Gutachten: Passagierdaten der EU nicht verfassungskonform

Heute kam per Twitter von Jan Phllipp Albrecht der Hinweis auf einen Artikel bei der Financial Times Deutschland, der über ein Gutachten berichtet, daß das Vorhaben, ein Fluggastdaten-Abkommen nach US-Vorbild (Passenger Name Records, PNR) auch in der EU zu realisieren, nicht mit der Verfassung vereinbar sei:

Die Pläne der EU zur Sammlung und Speicherung von Fluggastdaten sind offenbar verfassungswidrig. Das geht aus einem geheimen Gutachten des juristischen Dienstes des Rates der Mitgliedsstaaten hervor. Man sei "der Auffassung, dass die Richtlinie in der vorgeschlagenen Form das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten dermaßen einschränkt, dass sie (…) vor Gericht angefochten werden könnte", heißt es in dem Dokument vom 12. April, das der FTD vorliegt.

Weiterhin heißt es, daß vor allem das deutsche Bundesverfassungsgericht das Vorhaben kassieren könnte, weil es sich bereits in der Vergangenheit, etwa bei der Vorratsdatenspeicherung (VDS), entsprechend verhalten hätte. Soweit so gut. Nur leider bedeutet das Gutachten nicht automatisch, daß die Kommission nun das Vorhaben fallen lässt. Und so steht wohl nur das EU Parlament (und vielleicht einige wenige Bürgerrechtler) zwischen dem EU-Fluggastdaten-Abkommen und unseren Grundrechten.

Konsequenterweise aber müsste folglich auch das PNR-Abkommen mit den USA verfassungswidrig sein, wie eine kleine Diskussion via Twitter mit Jan Phlipp Albrecht zeigte: 

– wenn das EU-eigne PNR verfassungswidrig ist, müsste doch das US-PNR ebenfalls verfassungswidrig sein, oder?

Richtig! Die PNR-Abkommen sind verfassungswidrig. Aber wo kein (befugter und williger) Kläger, da kein Richter.

– dann frag ich mich allerdings wieso die EU über PNR verhandelt statt es zu kündigen. Flugverbote kann sich USA nicht leisten
– aber wahrscheinlich ist das halt Politik… 😉

Du hast es wieder erkannt: Die Mehrheit (vor allem große Koalition im EP sowie Regierungen) tun einfach nichts. Es gibt keinen Druck.

Daß niemand geklagt hat, erscheint mir ein wenig seltsam. Vielleicht deshalb, weil eine Klage ein durchaus unkalkulierbares finanzielles Risiko, aber auf jeden Fall ziemlich viel Aufwand darstellt? Eigentlich ist es schon ein Unding, daß man bei solchen offensichtlichen Fehlleistungen überhaupt klagen müsste und nicht schon die Politiker selber erkennen, welchen Unsinn sie da fabrizieren, die Verfassungswidrigkeit selber erkennen und das Vorhaben selber stoppen. Stattdessen scheinen sich die Sicherheitspolitiker nicht mehr um solche Banalitäten wie Grund- oder Bürgerrechte zu kümmern, wie Jan Albrecht in seinem Blog schreibt: 

Die großspurigen und nicht im Detail nachgewiesenen Ankündigungen des Bundesinnenministers Friedrich über die Rolle der Fluggastdaten im Fall der so genannten Düsseldorfer Zelle zeigen, wie wenig die verfassungsrechtlichen Vorgaben noch beachtet werden. […]
Die derzeit stattfindende Auswertung der Fluggastdaten aller Menschen durch die Behörden der Vereinigten Staaten setzt allerdings auf die mehrfach von europäischen Gerichten und dem Bundesverfassungsgericht untersagte Analyse ins Blaue hinein, bei der verdächtige Personen erst gefunden werden sollen. Es ist ein Offenbarungseid des Bundesinnenministers, dass dieser nun die erste Gelegenheit zum Anlass nimmt, die verfassungswidrige Totalüberwachung auch in Europa zu stützen.

Was lernen wir also daraus? Der EU-Kommission sind die Rechte der Bürger weitestgehend egal und sie reagieren nur auf Druck von uns Bürgern. Und es ist ratsam, dem EU-Parlamentarier euerer Wahl eure Meinung hierüber (freundlich, aber bestimmt) mitzuteilen. Und natürlich solchen Leuten wie Jan Philipp Albrecht den Rücken zu stärken. Auf jeden Fall sollte man so oder so aktiv werden. Wenn wir, wie bisher, weiterhin gegenüber der Politik in Brüssel ignorant bleiben, werden wir auch weiterhin mit den Folgen leben müssen, die uns Lobbyisten und Sicherheitsfanatiker einbrocken – und letztendlich mit einer Einschränkung von Bürger- und Grundrechten leben müssen.

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