Das Rostocker Gericht – zwei Fälle

Die Autorin Juli Zeh, die zusammen mit Ilija Trojanow das Buch “Angriff auf die Freiheit” geschrieben hat, das ich unbedingt weiterempfehlen kann, hat dem Cicero ein Interview gegeben. Darin geht es, wie nicht anders zu erwarten war, um die Themen aus dem Buch, also Grundrechte und Freiheit und die Einschränkung eben dieser. Interessant ist nicht nur das gesamte Interview, sondern meiner Meinung insbesondere folgendes:

Was antworten sie einem Menschen der sagt, der Staat solle die Menschen ruhig überwachen, denn wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten?
Dem antworte ich, dass er nicht verstanden hat, was Demokratie ist, dass er nicht verstanden hat, was Freiheit ist, dass er offensichtlich kein Gefühl mehr für seine eigene Würde besitzt und dass er der perfekte Untertan ist. Danach haut er mir wahrscheinlich eine rein, wenn keine Kamera in der Nähe ist.

Angenommen, ich habe verstanden, was Demokratie ist: Was kann ich als normaler Bürger gegen die Überwachung tun?
Erstens überlegen, wen man wählt, das ist Grundlage demokratischer Mitbestimmung. Zweitens kann man einer Partei beitreten, die sich entweder bereits mit dem Thema beschäftigt oder die man dazu bringen möchte. Man kann auch den Vereinen beitreten, die sich seit langem mit Datenschutz beschäftigen. Man kann zu Demonstrationen gehen, zum Beispiel am 12. September in Berlin. Man kann wenigstens versuchen, seine technischen Systeme aufzurüsten, seinen Computer mit einer Firewall zu umgeben, damit wenigsten der geschützt bleibt. Und was am interessantesten ist, weil es die Leute am wenigsten auf dem Schirm haben: Man kann sich durch Alltagsverhalten politisch ausdrücken. Wenn jemand bereit ist, seine Daten zu verkaufen für irgendwelche läppischen Rabattvorteile, dann ist das ein politisches Statement.

Dieses “Ich hab ja nichts zu verbergen” ist wirklich weit verbreitet. Und wenn man mit Mitmenschen diskutiert, ist es besonders schwierig gegen dieses Pseudo-Argument an zu überzeugen, daß eben doch jeder etwas vor dem Staat zu verbergen hat. Häufig scheint das Verständnis dafür nicht vorhanden zu sein, daß ein schnüffelnder Staat, der seine Nase in die Privatangelegenheiten seiner Bürger steckt, eben die Würde der Menschen verletzt. Es mag zwar der Einzelne nicht so spüren, aber das Beobachtungsnetz zieht sich immer enger und somit wird die Freiheit immer geringer, in der sich der Bürger kaum noch vom Staat unbeobachtet bewegen und agieren kann. Bereits heute wird jeder latent und dauerhaft überwacht, der ein Handy hat, da bei jedem Telefonat nicht nur die Verbindungsdaten für 6 Monate gespeichert werden, sondern auch die Position des Handys. Der Staat kann also heute feststellen, wo man sich vor 5 Monaten, 2 Wochen, 3 Tagen, 7 Stunden und 17 Minuten aufgehalten und mit wem man telefoniert hat.

Um dem weiteren Abbau der Bürgerrechte entgegen zu wirken, führt Zeh einiges an Maßnahmen auf. Das wichtigste ist sicherlich die Bundestagswahl am 27. September. Der Wahl-O-Mat hilft eventuell bei der Entscheidungsfindung, welche Partei für die Wahrung der Menschen-, Bürger- und Grundrechte einsteht und welche nicht und somit auch, welche Partei wählbar ist und welche nicht. Dabei sollte man sich auch nicht davon täuschen lassen, daß es auch andere durchaus wichtige Wahlkampfthemen gibt. Aber was zählt z.B. ein Mindestlohn oder was zählt ein Ausstieg aus der Atompolitik, wenn dafür die Grundrechte geopfert werden? Alle anderen Probleme lassen sich in einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung lösen. Ist aber die Freiheit erst einmal verloren, wird es auch schwierig, andere wichtige Themen durchsetzen zu können, weil man im schlimmsten Fall keine Möglichkeit der Einflußnahme auf die Politik mehr hat.

Deshalb: Freiheit wählen!

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