Wenn es nach unseren Sicherheitspolitikern und Innenministern geht, dann werden wir irgendwann in einer total sicheren Welt leben. Zumindest müsste das eigentlich die Folge all der Forderungen sein, die z.B. unser (neuer) Innenminister immer und immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Dabei wird auch gerne mal alles in einem Topf geworfen, was nichts miteinander zu tun hat, wie zum Beispiel bei Netzpolitik nun beschrieben. Hauptsache, es werden Daten erhoben und verarbeitet.
Richard Gutjahr nähert sich der Thematik nun von der anderen Seite und schreibt in seinem Blog über "Die Anti-Terror-Lüge". Allein schon seine Auflistung von entsprechenden Gesetzen in den vergangenen Jahren ist beeindruckend und erhellend. Alles im Namen des Kampfes gegen den Terror. In Wirklichkeit dürfte es sich aber eher um den Kampf gegen die Bürger- und Grundrechte handeln, der seit Jahren geführt wird. Folglich stellt er – berechtigterweise – die Frage: "Geschieht das alles noch im Sinne der Väter unseres Grundgesetzes?" Wer meine bisherigen Artikel zu diesem Thema gelesen hat, wird wenig überrascht über meine Antwort auf diese Frage sein: "Nein!"
Interessant ist auch die Tabelle, die Gutjahr über die Anlässe zur Telekomunikationsüberwachung in seinem Artikel aufführt. Dort kann man sehr schön erkennen, daß die Überwachungsmaßnahmen eigentlich zu allem anderen eingesetzt werden, bloß halt nicht zur Bekämpfung von Terrorismus. Besonders schlimm ist dann auch die Tatsache, daß solche Überwachungsmaßnahmen vielfach ohne große Nachfrage von Richtern erlaubt werden:
Der Fachanwalt für IT-Recht Thomas Stadler (internet-law.de) sieht eines der größten Probleme in der mangelnden richterlichen und auch parlamentarischen Kontrolle. In Deutschland gibt es 6 Millionen Strafverfahren pro Jahr, bundesweit fehlen rund 4000 Richter und Staatsanwälte. Rechtsprofessoren der Universität Bielefeld haben in einer Studie aus dem Jahr 2003 nachgewiesen, dass 3/4 aller Lauschangriffe rechtswidrig zustande kommen. Eine Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen findet de facto nicht statt. Auch eine umfangreiche Untersuchung des Max-Planck-Instituts (PDF-Datei) kommt zu dem Schluss:
„Man wird den Vorwurf erheben müssen, dass es derzeit an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Kontrolle mangelt.“
„Der Gesetzgeber schafft praktisch rechtsfreie Räume“, sagt Thomas Stadler. Selbst das Bundesverfassungsgericht stemme sich nur noch bedingt gegen diese Entwicklung, so der Rechtsanwalt: „Als ich mit dem Jurastudium begonnen habe, war es praktische einhellige Ansicht, dass es anlassunabhängige Eingriffe überhaupt nicht geben darf, sondern immer eine konkrete Gefahr oder ein konkreter Verdacht erforderlich ist. Davon ist mittlerweile keine Rede mehr.“
Dabei reichen die heutigen Befugnisse meistens schon aus, wie im Text weiter ausgeführt wird. Aber wohin diese Wünsche von den Sicherheitsbehörden hinführen können, verrät Thomas Stadler ebenfalls in Gutjahrs Artikel:
„Insgesamt haben die Ermittlungsbehörden heute wesentlich mehr Möglichkeiten als vor 20 Jahren“, bilanziert Thomas Stadler. Dass trotzdem immer neue Forderungen aufgestellt werden, hängt Stadlers Ansicht nach damit zusammen, dass die Ermittler gerne alles, was technisch möglich ist, auch machen wollen und wenig Verständnis dafür aufbringen, wenn der Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür nicht schafft. „Dass man aber nicht alles macht, was technisch geht, ist genau der Punkt an dem sich der demokratische Rechtsstaat von einem totalitären Regime unterscheidet.“
Nun unterscheidet sich die Bundesrepublik Deutschland noch immer von totalitären Regimen, aber der Unterschied wird halt immer geringer. Mit jedem neuen Gesetz, das im Namen des Anti-Terror-Kampfes (allein dieser Begriff ist schon ekelhaft) neu gefaßt oder verlängert wird.
Insgesamt ein sehr lesenswerter Artikel von Richard Gutjahr und auch die Interviews, die er mit Peter Schaar geführt hat, sind sehenswert.