Gestern also war der große Tag, an dem eine Volksabstimmung das endgültige Aus für die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs (Stuttgart21/S21) unter die Erde besiegelt werden sollte. Zumindest, wenn es nach dem Willen der S21-Gegner gegangen wäre. Denn bei der Volksabstimmung hat die Mehrheit der baden-württembergische Wähler mit "Nein" gegen einen Ausstieg aus der Finanzierung des Bauvorhabens gestimmt.
Denn das Votum der Bürger beim Volksentscheid zu Stuttgart 21 ist überraschend klar: Die Bagger können rollen, die Sägen loslegen. Das Vorhaben, das von einer lokalen Angelegenheit zum nationalen Ereignis wurde, soll weitergeführt, der historische Kopf- nun endlich in einen modernen Tiefbahnhof umgewandelt werden. Fast sechzig Prozent der Baden-Württemberger wollen es so. Bäume im Schlossgarten hin oder her.
Dass sie es schwer haben würden, hatten die Gegner geahnt. Zu hoch das Quorum, zu wenig Rückhalt außerhalb Stuttgarts. Aber dass sie regelrecht abgeschmettert werden, hatten sie nicht erwartet. "Das überrascht mich schon", sagt Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer offen, einer der lautesten Kritiker des Bauprojekts.
Betrachtet man die Massen, die bisher gegen das Bauvorhaben weit über ein Jahr Woche für Woche demonstriert haben, ist es in der Tat ein wenig verwunderlich. Der Eindruck war nämlich eher, daß die Mehrheit bzw. ein sehr großer Anteil der Bürger dieses Immobilienprojekt ablehnte. So waren die Demonstrationen der S21-Gegner immer weitaus größer als die der Befürworter.
Nun hat der Bürger entschieden, daß der Bahnhof doch unter die Erde verlegt wird. Eine vordergründige Niederlage für die Gegner, aber letztendlich ist der anhaltende Protest ein enormer Gewinn für unsere Demokratie. Seit den Protesten wird verstärkt über mehr Bürgerbeteiligung bei dieser Art von Projekten geredet und diskutiert. Volksabstimmungen sind nun nicht mehr Theorie, sondern Praxis.
Inzwischen scheint übrigens wohl auch die Bahn einzugestehen, daß das Bauvorhaben deutlich teuerer werden wird, wie Meldungen auf Twitter nahelegen. Natürlich erst nach der Volksabstimmung.
PS: dieser Artikel wurde am Montag Morgen angefangen und am Dienstag Abend nach einer durcharbeiteten Nacht fertiggestellt.