Offener Brief von MOGiS zu Beschneidungen

Das Urteil vom Landgericht Köln zu der Strafbarkeit von religiös motivierten Beschneidungen von Jungen hat ja bereits einigen Wirbel verursacht. Der Rostocker Verein MOGiS e.V. hat nun einen offenen Brief auf seiner Webseite http://mogis-und-freunde.de veröffentlicht, mit dem sich MOGiS an die zahlreichen Kinderschutzverbände in Deutschland wendet, sich für einen Stopp der Beschneidungen und damit für das Wohl und das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit einzusetzen.

Rechtswirksam ist bei Kindern eine Einwilligung der Eltern oder Personensorgeberechtigten nur möglich, wenn diese dem Wohl des Kindes dient, also zum Beispiel wenn sie medizinisch indiziert wäre – was nur noch bei ganz wenigen Erkrankungsbildern der Fall ist.

Davon kann im Fall einer tradierten oder religiös motivierten – auf jeden Fall nicht medizinisch indizierten – Beschneidung nicht ausgegangen werden. Weiterhin ist eine solche Behandlung in Deutschland nicht sozialadäquat – Regelmäßig wird man in Deutschland nicht gehänselt weil man unbeschnitten ist.

Da, wie das LG Köln in seinem Urteil zu Recht feststellt, eine religiös tradierte – nicht medizinisch indizierte – Zirkumzision dem Wohl des betroffenen Kindes nicht dient und sie zudem unter Umständen zudem in die (auch negative) Bekenntnisfreiheit des betroffenen Kindes eingreift ist sie als strafbare Handlung anzusehen.

Soweit so gut. Nun wollen sich einige Politiker dafür stark machen, eine gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen, die eben eine solche Zirkumzision (Beschneidung) aus religiösen Gründen straffrei stellt. Besonders tut sich hier zum Beispiel der Grünen-Politiker Volker Beck hervor, den ich eigentlich sonst für seinen Einsatz für Bürger- und Grundrechte schätze. Aber an dieser Stelle wird das zweifelslos vorhandene Grundrecht der Eltern auf Religionsfreiheit sowohl über das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit als auch über das Grundrecht der Religionsfreiheit des Kindes gestellt. Denn die Eltern treffen eine unumkehrbare Entscheidung für die Religionswahl des Kindes. Vielleicht möchte das Kind später weder Jude noch Moslem sein, ist aber dann dennoch beschnitten.

Religionsfreiheit bedeutet für mich auch, das Recht zu haben, frei von Religion zu sein. Und natürlich auch, das Recht zu haben, meine Religion frei wählen und dann auch ausüben zu dürfen. Deshalb finde ich auch christliche Taufen bei Kleinkindern falsch, da diese hiermit in eine Religion gedrängt werden, die sie vielleicht gar nicht selber möchten.

Aber zurück zur Beschneidung: 

Die Bundesregierung hat nun angekündigt und das Justizministerium aufgefordert, einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung geringfügiger, tradierter kosmetischer Eingriffe zu erarbeiten.

Frau Leutheusser Schnarrenberger hat auch schon vorsichtig darauf hingewiesen, dass es sehr schwer sein wird den Gesetzesentwurf so zu formulieren, dass er nicht als Nebenwirkung auch bestimmte Eingriffe bei Mädchen legalisiert. ¹ […]

Eine Unterscheidung zwischen Beschneidungen von Jungen und von Mädchen halte ich für fragwürdig, da sie meiner Meinung gegen Art. 3 GG (Gleichheit vor dem Gesetz) verstößt. Entweder sind alle religiös motivierten Beschneidungen straffrei oder keine.

Interessant ist auch, daß Deutschland die Kinderrechtskonvention ratifiziert hat, wo es heißt: 

Im – auch von Deutschland ratifizierten – Übereinkommen über die Rechte des Kindes (der Kinderrechtskonvention) steht in Artikel 24:

“Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen”

Damit ist das eigentlich eine klare Sache und Politiker wie Volker Beck stellen sich mit ihren Forderungen nach Straffreiheit von Beschneidungen eindeutig gegen die Forderungen der Kinderrechtskonvention und somit gegen das Wohl des Kindes.

Es geht bei diesem Thema nicht darum, das jüdische oder islamische Leben in Deutschland unmöglich zu machen. Jeder Jude oder Moslem soll seine Religion frei ausüben dürfen, aber das Grundrecht auf Religionsfreiheit ist ein persönliches Grundrecht. Es findet dort seine Grenzen, wo Grundrechte eines anderen verletzt werden. Und dies ist nun ganz einfach bei der körperlichen Unversehrtheit aus Art 2 Abs. 2 GG der Fall.

Religiös motivierte Verstümmelungen an Jungen und Mädchen gehören, meiner Meinung nach, endlich und ein für alle Mal verboten. Wer mit der Religionsfreiheit argumentiert, müsste folgerichtig eigentlich auch den religiös motivierten Kannibalismus zulassen. Aber das wird doch wohl niemand ernsthaft fordern, oder? Auch Religionen haben sich an Recht und Gesetz zu halten und insbesondere die Grund-, Freiheits- und Menschenrechte anderer zu respektieren und zu achten. Der Staat sollte sich aus der Religion heraushalten und die Religion sich aus dem Staat.

Wenn ihr also gegen die Verstümmelung von Genitalien seid, egal ob von Mädchen oder Jungen, dann kontaktiert euren Bundestagsabgeordneten entweder im Wahlkreisbüro, ruft ihn an, schickt ihm ein Fax oder auch eine Mail. Unterstützt Vereine wie MOGiS, die sich für das Wohl der Kinder einsetzen.

P.S.:
MOGiS hat im offenen Brief auch noch ein altes Lehrvideo einer Beschneidung aufgelistet. Ich habe es mir gestern angeschaut und es war erschütternd. Das Video ist zwar alt und der Eingriff wurde ohne Vollnarkose des Kindes durchgeführt, aber es zeigt, wie sehr Kinder heutzutage noch immer in vielen Ländern bei einer solchen Beschneidung leiden müssen. Schwachen Gemütern würde ich also nicht empfehlen, das Video anzuschauen.

UPDATE:
Auch Rechtsanwalt Thomas Stadler hat sich (juristisch) mit der Beschneidung auseinander gesetzt. Sehr lesenswert und weitestgehend meiner Einschätzung entsprechend.

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2 thoughts on “Offener Brief von MOGiS zu Beschneidungen

  1. Auch kosmetische GenitalOPs an “uneindeutigen” Kindern verbieten
    Danke für diese Stellungnahme für das Recht auf körperliche Unversehrtheit für alle Kinder!

    Zitat: “Wenn ihr also gegen die Verstümmelung von Genitalien seid, egal ob von Mädchen oder Jungen …”

    Es gibt auch Kinder, die kommen mit sog. “atypischen” oder “uneindeutigen” Genitalien auf die Welt und werden auch in Deutschland mäglichst rasch ohne medizinische Notwendigkeit chirurgisch “genitalkorrigiert”, mit lebenslangen und traumatischen Folgen für die Betroffenen. Auch diese gehören endlich verboten!

  2. Danke
    Danke für diesen – leider erfolglos gebliebenen – Aufruf. Ich bin selbst Opfer einer Genitalverstümmelung geworden (“beschnitten”) und bin entsetzt, wie aus falsch verstandener “Rücksicht” auf Religionen eigentlich vernünftige Politiker wie Volker Beck solche Verbrechen rechtfertigen.

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