Micropayment Flattr

Vor ein paar Tagen hat der ehemalige Abgeordnete Jörg Tauss in seinem Blog eine durchweg lesenswerte Replik auf das Buch “Wir Abnicker” von Marco Bülow geschrieben.
Ich werde nun sicherlich nicht auf den gesamten Artikel von Jörg Tauss Bezug nehmen, sondern nur auf ein paar ausgewählte Punkte, die ich seit längerer Zeit auch so sehe. So zum Beispiel das Gefühl, daß es egal ist, welche Partei eigentlich die Wahlen gewinnt. Die eigentliche Politik wird nicht von den Politikern gemacht, sondern von Beamten. Tauss beschreibt dies so:

Eine wichtige Rolle in den Fraktionen spielen die Fraktionsreferenten. Viele von ihnen sind von der Fraktion angestellt, kosten deren Geld und werden im Laufe der Jahre quasi unkündbar. Deshalb gibt es eine schicke Form, dieses Risiko zu minimieren: Man leiht sich die Referenten einfach bei den Ministerien aus. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Dies sind oft nicht die schlechtesten Fachleute.

Aber sie wissen genau, dass sie spätestens in wenigen Jahren und in der Regel befördert “in ihr Haus” zurückkehren werden. Also werden sie immer eher versuchen, nicht negativ aufzufallen und die Position “des Hauses” in die Fraktion zu tragen. Umgekehrt macht man sich leider unbeliebt.

Und so “herrschen” die Beamten aus Ministerien in vielen Facharbeitsgruppen der Fraktionen durch ihren Informationsvorsprung, dauernde Präsenz und Kontakte auch in der Zeit, in der sich die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen in Nichtsitzungswochen bei Gesangsvereinen und Strassenfesten sehen lassen (müssen).

So kommt es, daß zwar die Regierungsverantwortung von Partei zu Partei alle paar Jahre wechselt, aber sich an der eigentlichen Politik nichts ändert. Die Parteien oder Fraktionen lassen sich von Experten aus den Ministerien beraten. Ein solcher Berater wird natürlich nicht in seiner Meinung oder Haltung umschwenken, nur weil nun jemand anderes an der Regierung ist. Vielmehr wird er basierend auf seiner bisherigen Arbeit und Erfahrung entsprechende Empfehlungen aussprechen. Die Politiker werden in der Regel natürlich auf den Rat des Experten hören, wenn sie selber keine Ahnung von der Thematik haben.

Hinzu kommt die üble Rolle, die von den parlamentarischen Staatssekretären in den (Regierungs-) Fraktionen ausgeübt wird. Diese oft allein durch gewisse Quoten ins Amt und zum Dienstwagen gekommene Menschen identifizieren sich in der Regel (Ausnahmen bestätigen die Regel!) völlig mit ihrem Ministerium und vergessen, dass sie eigentlich noch Parlamentarier sind.

Um einmal Namen zu nennen: In der rotgrünen Regierungszeit waren dies Leute wie der parlamentarische Staatsekretär Achim Großmann (NRW), der mit allen Mitteln die Bahnprivatisierung vorantrieb oder Schilys Marionette Fritz-Rudolf Körper (Rheinland-Pfalz), der die grundgesetzwidrige Gleichsetzung von Freiheit und Sicherheit in der Fraktion und 2005 sogar im SPD- Wahlprogramm verankern wollte.

Tauss hat offensichtlich entsprechende Erfahrungen gesammelt und er spricht dies deutlich aus. Bekanntermassen war er ja eh immer kontrovers und hat sich dadurch nicht unbedingt Freunde gemacht. Umso interessanter ist es natürlich, solche Insiderinformation zu lesen. Dann wundert man sich irgendwie auch nicht mehr über die Politik, wie sie zur Zeit gemacht wird.

Dennoch ist “Wir Abnicker” ein wichtiger und lesenswerter Diskussionsbeitrag. Schade und erstaunlich, dass er bislang zu keinem größeren Aufschrei in der Republik führte. Vielleicht auch deshalb, weil einer Bevölkerungsmehrheit im Land dieser sich selbst kastrierende und vor der Exekutive kuschende Bundestag bereits gleichgültig geworden ist?

Vergleicht man die Diskussionen von heute mit denen von früher, erkennt man schon, daß es früher im Bundestag anders her ging:

Gerade Herbert Wehner war ja für seine Reden berüchtigt und seine Schlagabtausche mit Franz-Josef Strauß legendär. Heutzutage scheint das Parlament aber wirklich eher als Abknicker-Versammlung verkommen zu sein.

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