BVerfG & ESM – Was wäre wenn…?

Heute soll beim BVerfG über den Eilantrag von Gauweiler entschieden werden, der sich auf die geänderten Bedingungen bei der EZB bezieht. Morgen soll voraussichtlich über den Eilantrag von Gauweiler, Däubler-Gmelin vom Verein Mehr Demokratie und weiteren 37.000 Klägern entschieden werden. Welche Entscheidungen sind möglich?

  1. Das BVerfG lehnt den neuen Eilantrag Gauweilers zu den geänderten Bedingungen rund um die EZB ab. Davon gehe ich eigentlich nicht aus, weil Gauweiler da echt gute Gründe für hat.
  2. Das BVerfG nimmt den Eilantrag an und muss dann zu einer Entscheidung kommen. Da der neue Eilantrag im Zusammenhang mit der anderen Klage steht, kann man das aber nicht losgelöst davon betrachten. Das BVerfG kann dann morgen also nicht einfach die Entscheidung verkünden. Es sei denn…
  3. Das BVerfG sieht die Sache wie Gauweiler und muss gar nicht großartig über die neuen Rahmenbedingungen bei der EZB verhandeln, sondern sieht sich da mit seiner für morgen anvisierten Entscheidung auf einer Linie und lehnt den ESM ab: 
    1. Der ESM wird komplett abgelehnt, weil er das Budgetrecht des Bundestags zu sehr beschneidet. Die Politiker und einige Rechtexperten sehen das als wenig möglich an, weil der Druck auf das BVerfG zu groß ist und die möglichen Folgen zu weitreichend.
    2. Der ESM wird unter Auflagen genehmigt. Welche Auflagen das sein sollen, kann ich mir nicht vorstellen. Bestenfalls, daß der Bundestag bei jeder maßgeblichen Entscheidung vom ESM befragt werden muss. Das wiederum würde aber den ESM ad absurdum führen.
    3. Der ESM wird komplett genehmigt. Ich persönlich halte das aber im Gegensatz zu so manchem Politiker eher für unwahrscheinlich. Gerade der neue Antrag von Gauweiler zeigt ja, daß die Bundesrepublik Deutschland dann eventuell unbegrenzt haften könnte. Ich glaube nicht, daß das BVerfG diesen Weg gehen wird. Eine Haftungsobergrenze würde dann wieder unter 3.2), ESM mit Auflagen, laufen.
  4. Das BVerfG fühlt sich aufgrund des Drucks und der Implikationen außer Stande, eine Entscheidung zu treffen. Die einzige Option, wie man dann doch zu einer Entscheidung kommen könnte, wäre der bundesweite Volksentscheid. Das würde dem ESM zudem aus deutscher Sicht eine entsprechend starke demokratische Legitimation verschaffen. Auch wenn ich diese Option für reichlich unwahrscheinlich betrachte, wäre es meiner Meinung nach die beste Option – solange die Politiker dann im Vorfeld des Volksentscheids dann nicht manipulativ und einseitig pro ESM werben.

Insgesamt fürchte ich aber, daß das BVerfG den ESM mit Auflagen genehmigen wird. Ob das BVerfG dem Druck standhält, den Politik und teilweise die Medien aufbauen, ist schwer zu sagen. Ich würde es mir aber wünschen. Das hätte auch nichts mit Nationalismus zu tun, sondern mit der Beurteilung, ob der ESM gegen das Grundgesetz verstößt, etwa weil das Budgetrecht des Bundestags unterlaufen werden würde. Die Entscheidung der EZB, notfalls mit der Notenpresse in der Hinterhand die faulen Kredite der Staaten aufzukaufen, zeigt zudem, daß die Bestimmungen des ESMs nicht so strikt und eng sind, wie es uns die Politiker gerne glauben machen wollen. Das Spielchen haben wir auch schon beim Stabilitätspakt und der Grenze der Neuverschuldung durch. Vor der Einführung des Euros bewarb die CDU z.B. den Euro mit den Worten (Bild des Wahlplakats): 

Muss Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen? Klares Nein! Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die Europäische Union oder die anderen EU-Partner für die  Schulden eines Mitgliedsstaates haften. Mit den Stabilitätskriterien des Vertrags und dem Stabilitätspakt wird von vorne herein sichergestellt, dass die Nettoneuverschuldung auf unter 3% des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Die Euro-Teilnehmerstaaten werden daher ohne Probleme ihren Schuldendienst leisten können. Eine Überschuldung eines Euro-Teilnehmerstaats kann daher von vorneherein ausgeschlossen werden.” 
CDU-Wahlplakat von 1999
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Soweit zu dem Thema. Deshalb ist es auch wenig glaubwürdig, wenn Politiker nun davon sprechen, daß der ESM dies oder jenes Limit hat und die Staaten, deren Schulden von der EZB aufgekauft werden, dafür ja auch Gegenleistungen bringen müssen. 

Im Gegenteil müssen wir und auch das BVerfG eigentlich davon ausgehen, daß diese Zusicherungen nicht die Zeit wert ist, in der sie gegeben werden. Das ist natürlich schwierig für das BVerfG, seine Entscheidung auf mögliche Entwicklungen hin auszurichten, aber da griff Draghi von der EZB ja voreilig in die Kiste mit den Tricks und zauberte die Idee mit der Notenpresse hervor. Das BVerfG kann somit einen aktuell vorliegenden Fall dazu hernehmen, um eine komplette Ablehnung mit der Unwägbarkeit des ESMs und der möglichen Folgen auf z.B. das Budgetrecht des Bundestags zu begründen. Darüber hinaus finden sich in den anderen europäischen Verträgen (Maastricht, Lissabon) ja auch Klauseln, die eine Vergemeinschaftung der Schulden ausschließen.

Wenn das BVerfG also heute über den neuerlichen Eilantrag entscheidet, wird es also sehr spannend. Ich würde mir wünschen, daß die morgige Entscheidung verschoben wird und das BVerfG sich mehr Zeit ausbedingt, bis es zu einer ordentlichen Entscheidung gekommen ist. Aus meiner Sicht und Einschätzung kann dies eigentlich nur die Ablehnung des ESMs bedeuten. Ich fürchte aber, daß das BVerfG dem ESM unter Auflagen zustimmt. Diese Auflagen könnten aber den ESM lähmen und sinnlos machen und durch zusätzliche Regeln könnten die Auflagen des BVerfG dann unterlaufen werden. Insofern wäre eine Ablehnung ein klares und eindeutiges Statement und die Politik müsste nach anderen Lösungen suchen, etwa das isländische Modell.

Spätestens morgen abend werden wir schlauer sein…

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