Jakob Augstein schreibt in seiner Kolumne darüber, daß Deutschland eine liberale Partei braucht – die FDP diese Position aber nicht ausfüllt und somit auch ihre eigenen Wurzeln verrät. Augstein schreibt:
Man muss tief graben, bevor man bei der FDP auf festen Grund stößt. Es ist 40 Jahre her, dass Dahrendorf für seine Partei im Bundestag saß, und immer noch 30, dass Baum Innenminister war. Die Partei des peinlichen Westerwelle ist alles mögliche, aber nicht liberal. Dafür fehlt ihr die Verantwortlichkeit. Der berüchtigte Hotellobbyismus ist ja nur ein Symptom dafür, dass die FDP mitnichten die Partei der Leistungsträger ist, sondern die der Selbstbediener. Sie zieht eben nicht verantwortungsvolle Bürgerliche an, sondern nur skrupellose Kaltschnauzen. Keine deutsche Partei, DVU und NPD mal ausgenommen, hat ein so erbärmlich unsympathisches Image wie die FDP.
In der Tat scheint es so zu sein, daß aus der alten Gilde der echten Liberalen nur noch wenige in der FDP sind. Baum, Hirsch und Leutheusser-Schnarrenberger sind wohl die letzten ihrer Art, von denen man behaupten kann, daß sie echte liberale Werte vertreten. Alle anderen in der FDP scheinen mir (und wohl auch Augstein) sich eher dem wirtschafts-liberalen Bereich zuordnen zu lassen, also Liberalismus einzig im Bereich der Wirtschaft auffasst: sie wollen ungestört vom Staat möglichst viel Geld einheimsen und da stört der Staat nur im Normalfall.
Augstein entgegnet:
Liberalismus handelt von Freiheit, nicht von Verantwortungslosigkeit. Isaiah Berlin hat geschrieben: "Negative Freiheit bedeutet, eine große Zahl von Handlungsmöglichkeiten zu haben, positive Freiheit entsteht in der Entscheidung für eine dieser Möglichkeiten." Der Liberale glaubt, dass positive Freiheit automatisch aus der negativen folgt. Wenn die äußeren Beschränkungen wegfallen, wird der Mensch selbstbestimmt handeln.
Isaiah Berlin wird von Ralf Dahrendorf auch vielfach in seinem Buch "Versuchungen der Unfreiheit – die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung" zitiert. So hatte ich bereits ein Zitat von Isaiah Berlin als Titel des Blogartikels "Freiheit ist das Fehlen von Zwang" gewählt:
"Wer den Versuchungen der Unfreiheit widersteht, hat ein anderes Verhältnis zur Freiheit. Sie vor allem ist ihm teuer. Sogar das Wort ‘heilig’ verwendet Isaiah Berlin, wenn er von Freiheit spricht. Freiheit ist im Kern immer die Fähigkeit und der Wille zu tun und zu lassen, was man will. Freiheit ist das Fehlen von Zwang. Damit ist nicht der Zwang durch natürliche Grenzen gemeint." (Quelle: "Versuchungen der Unfreiheit" Ralf Dahrendorf, S. 50)
Das Buch ist uneingeschränkt empfehlenswert. Man muss sicherlich kein Freund der FDP sein, aber es schadet nicht, sich etwas über liberale Grundsätze zu informieren. Insbesondere, wenn es um Bürger- und Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem gerne allwissenden und allmächtigen Staat geht. Insofern kann ich Augsteins Forderung nach einer Renaissance der FDP als echte liberale Partei nur unterstützen – bzw. alternativ einer anderen Partei, die diese Werte vertreten mag.