Vertrauensverlust durch sächsische Polizeirazzia in Thüringen

Lothar König ist Stadtjugendpfarrer im thüringischen Jena. Leider hat dieser Anfang August spektakulären Besuch von der sächsischen Polizei in Form einer Hausdurchsuchung seiner Jenaer Dienstwohnung gehabt. Dabei wurde auch das Kinderzimmer durchsucht, so daß sich dessen Tochter Katharina König, pikanterweise MdL der Linken in Thüringen mit deutlicher Kritik am Vorgehen der Polizei aus dem Nachbarland äußerte.

Die Junge Gemeinde Stadtmitte in Jena ist sehr aktiv in der Berichterstattung über den Vorfall mit ihrem Stadtjugendpfarrer und hat nun einen offenen Brief ihres Bürgermeisters an den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich geschrieben, der die eine oder andere interessante Passage enthält: 

Dann erfahren wir, dass in diesem Zusammenhang über eine Million Handydaten gespeichert wurden. Ich frage mich seitdem bei jedem Gespräch, das ich mit Handy führe, was ich sagen möchte und was nicht. Diese Schere im Kopf hatte ich zum letzten Mal in der Zeit der DDR-Diktatur… Ich habe mich u.a. deshalb sehr aktiv für die friedliche Revolution engagiert, damit ich so etwas in Deutschland nie wieder erleben muss! Die Aktion der sächsischen Staatsanwaltschaft hat unser Vertrauen in unsere Demokratie ernsthaft erschüttert.

Damit dürfte der Oberbürgermeister Schröter wohl nicht allein sein. Gerade diese Schere im Kopf war es ja auch, was das BVerfG bewogen hat, der Vorratsdatenspeicherung einen Riegel vorzuschieben. Und allmählich, denke ich, ist der Vergleich mit dem DDR-Regime und der Stasi durchaus angebracht, zumindest was die sächsische Polizei anbelangt, die offensichtlich schaltet und waltet wie sie will. So zumindest der Eindruck, den man nach all den Skandalen um die Dresdener Anti-Nazi-Demo vom Februar diesen Jahres bekommen kann. Aber es geht noch weiter: 

Was jedoch noch schwerer wiegt, ist der erhebliche Vertrauensverlust vieler zivilcouragierter Bürgerinnen und Bürger in den Umgang der sächsischen Staatsanwaltschaft und (damit des Freistaates!) mit Menschen, die sich dem Rechtsextremismus mutig und friedlich in den Weg stellen. Viele fragen sich: Ist es politische Absicht, oder nehmen die sächsischen Behörden billigend in Kauf, dass durch Datenspeicherung und Hausdurchsuchungen ein möglicher Effekt der Einschüchterung entsteht. Sie fragen: Will man damit den Widerstand gegen die Neonazis am 19.2.2012 bereits im Vorfeld erschweren? Diesen Frage bewegen viele Bürgerinnen und Bürger meiner Stadt, besonders diejenigen, die sich in Dresden engagiert haben und weiter engagieren wollen. Ich bin beauftragt, Sie um eine Antwort zu bitten.

Der Vertrauensverlust in den Rechtsstaat wiegt enorm schwer. Man muss dabei bedenken, daß über Jahrzehnte hinweg immer dazu aufgerufen wurde, den Nazis nicht das Feld zu überlassen und friedlich dagegen zu protestieren. Und nun stellt sich heraus: wenn man genau das mit einem breiten Bündnis von Parteien und Organisationen tut, dann wird man von der Polizei wie ein Verbrecher überwacht und ausgeforscht.

Ich gehe zwar nicht davon aus, daß die Polizei in Dresden bewußt den Widerstand im Vorfeld erschweren wollte, denn dann wäre diese Überwachung im Vorfeld angekündigt worden, aber ingesamt gesehen ergibt sich schon das Bild, daß die Polizei in Dresden die rechtlichen Grenzen sehr weit auslegt und dadurch das Vertrauen der Bürger massiv und nachhaltig gefährdet.

Und es gibt einen Ausblick auf das, was uns allen noch bevorstehen könnte, wenn solche Sachen wie Vorratsdatenspeicherung und andere Überwachungsgesetze weiter vorangetrieben werden. Nicht durch Sicherheit bekommt man mehr Freiheit, sondern durch mehr Freiheit mehr Sicherheit.

Ich bin auf Tillichs Antwort gespannt.

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