CCC: keine Schutzlücke ohne VDS

Dem Chaos Computer Club (CCC) wurde ein wissenschaftliches Gutachten des Max-Planck-Institus (MPI) für ausländisches und internationales Strafrecht über die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung (VDS) zugespielt, das der CCC nun publiziert. Für Bürgerrechtler wenig überraschend kommt das Gutachten zum Schluß, daß nach dem Urteilsspruch in Karlsruhe der Nutzen der VDS für die Strafverfolgung nicht nachgewiesen werden kann:

Die Studie kommt zum eindeutigen Ergebnis, daß eine solche immer wieder behauptete Lücke nicht besteht. Die angebliche Notwendigkeit der Speicherung von 300 bis 500 Millionen Datensätzen pro Tag kann laut der Untersuchung nicht durch kriminologische Statistiken belegt werden.

Der CCC publiziert das 271-seitige Dokument, um endlich eine faktenbezogene Diskussion um die angebliche Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung zu ermöglichen. “Die umfangreiche europaweite Erhebung und Auswertung des MPI offenbart, daß die Stammtischparolen von der ‘Schutzlücke’ durch den Wegfall der anlaßlosen Telekommunikationsdatenspeicherung keine Faktenbasis haben”, faßte CCC-Sprecher Frank Rieger die Ergebnisse der Studie zusammen. “Die Vorratsdatenspeicherung führt nachweislich nicht zu höheren Aufklärungsquoten bei schweren Verbrechen.” Das Gutachten vom Juli 2011 betrachtet detailliert Deliktsbereiche hinsichtlich ihrer Aufklärungsquoten. Für den Zeitraum, in dem es in Deutschland eine Vorratsdatenspeicherung gab, ist kein positiver Effekt auf die Aufklärungsquoten zu verzeichnen. Aber auch nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 war kein Abfall der Quote der aufgeklärten Fälle zu beobachten.

Das Ergebnis bestätigt in gewissem Sinn das, was Gegner der VDS schon immer sagten: der Nutzen der VDS ist nicht nachgewiesen. Interessant ist, daß das Gutachten im Auftrag des Bundesamtes für Justiz erstellt worden ist. Das ist quasi der Verwaltungsarm des Bundesministeriums für Justiz, dem das Bundesamt auch unterstellt ist. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ist ja bekanntermaßen Gegnerin der VDS, weshalb es unverständlich ist, daß dieses Gutachten bislang unveröffentlich ist. Es sei denn, dieses Gutachten wurde auch der Ministerin vorenthalten. Gibt es noch andere “Kräfte” im Bundesamt, die eher dem Bundesinnenministerium zugewandt sind? Wie auch immer. Das Gutachten ist nun öffentlich und auch Spiegel berichtet schon darüber: 

Bei den Befürworten der Speicherung diagnostizieren die Autoren “eine besondere Betonung der besonderen Schutzbedürftigkeit von jungen und alten Menschen”. In den verfügbaren Daten fänden sich jedoch “keine belastbaren Hinweise darauf, dass die Schutzmöglichkeiten durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung reduziert worden wären.” Ähnliches gelte für die Aufklärung schwerer Straftaten wie Mord: “Für Kapitaldelikte sind Veränderungen in den Aufklärungsraten wegen fehlender Vorratsdaten nicht sichtbar geworden.”

Im Übrigen lägen “keinerlei Hinweise dafür vor, dass auf Vorrat gespeicherte Verkehrsdaten in den letzten Jahren zur Verhinderung eines Terroranschlags geführt hätten”. Neben dem Verweis auf schwere Straftaten ist es stets der auf die vermeintliche Terrorgefahr, mit der Ermittler, Polizeiverbände und Politiker für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung argumentieren.

Soweit auch nichts neues. Spiegel weiter: 

Als Kompromiss wird im Papier des Ministeriums erneut das sogenannte “Quick Freeze”-Verfahren ins Feld geführt, bei dem Ermittler bei einem Verdacht das Speichern bestimmter Daten anordnen können. Auf richterlichen Beschluss kann dann auf diese Daten zugegriffen werden. Dieser Vorschlag stelle “einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger sowie den Erfordernissen einer wirksamen Strafverfolgung einerseits und dem Interesse an einem Schutz von Grundrechtseingriffen andererseits her”.

Unionspolitiker lehnen eine “Quick Freeze”-Regelung bisher vehement ab, ebenso Ermittler der Strafverfolgungsbehörden.

Wenn also der Nutzen nicht nachgewiesen werden kann, die VDS aber aus höchstrichterlicher Sicht erklärtermaßen tief in die Grundrechte der Menschen eingreift, dann ist die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Warum wollen also die Befürworter der VDS dieses Überwachungsmittel? Geht es wirklich um die orwellsche Überwachung aller Bürger oder steckt auch hier wieder die Content-Mafia dahinter?

Auf jeden Fall dürfte die Argumentationslinie der Befürworter nun (hoffentlich) einen schweren Schaden bekommen haben. Ich befürchte nur, daß es die Zierckes, Uhls und Kauders der Republik nicht davon abhalten wird, weiterhin diesen grundrechtsschädlichen Unsinn zu fordern.

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