Offener Brief an den Verwaltungsrat des ZDF

Per Twitter wurde ich vorhin auf ELENA aufmerksam gemacht. ELENA? Was ist ELENA?
Mir war der Begriff vorher auch unbekannt, aber der Telepolis-Artikel von Matthias Becker erklärt dankenswerterweise bereits in der Einleitung:

Ab Anfang nächsten Jahres werden die deutschen Unternehmen jeden Monat Informationen über ihre Beschäftigten in eine zentrale Datenbank übertragen. Bei dem Verfahren mit der Bezeichnung Elektronischer Engeltnachweis (Elena) werden unter anderem Name, Anschrift, Geburtsdatum, Höhe des Gehalts und der Zeitraum des Beschäftigungsverhältnisses übermittelt.

Nach der zentralen Steueridentifikationsnummer und der Möglichkeit für Behörden, die Konten der Bürger abzufragen, kommt nun auch noch ELENA hinzu, auf das der Bürger völlig gläsern wird!
Vordergründig wird die Einführung dieses Zentralregisters übrigens mal wieder mit der Erleichterung für den Bürger und einem Bürokratieabbau verkauft. Perfide wird es dann übrigens, wenn man aus dem Reigen der 35 bis 40 Mio. Beschäftigten ausschert und arbeitslos wird. Denn dann ist eine entsprechende elektronische Karte Pflichtvoraussetzung, ob Arbeitslosengeld zu bekommen. Die Karte kommt dem Arbeitslosen übrigens mit 10.- EUR teuer zu stehen.

Natürlich ruft das Vorhaben auch wieder die Datenschützer auf den Plan, die aber – wie üblich – leider nur mahnen, aber nicht einschreiten oder ein Veto aussprechen können:

Dass die Sachbearbeiter in den Sozial- und Arbeitsämtern von den näheren Umständen erfahren, wie ihr Gegenüber um seinen Job kam, ist eigentlich nichts Neues. Diese Informationen wurden allerdings nicht in eine bundesweite Datenbank eingespeist, wo sie bis zu vier Jahre lang abrufbar bleiben. Mit “Elena” entsteht ein veritables digitales Abbild der Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland. Die enthaltenen personenbezogenen Daten ließen sich ohne großen Aufwand zur Erstellung von Personenprofilen nutzen. Für Datenschützer besonders problematisch: Auch wer gar keine Anträge auf Elterngeld oder Arbeitslosenhilfe stellt, wird erfasst.

Der Türöffner zu dieser elektronischen Signaturkarte ist also das Arbeitsamt: ohne Karte kein Geld. Der Artikel führt das im folgenden auch entsprechend klar aus, daß die “Job-Karte” ein Vehikel zur breiten Einführung der digitalen, elektronischen Signatur ist. Ebenso nimmt er auch Bezug auf die Steueridentifikationsnummer:

Eine ämterübergreifende und lebenslang gültige Ordnungsziffer wäre aber ein einheitliches und dauerhaften Personenkennzeichen – und das ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zulässig.

Es widerspricht der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen … Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren (…) und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist.
Bundesverfassungsgericht 1969

So die Verfassungsrichter in ihrem Urteil zum “Mikrozensus” im Jahr 1969. Im sogenannten “Volkszählungsurteil” 1983 formulierte das Bundesverfassungsgericht das “Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung”. Ihre Argumentation: Es widerspräche sowohl dem individuellen Recht auf Selbstbestimmung, als auch dem Wesen einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung, wenn der Bürger nicht kontrollieren kann, wer was über ihn weiß. Die Informationen, die er beispielsweise in der Kommunikation mit einer Krankenkasse preisgibt, bekommen in einem anderen Zusammenhang – zum Beispiel in seiner Kommunikation mit dem Sozialamt – eine andere Bedeutung und ganz neue Brisanz.

Gegen die Steueridentifikationsnummer läuft ja bereits aus obigen Gründen ein Musterverfahren vor dem Finanzgericht Köln (AZ: 2 K 2822/08). Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ELENA, Steuer-ID und andere Daten zusammengeführt werden und ein ausführliches und detailliertes Profil des nunmehr gläsernen Bürgers abliefern. Von dem Schutz des Bürgers durch das Grundgesetz und den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts von 1969 und 1983 läßt sich die Politik offenbar nicht mehr aufhalten, einen allwissenden Überwachungsstaat zu schaffen bzw. zu etablieren. Das Ganze ist übrigens umso problematischer als daß sich weder Firmen noch Behörden in Bezug auf Datenschutz bisher mit Ruhm bekleckert haben. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Datensätze nach draußen in die freie Wildbahn und in unliebsame Hände geraten.
Auf jeden Fall aber ist der Telepolis-Artikel lesenswert und sollte auch die Augen derjenigen öffnen, die das ja alles nicht so schlimm finden. Bleibt nur noch eine Frage: wer klagt dieses Mal vor dem BVerfG?

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