Frag deine Politiker – OB Wahl: Karina Jens antwortet

Auch die Kandidatin der CDU in Rostock und derzeitige Präsidentin der Bürgerschaft, Karina Jens hat auf meinen Fragenkatalog geantwortet: 

1) Was sind die Top drei Punkte Ihres Wahlprogramms und wie versuchen Sie diese dem Bürger zu vermitteln?

Mein 10-Punkte-Programm für ein lebenswertes Rostock findet sich unter www.karina-jens.de. Ich diskutiere über meine Vorschläge für Rostock und die Erwartungen der Menschen in unserer Stadt jeden Tag an meinem Bürgerbus und auf den verschiedenen Diskussionsveranstaltungen in der Stadt. Insbesondere ist mir ein neues Miteinander, die weitere Stadtentwicklung und der Erhalt der Rostocker Vielfalt wichtig.

Natürlich ist es begrüßenswert, wenn man die eigenen 10 Punkte auf seiner Webseite für jederman einsehbar hat. Absolut! Aber hier war ja nicht die Frage nach den Top 10 Punkten, sondern nach den Top 3 Punkten des Wahlprogramms. Und man hätte hier nochmal die Chance gehabt, die wichtigsten 3 Punkte dem potentiellen Wähler nahe zu bringen.

2) Was betrachten Sie als das drängendste Problem in Rostock und wie möchten Sie dieses Problem angehen bzw. vielleicht sogar lösen?

Seit Juli 2009 bin ich Präsidentin der Bürgerschaft der Hansestadt Rostock. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat die Bürgerschaft viele vernünftige Beschlüsse gefasst und Ideen unterstützt. Aber es gibt Probleme, die vor allem aus der Blockade und der Sprachlosigkeit zwischen Verwaltung und Bürgerschaft, aber auch zwischen Verwaltung und Bürgern herrühren. Deshalb bleibt Rostock noch immer hinter seinen Möglichkeiten zurück. Ich will durch mehr Miteinander, mehr Transparenz und einen echten Dialog die bestehenden Blockaden aufbrechen und auch eine auf Dienstleistung orientierte Verwaltungsleistung anstoßen.

Auch andere Kandidaten sprechen von einer schlechten Stimmung in der Verwaltung. Insofern gehe ich davon aus, daß da etwas dran ist. Häufig wird das mit der Person Methling begründet, so daß es nahe liegt, daß jede/r andere Kandidat/in besser als Rostocker Oberbürgermeister geeignet wäre. Da ich nicht in der Verwaltung arbeite oder entsprechende Aussagen von Mitarbeitern kenne, kann ich das nicht abschließend beurteilen, aber es macht mich schon nachdenklich, ob an diesen Vorwürfen etwas dran ist. Leider hat keiner der Kandidaten Einzelheiten berichtet. 

3) Als Einwohner Warnemündes hat man das Gefühl, dass die Stadt Rostock zwar gerne die Einnahmen abzweigt, die die Cash Cow an der Warnow Mündung generiert, aber wenig in Warnemünde investiert. Betrachtet man die Seebäder östlich und westlich von Warnemünde, so fällt auf, dass diese in einem weitaus besseren Zustand sind als das Aushängeschild Rostocks. Während in Kühlungsborn der touristische Kernbereich hervorragend saniert und erneuert wurde, glänzt Warnemünde mit kaputten Straßen, unebenen Bürgersteigen und macht generell einen fast schon verwahrlosten Eindruck abseits des alten Stroms. Was ist Ihrer Meinung nach hier in Warnemünde in den letzten 20 Jahren schief gelaufen und was müsste nun gemacht werden?

Es gilt, keinen Gegensatz zwischen den Stadtteilen in unserer Stadt zuzulassen. Jeder Stadtteil hat seine Bedeutung und ist wichtig. Warnemünde hat sich in den zurückliegenden Jahren gut entwickelt. Dies gilt es anzuerkennen, auch wenn es immer noch Herausforderungen und Probleme gibt. Ich will in den Ortsteilbeiräten besprochen, wie die Entwicklung vor Ort gestärkt und verbessert werden kann, wie die Bürger besser eingebunden und mitgenommen werden können und wie bestehende Probleme zügig zu lösen sind. Für die Sanierung von Straßen und Gehwegen kann z. B. eine stadtteilbezogene Prioritätenliste helfen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit beim Entwickeln des Strukturkonzepts in Warnemünde ist ein richtiger Schritt. Derzeit liegt auch eine Sanierungsliste für die Straßenerneuerung vor.

Für die Zukunft ist jedoch eine externe Moderation bei entsprechenden Vorhaben anzustreben. Ebenso die rechtzeitige Information über das Internet zu verstärken und mehr Wettbewerb zu zulassen. Insgesamt ist zügig Augenhöhe mit anderen Küstenorten herzustellen, wobei sowohl der spezifische Charakter Warnemündes wie auch ökologische Aspekte hinreichend zu berücksichtigen sind

Wen ich auch immer von den Warnemündern gefragt habe, alle hatten den Eindruck, daß Warnemünde von der Stadt Rostock ausgenommen wird. Die Stadt nehme gerne das Geld aus Warnemünde, aber es werde nichts in Warnemünde investiert. Das ist im Grunde der Tenor der Meinungen und widerspricht daher der Einschätzung, daß sich Warnemünde gut entwickelt hätte. Ja, es hat sich was in Warnemünde getan, aber nach Meinung vieler Warnemünder wohl nicht genug.
Daß das Strukturkonzept ein wichtiger Schritt ist, sehe ich genauso. Es bleibt aber abzuwarten, ob die Vorstellungen der Bürger auch aufgenommen und umgesetzt werden, oder ob es bei einer Schein-Beteiligung bleibt?

4) Für die Stadtentwicklung in Warnemünde gibt es das Strukturkonzept, das gerade im Ortsbeirat diskutiert wird. Viele Punkte sind ziemlich umstritten wie zum Beispiel der geplante Caravan-Stellplatz auf der alten Mülldeponie am Weidenweg. Wie beurteilen Sie das Strukturkonzept als solches und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Richtigerweise wird über das Konzept jetzt offen und ehrlich diskutiert. Umsetzbar ist nur, was vor Ort auf Zustimmung stößt und wo es im Einzelfall eine transparente Interessenabwägung gegeben hat. Diesen Weg gilt es fortzusetzen. Ich werde als Oberbürgermeisterin nicht per Federstrich im Rathaus entscheiden, was für Warnemünde gut ist oder nicht. Hier stellt sich die Frage z. B. nach einer externen Moderation. Es kann m.E. nur um einen ausgewogenen Mix von Wohnen, Arbeiten und Tourismus gehen. Wettbewerb ist in diesem Zusammenhang ebenso von Bedeutung wie die Balance von Ökologie und Ökonomie. Das Caravan-Konzept wird seit Jahren diskutiert und von der Bürgerschaft begleitet. Die zuständigen Fachleute halten den Standort für die angestrebte Nutzung für unbedenklich. Dennoch sind Hinweise aus der Bevölkerung – soweit diese erfolgen – sehr Ernst zu nehmen und ggf. erneute Untersuchungen durchzuführen.

Mag ja sein, daß die Meßwerte bescheinigen, daß es gesundheitlich unbedenklich ist, aber Berichte von Anwohnern sprechen davon, daß es im Sommer dort riecht oder müffelt. Mal vom Imageproblem abgesehen, daß ich es nicht touristisch sinnvoll finde, Urlauber auf eine ehemalige Müllkippe zu schicken. Wenn das herauskommt, und es wird herauskommen, dürften wohl die wenigsten Camper dort ihren Urlaub verbringen wollen. Es ist also weniger ein Problem der Meßwerte, sondern ein Problem des Images, mit dem man Warnemünde verknüpfen will.

5) Am 5. Dezember 2011 wurde in der Rostocker Bürgerschaft ein Antrag zur Erstellung eines Open Data Konzeptes für die Hansestadt Rostock angenommen. Wie stehen Sie zu Open Data, Open Gouvernement und Open Access, also der stärkeren Einbindung von Bürgern in die Entscheidungsprozesse der Kommunalpolitik?

Ich habe für diesen Antrag gestimmt und werde dafür sorgen, dass dieser umgesetzt wird. Hinsichtlich der Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern setze ich vor allem auf das Instrument der Bürgerversammlung, denn zu einer lebendigen Demokratie gehört der Dialog. Für diesen gilt es Möglichkeiten und Formen anzubieten. In diesem Zusammenhang will ich als Oberbürgermeisterin auch in die Ortsteilvertretungen gehen und dort über Entwicklungschancen beraten.

Nun wäre es für mich interessant gewesen zu wissen, was “das Instrument der Bürgerversammlung” genau sein soll. Es ist natürlich begrüßenswert, wenn der oder die OB den direkten Kontakt zu den Bürgern sucht. Aber es dürfte schwierig sein, viele Bürger damit zu erreichen. Hier kann Open Data helfen, weil die Bürger sich zeitlich ungebunden über die Vorhaben der Stadt informieren können, während Bürgerversammlungen immer zu bestimmten Terminen stattfinden, an denen immer irgendjemand nicht teilnehmen kann.

6) Am 19. Februar 2011 fand in Dresden ein Nazi-Aufmarsch und eine Gegendemonstration statt, bei der von Zehntausenden und teilweise unbeteiligten Bürgern über eine Mio. Verbindungsdaten (Handygate) erhoben und danach widerrechtlich von der Polizei ausgewertet wurden. Auch Rostock hat eine starke rechte Szene und auch viele Bürger, die sich gegen Rechts engagieren. Wie stehen Sie dazu, unbescholtene Bürger mittels Funkzellenauswertung (FZA) wie in Dresden pauschal zu überwachen?

Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen politischen Extremismus in unserer Stadt und damit für Demokratie, Mitmenschlichkeit und Toleranz engagieren, müssen die Unterstützung aller demokratischen Kräfte und der Verwaltung der Stadt finden. Ich begrüßte dieses Engagement ausdrücklich.

Gegen politischen Extremismus müssen alle Möglichkeiten des Rechtsstaates genutzt werden. Deshalb sind die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden besonders gefordert. Die im Einzelfall hilfreiche Funkzellenauswertung ist nur aufgrund eines richterlichen Beschlusses möglich. Ich gehe davon aus, dass mit diesem Instrument auch in Zukunft verantwortlich umgegangen wird.

Eben der richterliche Beschluß ist ein Teil des Problems, weil die Richter die Ablehnung und nicht den Grundrechtseingriff begründen müssen. Häufig haben die Richter nur wenige Minuten für eine Entscheidung Zeit und da fällt eine Genehmigung entsprechend leichter als eine Ablehnung, die man mühselig begründen muss. Deshalb sind zwar viele Funkzellenabfragen richterlich abgesegnet, aber nicht unbedingt rechtens, weil die Verhältnismäßigkeit des mildesten Mittels nicht gewahrt wurde. Die Erfahrungen aus Dresden und inzwischen Berlin zeigt eben, daß gerade nicht verantwortungsbewußt damit umgegangen wird.

7) Funkzellenauswertung in Dresden, die Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung im Rahmen des rechtsextremistischen Terrorismus (Zwickauer Terrorzelle, Nationalsozialistischer Untergrund) und noch viele weitere Gesetze und Gesetzesvorhaben schränken unsere Bürgerrechte im Namen des Kampfes gegen den Terror nach dem 11. September 2001 ein, ohne dass deren Wirksamkeit bewiesen oder evaluiert wurde. Die Vorratsdatenspeicherung war, bis sie vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde, in keinster Weise für die Strafverfolgung so nützlich wie häufig geäußert. Lediglich bei 6 von 100.000 Verbrechen wurde auf Daten aus der Vorratsdatenspeicherung zurückgegriffen, ohne dass dies die einzigen Ermittlungsansätze gewesen waren. Das entspricht in etwa dem Vorgehen, wegen eines Diebstahls samtweiche Wohnungen einer Großstadt wie Rostock pauschal zu durchsuchen. Werden Sie sich als Oberbürgermeister(in) für die Wahrung der Bürger-, Grund- und Freiheitsrechte ihrer Bürger einsetzen und sich für eine Abschaffung dieser Überwachungsmaßnahmen bei ihren Kollegen aus Bundes- und Landtag starkmachen? Auch ein/e Oberbürgermeister(in) sollte ein Interesse an der Wahrung von Grund- und Menschenrechten haben, ohne die auch eine entsprechende Kommunalpolitik nicht möglich ist, wenn die Bürger aus Angst vor überbordende Überwachung sich nicht mehr demokratisch engagieren (Chilling Effekt).

Ich bin grundsätzlich der Meinung, dem Einzelnen soviel Eigenverantwortung, mithin persönliche Freiheit, wie möglich, einzuräumen. Selbstverständlich stehe ich für die Wahrung der Bürger-, Grund- und Freiheitsrechte.Dennoch können wir nicht über die Probleme unserer Zeit hinwegsehen.

Rostock lebt von der Vielfalt seiner Bewohner, von der Vielfalt der persönlichen Lebensentwürfe und der Vielfalt seiner Ortsteile. Mir geht es auch darum, allen Rostockern zu jeder Tageszeit und in allen Teilen unserer Stadt ein sicheres Leben zu ermöglichen. Insoweit ist auch das subjektive Sicherheitsgefühl nicht zu vernachlässigen. Dafür werde ich mich als Oberbürgermeisterin unserer Stadtebenfalls einsetzen.

Das Sicherheitsgefühl läßt sich nicht durch überbordende Überwachungsmaßnahmen erhöhen. Vielmehr erhöht sich dadurch das Gefühl der Unsicherheit und des Sich-überwacht-fühlens. Liest man sich die ersten Artikel des Grundgesetzes durch, dann ist von Sicherheit nur wenig die Rede, wohl aber in weit größerem Maße von Freiheit und von Rechten. Dies weist darauf hin, was für die Mütter und Väter des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat damals wichtig war. Es ist eben nicht die Sicherheit, sondern die Freiheit und die Grundrechte, die unser Grundgesetz prägen. Die Sicherheit ist diesen somit untergeordnet. Sie dient der Freiheit. Nicht umgekehrt!

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