenende war anstrengend: erst am Samstag zur diesjährigen “Freiheit statt Angst” Demo gegen Überwachung, bei der ich für das Bündnis wieder als Fotograf unterwegs war, und dann am Sonntag noch das 3. #wastun Forum gegen Überwachung. Wie gesagt: anstrengend war’s, schön war’s!
Die Demo ist mittlerweile ja quasi ein fester Bestandteil im immer fortwährenden Kampf gegen Überwachung und überbordenden Sicherheitswahn. Leider konnten dieses Jahr nur ca. 6500 Teilnehmer mobilisiert werden. Das ist im Hinblick auf vergangene Jahre mit über 20.000 Teilnehmern natürlich nicht zufriedenstellend. Die Frage, die scheinbar niemand final beantworten kann, ist aber: wieso gehen nicht mehr Leute gegen den Abbau ihrer Grundrechte auf die Straße? Sind wir zu bequem geworden? Fühlen wir uns unserer Grundrechte zu sicher, als daß wir glauben, sie nicht mehr verteidigen zu müssen? Oder ist es einfach die schiere Ohnmacht im Angesicht unserer Regierung, die das Problem lieber auf typisch Merkelsche Art und Weise aussitzen möchte, weil sie von der Überwachung der Bürger durch in- und ausländische Geheimdienste ebenfalls profitiert?
Ich finde jedenfalls, daß es wichtig ist, immer und immer wieder für seine Grundrechte auf die Straße zu gehen und sie einzufordern. Natürlich würde ich mich freuen, wenn es nicht 6500 Protestierende gewesen wären, sondern 65.000 oder gar 650.000! Je mehr, desto besser! Aber es ist halt auch unser eigenes Probem als Datenschützer und Grundrechte-Verteidiger, daß wir es nicht schaffen, die großen Massen zu mobilisieren. Das Thema ist halt zugegebenermaßen auch etwas unhandlich. Man kann es nicht so schön plakativ verpacken wie das Waldsterben in den 80ern, indem man entlaubte Bäume und qualmende Schornsteinschlote oder Autoauspuffe zeigt.
Den Schwund von Grundrechten sieht man nicht so plastisch wie den Schwund von Blättern an einem Baum. Aber wenn die Grundrechte erst einmal weg sind, weil sie niemand verteidigt hat, dann wird man sie genauso vermissen wie die grünen Blätter an einem toten Baum. Es ist und bleibt halt schwierig…
Deshalb fand am Tag nach der Demo ja auch das #wastun Forum gegen Überwachung statt, u.a. um sich besser zu vernetzen zu können. Auch das ist ein schwieriges und leidiges Thema, das schwierig zu vermitteln ist. Ich will es trotzdem versuchen, auch wenn ich dazu etwas weiter ausholen muss…
Jedes Jahr versammelt sich ein Bündnis, um die “Freiheit statt Angst” Demo auf die Beine zu stellen. In den letzten Jahren, soweit ich es mitbekommen habe, ging die Initiative zu der Demo meistens vom AKtiVCongrEZ in Hattingen aus, zu dem viele Vertreter verschiedener Organisationen kommen und wo dann darüber abgestimmt wurde, ob man eine Demo machen möchte oder nicht. Diese Entscheidung wurde dann entsprechend an die (potentiellen) Bündnispartner weiter kommuniziert. Irgendwann geht es dann mit den Planungen los, frei nach dem Motto “So langsam müssen wir mal anfangen zu planen…” Dann stellt man fest, daß man es eigentlich nicht alleine mit ehrenamtlichen Helfern stemmen kann. Also wird versucht, irgendwie eine Finanzierung für eine Vollzeitstelle aufzutreiben. Irgendwie klappt das meistens auch und ein Bündnispartner übernimmt die Personalkosten (z.B Campact), ein anderer stellt dann vielleicht noch Büroräume zu Verfügung (z.B. Humanistische Union) – oder ein Bündnispartner übernimmt mehr oder weniger komplett (z.B. digitalcourage). Kurzum: auch wenn das Bündnis als solches schon häufiger eine Demo organisiert hat, irgendwie muss jedes Jahr aufs Neue wieder damit angefangen werden. Und jedes Jahr ist die Zeit äußerst knapp. Das führt dann zum Beispiel auch dazu, daß wir zwar dieses Jahr eine größere Bühne als letztes Jahr hatten, aber keine Bühnen-Acts mit großem Namen. In den letzten Jahren traten zum Beispiel Nina Hagen oder Dota, die Kleingeldprinzessin auf. Dieses Jahr war die Planung halt so knapp, daß es offenbar echt schwierig war, überhaupt jemanden zu finden. Das konnte wieder einmal nur durch das Engagement einzelner Bündnispartner gelöst werden.
Die Adhoc-Organisation der Demo ist aber nur ein Teil des Problems. Ein weiterer Teil wird auch durch die reine Existenz des #wastun-Forums offenbar. Denn #wastun hat sich eben deshalb gegründet, weil einige Leute endlich was gegen die Überwachung tun und ein Aktionsbündnis etablieren wollten. Doch irgendwie ist das ja auch schon der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der sich ja auch als Bündnis gegen Überwachung, was ja die Speicherung auf Vorrat häufig beinhaltet, versteht. Aber es gibt ja nicht nur #wastun, sondern auch noch #stopwatchingus und viele, viele andere Bündnisse, die sich alle gegen die Überwachung richten. Das ist zum einen toll, weil in all diesen Bündnissen und Organisationen viele tolle Menschen unendlich viel Zeit aufbringen, um sich für den Schutz der Grundrechte und gegen Überwachung einzusetzen. Allerdings wird dabei auch unendlich viel Zeit und Kraft durch den Aufbau paralleler Strukturen vergeudet. Jede Organisation braucht in der Regel eine Webseite, eine oder mehrere Mailing Listen, Etherpads und so weiter. Das alles ist bereits zig-fach bei anderen Organisationen wie dem AK Vorrat vorhanden und kann auch genutzt werden, aber irgendwie werden halt lieber parallele Infrastrukturen aufgebaut – teils auch einfach aus Unwissenheit, daß man sich ja auch mit einer anderen Organisation zusammentun kann. Wieviel sinnvoller wäre also diese ganze, eigentlich unnötige, Arbeit da investiert, wo sie auch wirklich etwas bringt, nämlich in der thematischen Sacharbeit?
Kurzum: sowohl die Arbeit für die Demo als auch die Arbeit zwischen den Organisationen und Bündnissen ließe sich eigentlich besser organisieren. Allerdings, so empfinde ich das, müsste dies von einer übergeordneten Instanz mehr oder weniger hauptamtlich gemacht werden. Quasi eine Art Dachverband oder Dachverein oder irgendwas in einer Form, an dem sich die Organisationen selber beteiligen können. Nicht nur ein Bündnis auf Zeit wie für die Demo, sondern ein dauerhaftes Bündnis. Dazu bedarf es grundsätzlich erst einmal der Erkenntnis, daß es nicht so weitergehen kann wie bisher, wenn wir erfolgreicher werden wollen. In diesem Dachverband (um es mal als solchen zu bezeichnen) würden sich die Organisationen einbringen, mit Geld aber auch mit anderen Ressourcen wie Arbeitskraft, IT-Kapazitäten oder Büroräumen. Dort würde im Idealfall auch die Agenda sowie die Planung von Terminen besprochen werden. Andere Organisationen sollten von der zentralen Position dieses Dachverbandes profitieren können, entweder durch direkte Nutzung der Ressourcen, des Netzwerkes an sich oder auch von Finanzmitteln für Aktionen der Einzelorganisationen.
Aber all das kann natürlich nicht von einer Organisation geleistet werden, die von Ehrenamtlern getragen wird, sondern hier bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller Organisationen, um etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen, das dann allen zu Gute kommt – und insbesondere, um dann erfolgreiche agieren zu können, um das Ziel aller durchsetzen zu können: weniger oder besser: keine Überwachung und die Wahrung der Grundrechte! Nur gemeinsam sind wir stark.
Bleibt zu hoffen, daß auch möglichst viele Organisationen ein Einsehen haben, daß wir es nur gemeinsam schaffen können und daß hierfür entsprechende Strukturen notwendig sind. Den Anfang hat nun das 3. #wastun Forum gegen Überwachung gemacht (Pressemitteilung siehe Anhang)…
Das bringt’s ganz bestimmt
Statt mit viel Trara das hundertste Aktionsbündnis aus dem Boden zu stampfen, wäre es aus meiner Sicht sinnvoller, die vorhandenen Bündnisse endlich einmal zu nutzen. http://publikumsbeschimpfung.blogspot.de/2014/09/hey-super-wir-haben-ein-aktionsbundnis.html
Genau das soll ja Sinn und
Genau das soll ja Sinn und Zweck sein: die bisherige Arbeit der einzelnen Buendnisse und Organisationen besser zu buendeln und zu koordinieren. Die Diskussion auf dem Forum ging schon in die richtige Richtung, aber ich kann verstehen, dass wir derzeit noch Schwierigkeiten haben zu vermitteln, was genau das neue Buendnis sein soll. Das liegt unter anderem darin begruendet, dass wir explizit die Organisationsform bisher aus der Diskussion ausgeklammert haben.