Piraten in Berlin rein, NPD im MV raus

Jetzt ist es vorbei: das Superwahljahr 2011! Die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin bildete den mehr oder weniger krönenden Abschluß. Schon im Vorfeld stand aber das Ergebnis schon fast fest: die SPD mit Klaus Wowereit wird die stärkste Partei, die Grünen legen stark zu und die Piratenpartei kommt dort erstmalig in ein Parlament. Und so ist es auch gekommen.

Laut Spiegel Online liegt die SPD bei 28,5% (-2,2%), die CDU bei 23,2% (+1,9%), die Grünen bei 17,4% (+4,3%) und DieLinke bei 11,6% (-1,8%). Die FDP wurde auf 1,9% (-5,7%) pulverisiert und die Piratenpartei zieht mit 9% (+9%) erstmalig in den Berliner Senat ein. Herzlichen Glückwunsch an die Piraten!

Die möglichen Koalitionen beschränken sich damit im Wesentlichen auf eine große rot-schwarze Koalition mit einer großen Mehrheit oder eine rot-grüne Koalition mit sehr knapper Mehrheit und 76 Sitzen. Die Mehrheitsgrenze liegt bei 75 Sitzen. Das könnte für eine stabile Koalition etwas knapp sein. Insofern befürchte ich, daß eine große Koalition wohl die wahrscheinlichere Variante sein könnte. Es sei denn, die Piraten würden signalisieren, daß sie eine rot-grüne Regierung im Wesentlichen unterstützen würden. Das würde zwar die Mehrheit im Senat im Wesentlichen sichern, aber ich glaube nicht, daß sich Wowereit auf dieses Szenario einlassen würde.

Die Piraten hingegen müssen nun Verantwortung übernehmen und zeigen, wie ernst sie es mit der Politik meinen. Sie haben die Chance, ähnlich wie PETO in Monheim, durch Sachkenntnis zu punkten und durch Sacharbeit zu überzeugen. Dabei muss den Piraten aber klar sein, daß Politik aus Kompromissen besteht. Es ist zwar ehrenhaft, wenn man seine Grundsätze beharrlich verfolgt, aber wenn man sich dadurch ins politische Abseits befördert, hat man auch nichts gewonnen. Das soll nicht heißen, daß man seine Werte billig verkaufen soll, aber man muss mit Augenmaß agieren und auch mal ein bißchen nachgeben, um seine Ziele im Wesentlichen durchzusetzen. Da die Piraten aber nun erstmal in der Opposition sind, wird es eher selten darauf ankommen, daß sie in diese Situation kommen werden. 

Für die FDP tut es mir im Grunde leid, aber so wie Generalsekretär Lindner in den Talkrunden bei den Wahlsendungen geredet hat, hat die Führung der FDP immer noch nicht verstanden, daß sie mit dieser neoliberalen Wirtschaftspolitik nicht mehr punkten können. Die ehemals Liberalen müssen sich also entscheiden, ob sie die Grundwerte ihrer Partei weiterhin ignorieren möchten und die Piraten diesen Part als Bürgerrechtspartei übernehmen sollen, oder ob sie da auch noch ein Wörtchen mitreden wollen. Ich würde mir ja lieber mehr als weniger Bürgerrechtsparteien in den Parlamenten wünschen, weshalb ich doch hoffe, daß die FDP bald die Kurve zurück zu ihrem Ursprung findet.

Die Krise der FDP wird wohl auch Auswirkungen auf die Bundespolitik haben. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, daß das Berliner Wahlergebnis keine Auswirkungen haben wird. So gibt es schon Gerüchte, die natürlich dementiert werden, daß Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Nachfolgerin von Aussenminister Westerwelle werden könnte. Für Leutheusser-Schnarrenberger soll dann der Haushaltsexperte Otto Fricke ins Justizministerium nachrücken. Das wäre netzpolitisch ein GAU, da Leutheusser-Schnarrenberger bisher sehr erfolgreich die Vorratsdatenspeicherung verhindert hat. Rückt nun Fricke nach, wird man die Eieruhr danach stellen können, wann die Vorratsdatenspeicherung gegen ein paar Steuererleichterungen eingetauscht werden wird.

Wenn die Koalition in Berlin zerbrechen sollte, hat die Bundespolitik ein Problem: nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Wahlrecht wegen des negativen Stimmgewichts bei Überhangmandaten zu ändern, hat der Bundestag es bisher versäumt, ein neues Wahlrecht zu verabschieden, daß den Vorgaben des Karlsruher Gerichts entspricht. Jörg Schönenborn erklärt das in seinem Wahlblog anschaulich.

Aber auch im Wahlkreis 33 auf Rügen fand heute noch eine (Nach-)Wahl statt, weil dort der Direktkandidat der CDU kurz vor der Wahl verstorben war. Die CDU nominierte daraufhin Thomas Gens, der sich bald als ehemaliger Kreisvorsitzender der rechtsextremistischen DVU entpuppte und aus der CDU ausgeschlossen wurde. Nachdem also am 4. September auch die NPD wieder mit 5 Sitzen (vorläufig) in den Landtag in Schwerin eingezogen ist, hat bei der Nachwahl auf Rügen nun die Chance bestanden, durch die Wahl der Grünen der NPD einen Sitz im Landtag abzuluchsen. Dazu hätten aber die demokratischen Parteien dazu aufrufen müssen, die Grünen zu wählen. Nach meinen bescheidenen Informationen soll  DieLinke dies auf Rügen getan haben, die SPD und die CDU nicht. Auf der Webseite der Landeswahlleiterin MV steht, daß die Grünen immerhin 24, 7% Zweitstimmen dort bekommen haben sollen (35 von 39 Wahlbezirken ausgezählt). Laut @RostockerJournal reicht das aber leider nicht, um der NPD einen Sitz im Landtag abzujagen.

Schade, daß die demokratischen Parteien es versäumt haben, ein uneigennütziges und breites Bündnis gegen Rechts zu schmieden und am gleichen Strang zu ziehen. Chance leider vertan.

UPDATE: 
Johannes Saalfeld (B90/Grüne, MdL) berichtet grad auf Twitter: 

Auf gewinnen 7. LT-Mandat,SPD verliert leider Mandat an NPD wg. unterdurchschnittl. Mobilisierung (bei Erst-&Zweitstimmen)

In der Tat ist die Wahlbeteiligung mit 35,1% unterirdisch.

UPDATE 2:
Johannes twittert weiter: 

Der SPD fehlen letztlich ca. 800 Zweitstimmen auf , um der NPD das Mandat abzunehmen. Mist!

800 fehlende Zweistimmen der SPD auf konnten nicht von den Grünen kommen, SPD hat zu wenig mobilisieren können (siehe Erststimmen)

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