“Freiheit ist das Fehlen von Zwang”

Derzeit lese ich das Buch “Versuchungen der Unfreiheit – die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung” von Ralf Dahrendorf. Darin nimmt Dahrendorf u.a. Bezug auf Isaiah Berlin als jemanden, der den Versuchungen der Unfreiheit in seiner Zeit widerstanden hat. So schreibt Dahrendorf z.B.:

“Wer den Versuchungen der Unfreiheit widersteht, hat ein anderes Verhältnis zur Freiheit. Sie vor allem ist ihm teuer. Sogar das Wort ‘heilig’ verwendet Isaiah Berlin, wenn er von Freiheit spricht. Freiheit ist im Kern immer die Fähigkeit und der Wille zu tun und zu lassen, was man will. Freiheit ist das Fehlen von Zwang. Damit ist nicht der Zwang durch natürliche Grenzen gemeint.” (Quelle: “Versuchungen der Unfreiheit” Ralf Dahrendorf, S. 50)

Dahrendorf führt weiter aus, daß mit diesen natürlichen Grenzen gemeint ist, daß niemand unfrei ist, weil er z.B. nicht aus dem Stand über 3 Meter hoch springen kann und daß die persönliche Freiheit eben auch dort endet, wo die Freiheit eines anderen beginnt. Völlige Freiheit gibt es eben nicht, bestenfalls in der Anarchie. Dennoch ist der markierte Satz “Freiheit ist das Fehlen von Zwang” ein wichtiger Punkt. An anderer Stelle, auf Seite 52, schreibt Dahrendorf weiter:

“Freiheit in diesem Sinne ist in gewisser Weise ein formaler Wert. Sie umfasst jene konstitutionellen Freiheiten, die uns die Chance geben, möglichst weitgehend wir selbst zu sein, von der Unversehrtheit der Persion (habeas corpus) bis zur Meinungs- und Koalitionsfreiheit. ‘Die Freiheit, von der ich spreche’, sagt Berlin an einer Stelle eines Selbstkommentars, ‘ist die Chance des Handelns, nicht das Handeln selbst.'” (Quelle: s.o. Seite 52)

Insofern, um nun mal wieder auf z.B. das Zugangserschwerungsgesetz zu kommen, ist die Einführung der Stopp-Seiten noch keine Unfreiheit, denn es besteht ja noch kein allgemeiner Zwang, die entsprechenden DNS-Server zu benutzen – mit Ausnahme des Netzes von Vodafone, wo bereits die Netzneutralität verletzt wird und entsprechend DNS-Anfragen abgefangen werden. Das Problem ist nun (oder wird es werden), daß zunehmend damit gerechnet werden muss, daß auch andere Provider entsprechende DNS-Anfragen abfangen und umleiten werden, eben um sicherstellen zu können, daß die entsprechenden Filter nicht umgangen werden können. Das wiederum bedeutet dann in der Tat eine Unfreiheit, weil man nicht mehr die Chance hat zu handeln, sondern unter dem Zwang steht, die zensierten Nameserver des Providers zu benutzen. Derzeit ist die Umgehung wohl einfach deshalb noch möglich, weil die Politik oder die Provider nicht mit einer breiten Verwendung freier Nameserver ausgehen. Dies könnte sich aber auch irgendwann stillschweigend ändern, da das ZugErschwG den Providern auch entsprechende Rechte einräumt, auf anderen technischen Wegen diese Sperrungen durchzusetzen. Insofern darf man meiner Meinung nach durchaus bereits jetzt von einer Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Freiheiten und Bürgerrechte sprechen, wobei es natürlich kein Grundrecht auf Kinderpornografie gibt, wie es auch von Seiten der CDU häufig gesagt wird, aber die Gefahr bei den Sperren ist halt zu groß, daß auch andere Seiten auf dem Index landen, wie bereits etliche Beispiele aus dem Ausland gezeigt haben. Es heißt also, weiterhin wachsam zu sein und den Politikern auf die Finger zu schauen und auf die Füsse zu treten, ebenso wie jeder dazu aufgerufen ist, sich auch nach der Wahl in den nächsten 4 Jahren weiterhin für Grund- und Bürgerrechte einzusetzen! P.S.: Das Buch von Dahrendorf erscheint mir bisher auch sehr empfehlenswert. Allerdings merkt man durchaus, daß auch Dahrendorf als Intellektueller zu gelten hat und die Kost dieses Buches schon eine schwerere ist als z.B. das Buch von Julia Zeh und Ilija Trojanow. 😉

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