Kaum ist die rechte "Terrorzelle" aufgeflogen und kaum werden die Versäumnisse des Verfassungsschutzes offengelegt, schon gab es den Ruf nach mehr Überwachung in Form der Vorratsdatenspeicherung (VDS). Dabei sollte eigentlich allen klar sein, daß wir es nicht mit einem Defizit bei den Möglichkeiten der Überwachung zu tun haben, sondern mit einem Vollzugs- und Informationsdefizit.
Die Welt hat einen unsäglichen Werbeartikel für die VDS veröffentlicht, bei dem man sich Fragen muss, ob da überhaupt kritische Journalisten oder von der Sicherheitslobbyisten bezahlte PR-Texter in der Redaktion sitzen:
Wenn wir sie doch nur noch hätten, die deutschen Telefon- und Internetdaten des vergangenen Halbjahres. Dann ließe sich jetzt das mögliche Umfeld der Zwickauer Terroristengruppe ziemlich rasch einkreisen. Wir haben die Daten aber nicht, denn das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2010 die verdachtslose Speicherung aus Sicherheitsbedenken für illegal erklärt und alle bestehenden Daten löschen lassen.
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Die generelle Datenspeicherung hat ihren Sinn. Im Licht der aufgedeckten Verbrechen wäre eine Aufbewahrung aller Verbindungsdaten für mindestens fünf bis zehn Jahre sogar sehr empfehlenswert – einschließlich des Rechts der Strafverfolger, nachträgliche Bewegungsprofile zu erstellen.
Die Befürworter einer solchen Speicherung sind keine Nazis, sondern wollen ihnen das Handwerk legen. Das sollten die Kritiker abwägen, bevor sie den Strafverfolgern eine wirkungsvolle Aufklärungsmethode aus der Hand schlagen.
Diese Inkompetenz in der Sachlage schlägt einem echt den Boden aus dem Faß aus! Der vorgebliche Journalist ist sich wohl nicht bewußt, daß eine VDS auch seine Primärquellen weitestgehend zum Erliegen bringen würde. Nun könnte man argumentieren, daß der Autor Torsten Krauel sowieso über keine Primärquellen verfügt, die er hätte fragen können, was die Auswirkungen einer VDS seien. Aber lassen wir das. Schlimmer ist, daß er auch noch gleich statt einer Speicherfrist von 6 Monaten eine Frist von 5-10 Jahre fordert! Das ist komplett unglaublich und dürfte in keinster Weise mit unserem Grundgesetz in Einklang zu bringen sein.
Außerdem ignoriert der Autor, daß der Verfassungsschutz über geheimdienstliche Befugnisse verfügt, so daß er auch ohne eine flächendeckende VDS entsprechende Daten erheben hätte können. Nur: das eigentlich Problem ist ja, daß der Verfassungsschutz die Gruppe aus den Augen verloren hat und auch ansonsten ziemlich herumschlampte und die vorhandenen Daten nicht korrekt ausgewertet hat. Wenn der Verfassungsschutz mit der Auswertung der vorhandenen Daten bereits überfordert ist, wird er das mit noch mehr Daten umso schlimmer sein. Es kommt nicht auf die Menge der Daten an, sondern auf die richtigen Daten und die richtige Auswertung und Interpretation der vorhandenen Daten.
Sogar der Spiegel berichtet über die gestrige Innenausschußsitzung:
Als der Ausschussvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) vor die Presse trat, sprach er von einer "erheblichen Krise des Vertrauens in den Verfassungsschutz". Man hätte die Mordserie wahrscheinlich verhindern können, so sein resigniertes Fazit. "In einem einzigen Tatkomplex eine solche Fülle von Fehleinschätzungen, das ist mir noch nicht begegnet". Bei einem "konsequentem Vorgehen" der Sicherheitsbehörden wäre es vielleicht nicht zu den Morden gekommen, sagte Bosbach. Stattdessen seien "unbedingt notwendige Handlungen" unterlassen worden.
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Auch andere Koalitionspolitiker, wie etwa der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, äußerten sich zum Einsatz eines Untersuchungsausschusses oder Sonderermittlers eher skeptisch. "Wir haben genug Gremien", sagte Uhl am Rande der Sitzung zu SPIEGEL ONLINE. Man dürfe mit einem Ruf nach neuen Kompetenzen nicht vom eigentlich Kern des Problems ablenken: "Es wurde in hohem Maße geschlampt."
Also wenn schon die einschlägigen Sicherheitspolitiker klipp und klar von Schlamperei sprechen und meinen, daß auch der Ruf neue Kompetenzen nur vom eigentlichen Problem ablenken, dann bleibt dem ausnahmsweise mal nicht viel hinzuzufügen.
Unglaublich, daß die Welt einen solchen Werbeartikel pro VDS veröffentlicht hat!