6.6 Mio Funkzellenabfragen für 116 Ergebnisse

Erinnert ihr euch noch an den Skandal um die Funkzellenabfrage bei der Demo gegen Nazis in Dresden letztes Jahr? Ja? Super! Denn das ist damals kein Einzelfall gewesen. Die Berliner Polizei hat von 2009 bis 2012 etwa 300 Funkzellenabfragen mit insgesamt 6.6 Mio. Datensätzen gemacht, wie Spiegel.de berichtet: 

302 Verfahren im Zeitraum 2009 bis April 2012 wurden genauer aufgeschlüsselt. Dabei sind mehr als 6,6 Millionen Datensätze ausgewertet worden. Bei der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage wird ausgewertet, welches Handy zu welchem Zeitpunkt in einem bestimmten Gebiet war. 5383 Mal wurde demnach der Anschlussinhaber ermittelt, woraus sich schließlich 116 “neue Ermittlungsinhalte” ergaben.

Grund für diese Funkzellenabfragen waren unter anderem die Autobrandstiftungen in Berlin: 

Die Polizei setzte die massenhafte Abfrage unter anderem ein, um Autobrandstiftern auf die Spur zu kommen. Der Senat hat 302 Verfahren im Zeitraum von 2009 bis April 2012 genauer aufgeschlüsselt. Dabei handelt es sich in 33 Verfahren um Ermittlungen in Zusammenhang mit Brandstiftung. In 215 Verfahren ging es um bestimmte Bandendelikte, in 15 um Mord oder Totschlag, in 31 um Raub oder Erpressung, in 4 um Vergewaltigung und in 3 um Betäubungsmitteldelikte.

Die Anzahl der Fälle, z.B. bei den 215 Verfahren gegen bestimmte Bandendelikte, bedeuten nun nicht, daß dort nur 215 Handys überwacht wurden. Bei einem einzelnen Verfahren bzw. einer Funkzellenabfrage in einem einzigen Verfahren können durchaus zehn- oder hunderttausende von Datensätzen unbeteiligter Dritter anfallen. Das mag man vielleicht noch hinnehmen können, wenn die Polizei bereits einen gezielten Verdacht hat und ein Handy überwachen will. Andererseits kann dies auch per IMSI ä-Catcher erfolgen, was aber wieder auch nicht unbedingt ein geringerer Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellen würde. Die Abfrage von Millionen Datensätzen, um zu schauen, wer denn zufällig zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Nähe eines Tatorts gewesen sei, ist nichts anderes als breitgefächerte Rasterfahndung aufs Blau hin. So geraten dann harmlose und unbescholtene Bürger in den Fokus weiterer Ermittlungen auf der Suche nach einem Brandstifter von Luxuslimosinen. Daß dies in keinstem Maße verhältnismäßig ist, sollte jedem einleuchten.

Vielmehr kann sich das ganze ermittlungstechnisch sogar ins Gegenteil kehren: wenn potentielle Brandstifter nicht völlig auf den Kopf gefallen sind, lassen sie einfach ihr Handy zuhause und haben quasi dann einen Beweis oder Alibi, daß sie eben nicht am Tatort waren. Für die Polizei erscheint die Funkzellenabfrage ein leichtes und probates Mittel zur Ermittlung zu sein. Je leichter und bequemer ein Mittel aber zu benutzen ist, desto höher wird die Hürde für die Beamten, unbequemere und aufwendigere Ermittlungsmethoden zu nutzen. Das heißt, daß die Polizei stärker auf die Funkzellenauswertung verläßt und andere Ermittlungsansätze aus den Augen verliert – und somit potentielle Täter unerkannt bleiben. Stattdessen geraten womöglich normale Bürger in die Mühlen staatlicher Überwachung, ohne daß sie jemals etwas davon mitbekommen.

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