Juli Zeh über Freiheit und die Piratenpartei

Gestern bin ich per Zufall auf einen Artikel von Juli Zeh in der Onlineversion der Sueddeutschen Zeitung gestoßen, in der sie sich die Piratenpartei, wie sie von den anderen Parteien und den Medien wahrgenommen werden und worum es eigentlich geht. Nicht um "das Internet", aber lest selbst: 

Gerade ans Stichwort Internet knüpft sich das Missverständnis, welches der älteren Generation den Blick auf die wahre Stoßrichtung der Piratenpartei verstellt. Menschen, die sich schon vor zwanzig Jahren von ihren Kindern den Videorekorder programmieren ließen, reagieren heute gereizt, wenn viel Gewese um »dieses Internet« gemacht wird, in dem sie nicht mehr erkennen können als eine verbesserte Post- und Telefonanlage. Für etablierte Politiker galt es bis vor Kurzem noch als schick, öffentlich zu betonen, man drucke sich seine E-Mails aus. Seit dem Erfolg der Piraten in Berlin wird plötzlich eifrig darauf verwiesen, dass auch die eigene Partei nicht nur eine Homepage, sondern sogar echte »Netzpolitiker« besitze. Erst Ablehnung, dann Assimilation – beides Ausdruck einer allumfassenden Hilflosigkeit.

In Wahrheit eignet sich das Internet als solches überhaupt nicht zum Gegenstand von Politik. Es sind nicht die Piraten, die das nicht verstanden haben, sondern ihre Kritiker. Was genau soll »Netzpolitik« denn sein? Ein bisschen Streit um Urheberrechtsreform und Klarnamenpflicht? Das wäre in etwa so, als würden sich die Grünen ausschließlich für Mülltrennung und Dosenpfand interessieren. Birgit Rydlewski, Landesvorsitzende der Piraten in Nordrhein-Westfalen, formuliert es folgendermaßen: »Netzpolitik ist vor allem ein Schlagwort, von dem die alten Parteien neuerdings glauben, dass es Wähler bringt.«

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Beim Überwinden von Grenzen geht es um Freiheit. Hier haben wir den Punkt, der offensichtlich so schwer zu vermitteln ist: Die Piraten sind keine Internet-, sondern eine Freiheitspartei. Ihr grundlegendes Anliegen besteht in einer Rückkehr zu humanistischen Prinzipien. Das Internet kann in diesem Zusammenhang als angewandte Metapher für ein zeitgenössisches Verständnis von Freiheit begriffen werden. Freiheit durch Gleichberechtigung, Freiheit durch Meinungsäußerung, Freiheit durch allgemeinen Zugang zu Bildung und Wissen. Freiheit durch die Erosion von Hierarchien und Autoritäten. Freiheit durch Teilhabe und Pluralismus. Durch den Abschied vom linearen Denken zugunsten eines kontextuellen Verständnisses von Wirklichkeit. Das meint Christopher Lauer, wenn er sagt: »Wir machen keine Politik für das Internet, sondern für eine durch das Internet veränderte Gesellschaft.«

Muss man noch mehr dazu sagen? Eigentlich nicht. Aber irgendwie schon, weil es hier um Freiheit geht und nicht um das Internet oder Netzpolitik. Wie ich schon letztens geschrieben habe, finde ich den Begriff Netzpolitik bzw. Netzaktivist inzwischen nicht mehr zutreffend für das, worum es geht. Juli Zeh bläst in das gleiche Horn, wenn sie davon schreibt, daß die Piratenpartei keine Internet-, sondern eine Freiheitspartei ist. Nur tut sie das als Schriftstellerin natürlich deutlich eloquenter und treffender als ein Blogger, der das gleiche nebenbei schreibt.

Des Pudels Kern ist jedoch der gleiche: es geht nicht um das Internet oder Netzpolitik, sondern das Internet ist lediglich das Medium, in dem diese Grundrechte und Freiheiten bislang blühten und gedeihten. Und es reicht nicht, daß auch die etablierten Parteien Netzpolitiker haben, wenn sie nicht verstehen, daß es eben nicht darum geht, sich einen Twitter-Account zu holen und dann zu denken, man würde nun Netzpolitik machen.

Es fängt schon damit an, daß die Piratenpartei mit Liquid Democracy die Demokratie grundlegend ändern wollen. Die bisherige repräsentative Demokratie ist aus der Not heraus entstanden, daß es die einzige Form war, mit der Demokratie im Zeitalter vor dem Internet überhaupt funktionieren konnte. Inzwischen haben wir aber das Medium Internet und die Menschen können sehr viel besser und direkter an der politischen Willensbildung partizipieren und eben auch mitgestalten.

Ich könnte ja noch mehr erzählen, aber lest einfach den Artikel von Juli Zeh!

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