In Berlin ist letztens jemand wieder von Jugendlichen brutal zusammengeschlagen worden. Wenn man sich das Video anschaut, dann fragt man sich, was in solchen Leuten abläuft. Man wird es wohl nie erfahren. Was aber in den Köpfen von so manchem Politiker oder Polizisten abläuft, kann man dann in den Medien lesen. Die fordern nämlich wieder schärfere Gesetze und einen sogenannten "Warnschußarrest".
Was den neuesten Fall etwas außergewöhnlich macht, ist der Täter. Spiegel berichtet:
Es ist das erste Mal, dass Torben P. zugeschlagen hat. Zumindest das erste Mal, dass die Polizei es mitbekommen hat. Der 18-Jährige stammt aus gutem Hause, der Vater ist Jurist. Mit seiner Familie lebt er in Heiligensee, besucht die elfte Klasse der Bettina-von-Arnim-Oberschule in Reinickendorf. Am Samstagabend erscheint Torben P. in Tegel auf der Polizeiwache, stellt sich, räumt die Tat umfassend ein.
Vermutlich ist der Täter also kein üblicher Verdächtiger, der nur auf der Straße rumhängt und in schlechte Gesellschaft geraten ist. Auszuschließen ist das aber natürlich auch nicht.
Die Videoüberwachung hat im übrigen den Vorfall auch nur aufgenommen, ihn aber nicht verhindert. Schlimmeres verhindert hat jedoch der 21jährige, der eingeschritten ist. Videokameras verhindern keine Verbrechen. Spiegel mutmaßt, daß er sich aber aufgrund der Videoaufzeichnung gestellt hat. Dem Opfer nützt das freilich auch nicht viel. Denn wie man auf dem Video sieht, half nur das Eingreifen anderer Personen. Idealerweise natürlich schon, bevor die ersten Verletzungen zugefügt werden. Das würde aber vermutlich mehr Personal direkt auf dem Bahnsteig erfordern und somit mehr Kosten verursachen als ein paar Videokameras.
Videokameras wie auch das nun ins Gespräch gebrachte Vorhaben des "Warnschußarrests" sind aber nur "technische" Lösungen für ein soziales Problem, die nicht die eigentliche Ursache beheben, sondern nur an den Auswirkungen etwas zu ändern versuchen und dem blinden Aktionismus mancher Politiker entspringen. Das Problem dürfte eher die soziale und emotionale Verwahrlosung mancher Jugendlicher sein, die als einzige Problemlösung nur noch die Gewalt kennen. Soziale Probleme können aber nur Menschen lösen, nicht Videokameras und auch nicht Gesetze, sondern solche wie der 21jährige, der Zivilcourage zeigt. Hans-Christian Ströbele äußert sich demnach auch im Spiegel-Artikel wie folgt:
Auch Hans-Christian Ströbele sucht nach Lösungen. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen nutzt den U-Bahnhof Friedrichstraße selbst oft zu später Stunde, um mit seinem Fahrrad nach Hause zu fahren. "Wie in vielen Bahnhöfen ist dort ab einer gewissen Zeit kein uniformiertes Personal mehr anzutreffen. Wäre das der Fall gewesen, wäre es nicht zu diesem Vorfall gekommen", vermutet Ströbele. "An solchen Orten Personal abzubauen, ist falsch."
Ströbele, seit mehr als 30 Jahren Strafverteidiger, warnt vor der Einführung eines Warnschussarrests. "Wenn jugendliche Gewalttäter ins Gefängnis müssen, kommen sie meistens nicht besser raus", sagt der 71-Jährige. "Es gibt Statistiken, die eindeutig belegen, dass diejenigen, die eine Bewährungsstrafe bekommen, nach der Verurteilung wesentlich seltener straffällig werden als die, die im Jugendgefängnis saßen."
Der Gedanke, straffällige Jugendliche kämen nach drei, vier Wochen im Knast zur Besinnung, liege nahe, sei aber falsch. "Viele von ihnen werden dort eher angestachelt und lernen Kriminelles", so Ströbele. Den Arrest anders als den Strafvollzug zu gestalten, werde immer wieder angekündigt, sei meist nicht bezahlbar.
Um ein Rückfallrisiko bei jugendlichen Straftätern zu minimieren, plädiert Ströbele für ein schnelles Verfahren: "Wenn sich ein Jugendlicher wie im aktuellen Fall stellt oder gefasst wird, gesteht und es Zeugen gibt, sollte in der Woche darauf ein Urteil gefällt werden." Als erfahrener Jurist weiß er, dass sechs Monate für einen Jugendlichen "eine sehr lange Zeit" sind. Oft verbinde der jugendliche Täter zum Zeitpunkt des Gerichtstermins die Tat nicht mehr mit der Strafe.
Es ist also eher unwahrscheinlich, daß ein "Warnschußarrest" den Täter als Androhung einer Strafe von der Tat abgehalten hätte. Einen Mörder hält lebenslang als Strafmaß ja in der Regel auch nicht davon ab, seine geplante Tat zu begehen, um mal einen etwas kruden Vergleich zu ziehen.
Es müssen also soziale Lösungen her. Sozial nicht im Sinne von sozialverträglich, sondern von Sozialgemeinschaft. Das sollte wieder mehr Personal vor Ort und weniger Überwachungskameras einschließen, aber auch ein strikteres Alkoholverbot für Jugendliche. Denn, so der Spiegel, der Täter war alkoholisiert und streitsüchtig. In Zeiten vom Volkssport "Koma-Saufen" unter Jugendliche fände ich eine Anhebung des Alters von 16 auf 18, vielleicht sogar 21 Jahre eigentlich ziemlich sinnvoll. Weitere soziale Lösungen beinhalten aber auch die finanzielle Ausstattung von sozialen Einrichtungen wie Jugendzentren etc.