Zensurgesetz und Multiplikatoren

Heute fand ab 9 Uhr vor dem Brandenburger Tor die Sperrwache vom AK-Zensur statt. Nils Hitze berichtet in seinem Blog mit einigen Bildern und Videos von dieser Aktion. Auch auf Flickr gibt es Fotos zu sehen. (UPDATE: Mehr Bilder bei Netzpolitik verlinkt)
Die Piratenpartei ruft außerdem zu bundesweiten Protestaktionen am Samstag, d. 20.06.09 ab 12 Uhr auf:

Aber nicht nur bei den üblichen Verdächtigen der letzten Zeit regt sich Widerstand, also den Netzaktivisten, sondern auch woanders. Dies äußert sich dann in einigen offenen Briefen, etwa von SPD-Mitgliedern wie Torben Friedrich:

Das Gesetz sieht vor, Kinderpornographie im Internet nicht zu entfernen, sondern nur zu verdecken, um es Konsumenten dieses menschenverachtenden Materials zu erschweren, dieses zu betrachten. Dieses Gesetz verlangt perfiderweise, das zu tun, was den Mißbrauch der Kinder zum zweiten Male noch schrecklicher macht: Wegzusehen.

Wegsehen bedeutet in unserer Gesellschaft nichts anderes, als das Geschehene zu tolerieren. Ich jedoch als 22jähriger Bundesbürger sehe bei jeder gesperrten Seite, die mit einem Stoppschild verdeckt wird, das Versagen unseres Rechtsstaates, da er nicht in der Lage war, dieses Verbrechen effektiv zu bekämpfen, sondern auf ein Mittel zur Zensur zurückgreifen mußte.

Aber ich befürchte, daß sich die SPD-Oberen auch von drohenden Parteiaustritten nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen werden, dem Sperrgesetz zuzustimmen. Interessant ist aber auch, daß auch aus einer unerwarteten Richtung Widerstand kommt. Denn selbst die eher dem konservativen Lager, also der CDU/CSU, zuzuordnenden Katholische Junge Gemeinde spricht sich in ihrem offenen Brief (PDF) energisch gegen dieses Gesetzesvorhaben aus. Sehr begrüßenswert, zeigt es doch, daß der Widerstand nun auch langsam in der breiten Bevölkerung ankommt und nicht nur bei einer Hand voll von “Spinnern im Internet”!

Update: Spiegel Online hat einen Offenen Brief von Thorsten Schäfer-Gümbel an seine Partei.

Im übrigen berichten auch die Medien in den letzten Tagen wieder verstärkt über das Sperrgesetz bzw. über den Protest. So kam vorhin auf NDR2 in den verlängerten Nachrichten ein Beitrag von NDR Info: http://www1.ndr.de/mediathek/index.html?media=zensur110

Doch auch damit nicht genug! DerFreitag bringt ein Interview mit Franziska Heine, in dem sie eine Verfassungsklage ankündigt:

Und was tun Sie, wenn das Gesetz trotzdem so wie geplant das Parlament passiert?

Wir bereiten uns auf eine Verfassungsklage vor.

Wo kann man sich an der Verassungsklage beteiligen?

Uncategorized

10 thoughts on “Zensurgesetz und Multiplikatoren

  1. Tatsächlich kann man nur hoffen, dass die Kritiker ihre Ansicht in die “Offline-Welt” tragen und auch nicht Internet-affine Menschen für das Medium und mögliche Folgen einer Zensur sensibilisieren.

    Da jedoch Petitionen genau so wenig Wirkung zu entfalten scheinen wie kilometerlange Lichterketten, stellt sich die Frage: Was tun?. Eine Möglichkeit ist sicherlich die anstehende Bundestagswahl. Ein zentrales Problem wird dabei allerdings die Alternativlosigkeit im deutschen Parteiensystem sein.

    FDP und Grünen ist aufgrund Ihrer “Umfaller-Mentalität” in bisherigen Regierungskonstellationen (zurecht?) nicht zu trauen. Einmal an der Macht waren die guten Vorsätze meist vergessen. Die Linke wie auch Rechte Gruppen sind für aufgeklärte Bürger per se unwählbar.

    Bleibt nur die Piratenpartei wie auch einige andere (kleine) Gruppen, welche sich noch nicht etabliert haben und inhaltlich meist stark auf einen Themenkomplex bauen. Ob man einen “bürgerlichen Stammwähler” davon überzeugen kann nun aus Protest eine Partei mit einem, ihm durchaus fremden, Thema zu wählen wage ich gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise zu bezweifeln.

  2. Naja, wie bereits schonmal hier im Blog erwaehnt, ist es sinnvoll, verstaerkt Lobbyismus zu betreiben und direkt auf die Politiker einzuwirken. Hanno Zulla hat das in seinem Blog ja auch thematisiert.
    Solange die Piratenpartei keine nennenswerte Anteile hat (5-10%), bleibt nichts anderes uebrig, um Einfluss zu nehmen.

    Das Problem ist nur: je weniger die SPD waehlen, sondern die Piratenpartei, desto mehr wird die Macht der Union manifestiert, die uns das ja im Grunde alles eingebrockt hat. Die CDU/CSU wird dann ueber lange Jahre die weitaus staerkste Partei bleiben und somit die Regierung stellen. Das kann auch nicht gewuenscht sein.

    Insofern favorisiere ich eher, bei der Bundestagswahl eine der etablierten Partein zu waehlen und auf deren Politiker verstaerkt Einfluss zu nehmen.
    So oder so sehe ich schwarz fuer die naechsten Jahre in Deutschland… es wird ein langer Weg…

  3. “Das Problem ist nur: je weniger die SPD waehlen, sondern die Piratenpartei, desto mehr wird die Macht der Union manifestiert, die uns das ja im Grunde alles eingebrockt hat.”

    Dem kann ich nur zustimmen. Auf der anderen Seite erinnert mich die Situation an das schöne Zitat:

    “Eine Stimme die spricht ist lauter als tausend die schweigen”

    Da die “Internetcommunity” offenbar aktuell keine Lobby auf Bundesebene hat, mit der sie an die Abgeordneten dringen kann, ist eine ständige Vertretung dieser Bürgerbewegung im Bundestag begrüßenswert. Und sei es nur ein Abgeordneter (analog zur EU Wahl), welcher sich für die Anliegen stark macht.

    Demzufolge wäre ein Wahlsieg (also +5%) für die Piratenpartei durchaus ein erststrebenswertes Ziel. Die Bundesabgeordneten sollen ja im Prinzip die Bevölkerung in ihren Ansichten vertreten. Ich denke schon, dass etwa 5% der Deutschen das Thema “Zensur des Internets” wichtig genug ist.

    Eine breitere Präsenz kann sich allerdings niemand wünschen – dazu gibt es zuviele andere, auch drängendere, Themen.

  4. Dass die Piratenpartei sinnvollerweise in den Bundestag soll, ist ohne Diskussion. Bloss darf das nicht alles zu Lasten der SPD gehen, weil dadurch die CDU gestaerkt wird.
    Derzeit schaut es ja so aus, als wenn es demnaechst nur noch eine grosse Partei (CDU/CSU) und vier kleine Parteien geben wird (FDP, SPD, Gruene und die Linke).

    Dass es auch noch viele andere draengende Themen gibt, beunruhigt mich auch ein wenig. Da weiss man gar nicht, wo man anfangen soll…

  5. “Bloss darf das nicht alles zu Lasten der SPD gehen, weil dadurch die CDU gestaerkt wird.”

    Dem ist nichts entgegenzusetzen. Leider verhalten sich die Sozialdemokraten in der gegenwärtigen Diskussion derart ungeschickt, dass eine Abstrafung durch den Wähler mehr logische Folge als Gemütsregung ist.

    Ich glaube mit der Beunruhigung bzgl der vielfältigen Brandherde sind wir nicht allein. Aber wenn man zumindest mal an einem Punkt anfängt (der Abbruch des Verabschiedens verfassungswidirger Gesetze wäre sicherlich gut geeignet) und dabei konsequent bleibt, kann man viel erreichen – gerade in einer großen Koalition.

  6. Vielleicht sollten sich einige Leute, die Kontakte zu den Grünen oder der FDP haben, mal mit denen in Verbindung setzen und eine Art Vertrag aushandel, dass man denen zumindest die Zweitstimme anvertrauen kann. Eine meiner beiden Stimmen wird, wenn sie denn zugelassen werden, an die Piraten gehen. Wenn von den bereits etablierten Parteien, keine 100%ige Zusage kommt, dass sie uns im Kampf gegen die Zensur unterstützen, wird auch meine Zweitstimme an die PP gehen. Für den Fall, dass die PP in meinem Wahlkreis (Hildesheim) nicht zugelassen ist, bleibt mir nur zu hoffen, dass mir eine der etablierten Parteien ein 100%iges Versprechen gibt, dass sie auf meiner Seite sind (wobei ich dabei wohl eher schwarz sehe [damit ist nicht die CDU gemeint]). Wenn die SPD ihren derzeitigen Kurs beibehält, gebe ich ihr Brief und Siegel, dass sie in meinem Leben nie wieder eine Stimme von mir bekommen werden. Und ich benutze hier bewußt das Wort “NIE”. Denn wer mir in schlechten Zeiten nicht zur Seite steht, braucht in guten oder noch schlechteren Zeiten nicht auf meine Unterstützung hoffen.

  7. WTF? Klar darf es zu Lasten der SPD gehen. Anders geht auch kaum, höchstens man gräbt Wähler von der FDP, Grünen oder Linken ab. Kann man aber bei den Grünen (da mindestens ebenso anti-CDU wie SPD und weniger wahrscheinlich mit denen koalierend) gleich argumentieren und bei den Linken eher unwahrscheinlich (und gleiches Argument wie bei den Grünen). Bliebe noch die FDP, kann man versuchen. Aber wieso nicht (auch) bei der SPD abgraben?! Die SPD spielt doch sowieso mehr oder weniger mit der CDU mit, ob die jetzt noch ein paar Prozent weniger haben, ja mei, egal. Rückgratlos sind sie so oder so. Dafür gäb es dann aber eine Oppositionspartei die sich mal wirklich für unsere Interessen einsetzt, was momentan bei keiner so richtig der Fall ist.
    Nebenbei, die CDU verliert ja auch nach und nach (jedenfalls war das noch so bei der EU-Wahl).

  8. Von keiner Partei wirst Du einen 100%ig belastbaren Vertrag fuer irgendwas bekommen, weil das Wesen der Demokratie im Zusammenspiel der Parteien nunmal der Kompromiss ist.

    Natuerlich ist es verstaendlich, wenn man die SPD nun nicht mehr waehlen mag. Man sollte sich aber auch daran erinnern, dass es derzeit nur zwei Parteien gibt, die das Potential haben, die Regierung zu stellen. Das sind nunmal die Union und die SPD, wobei es bei letzterer ja eher nicht danach ausschaut.
    Die uebrigen Parteien sind nur potentielle Koalitionspartner, also FDP und Gruene. Rutscht die SPD nun auf das Niveau der FDP bzw. Gruenen ab, ohne dass eine dieser beiden anderen Parteien gleichwertig erstarkt, gibt es nur noch eine regierungsfaehige Partei: die Union. Das wuerde dann aber aehnlich wie bei Kohl bedeuten, dass man mitunter 16 Jahre Merkel, Schaeuble und v.d.Leyen bekommt.

    Und das wiederum sehe ich auch in keinster Weise als erstrebenswert an.

  9. Ja, die CDU verliert auch Waehler – und das ist gut so!
    Mein Punkt war halt, dass es falsch und sogar schaedlich ist, der SPD die alleinige Schuld zu geben und zu sagen, dass nur die SPD unwaehlbar ist, weil sie rueckgratlos ist. Denn das, was die SPD schwaecht, staerkt verhaeltnismaessig die CDU.

    Wenn die CDU um die 30-40% herumduempelt, SPD, Gruene, FDP und die Linke aber jeweils so um die 10-15%, dann wird immer die CDU die staerkste Partei bleiben und die anderen nur potentielle Juniorpartner in der Koalition. Dass es eine Koalition und Regierung von SPD, Gruene und FDP (oder gar mit den Linken) gegen die CDU geben wird, ist nun wirklich voellig utopisch.

    Insofern waere es sinnvoll, der SPD ein bisschen das Rueckgrat zu staerken, waehrend gleichzeitig die Piratenpartei als Oppositionspartei in die Parlamente einzieht.

Comments are closed.