1 Jahr danach: Schwarzer Donnerstag bei Stuttgart21

Vor einem Jahr, am 30. September 2010, demonstrierten die Menschen im Stuttgarter Schloßgarten neben dem Hauptbahnhof mal wieder friedlich gegen das Bauvorhaben. Auch eine angemeldete Schülerdemonstration fand dort statt. Doch der Staat in Form seiner ausübenden Gewalt der Polizei reagierte in einer Art und Weise, wie man es im ansonsten friedlichen und beschaulichen Südwesten der Republik nicht für möglich gehalten hat: er schickte Hundertschaften mit Wasserwerfern und Schlagstöcken, Quarzhandschuhen und jeder Menge Pfefferspray los, um die friedlichen Demonstranten zu verprügeln: Frauen, Rentner, Kinder. Der Tag wird häufig als "Schwarzer Donnerstag" bezeichnet.

Heute jährt sich dieser denkwürdige Tag zum ersten Mal und es ist Zeit zurückzublicken: Der damalige Ministerpräsident Mappus wurde inzwischen abgewählt und durch eine grün-rote Regierung ersetzt. Der ersten Regierung, in der die Grünen die Mehrheit im Lande stellen. Aber entgegen der Wahlversprechen der Grünen ist das Bauvorhaben noch immer nicht endgültig gestoppt. Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht wieder davon gesprochen wird, daß die Kosten aus dem Ruder laufen. Und Ministerpräsident Kretschmann bekommt langsam ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er das Vorhaben nicht stoppen kann. Diese Woche wurde immerhin der Weg für die Volksabstimmung frei gemacht worden. Allerdings ist fraglich, ob das notwendige Quorum von ca. 1/3 der Bevölkerung erreicht werden kann.

Was aber hat Stuttgart21 und insbesondere der Schwarze Donnerstag noch gebracht?

Zweifelslos hat der Tag die Menschen bewegt, viele sogar vielleicht politisiert. Kein größeres Bauvorhaben mehr, bei dem die Bürger nicht mehr Mitspracherechte und mehr Transparenz einfordern. Das merkt man auch schon hier im beschaulichen Warnemünde, wenn es um das Strukturkonzept Warnemünde geht. Die Politik und die Wirtschaft wettert zwar immer dagegen, weil dann die Bauvorhaben nicht mehr umsetzbar seien, aber das ist natürlich unsinnig. Es geht darum, daß Kompromisse gefunden werden müssen und man nicht einfach gegen den Willen der Bevölkerung anbauen darf.

Der Bürger fordert inzwischen vielfach eine aktive Beteiligung an der Politik auch zwischen zwei Urnengängen. Die neuen Möglichkeiten, die das Internet hierfür bietet, sind die Grundlage hierfür. Partizipation, Transparenz und e-Government sind nur ein paar Stichworte aus dem Dunstkreis dessen, was sich im Zuge von Stuttgart21 und dem Schwarzen Donnerstag entwickelt hat. Viele Forderungen gab es natürlich auch schon früher, weit vor Stuttgart21, aber das Bauvorhaben im Schwabenländle hat der breiten Masse gezeigt, daß es bitter notwendig ist, wenn sich der Bürger wieder mehr in die Politik einmischt.

So ist dieser Tag zwar auch ein trauriger Tag, an dem man auch der Opfer der Polizeigewalt in Stuttgart gedenken sollte, aber er ist auch ein denkwürdiger Tag für die Demokratiebewegung in unserem Land, an dem den Menschen deutlich wurde, was passieren kann, wenn man den Staat so weiter machen läßt wie bisher: der Staat verliert dann jegliche Verhältnismäßigkeit und agiert eher so wie man es in Diktaturen erwarten würde als von einem demokratischen Staat.

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