Rechtsextremismus und Verfassungsschutz

So. Nun ist es raus: es gibt Terrorzellen in Deutschland! Jawollja! Nein, nein, nicht die üblichen islamistischen oder linksextremistischen Terrorzellen, vor denen immer gewarnt wird, sondern real existierende Gruppen, die jahrelang Menschen ermordern. Dummerweise handelt es sich aber um eine rechsextremistische Gruppierung und davor hat offenbar niemand gewarnt. Merkwürdig, oder? Spiegel schreibt jedenfalls: 

Nach Bekanntwerden der ersten Ermittlungsergebnisse zu den Döner-Morden hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) von "Rechtsterrorismus" in Deutschland gesprochen – eine Formulierung, die er so noch nicht benutzt hat. "Es sieht so aus (…), als ob wir es tatsächlich mit einer neuen Form des rechtsextremistischen Terrorismus zu tun haben", sagte er am Sonntag in Berlin.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich ebenfalls besorgt. Beim Hallenrundgang vor dem CDU-Parteitag in Leipzig sagte sie am Sonntag, die Vorgänge ließen Strukturen erkennen, "die wir uns so nicht vorgestellt haben. Deshalb heißt es, immer wieder wachsam sein, gegen jede Form von Extremismus. In diesem Fall wahrscheinlich auf Extremismus von der rechten Seite."

Deutlicher äußerte sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): "Die Informationen, die bisher vorliegen, zeigen ein erschütterndes Bild", sagte sie am Sonntag am Rande des FDP-Sonderparteitags in Frankfurt am Main. Die Bundesanwaltschaft ermittle seit Freitag mit Hochdruck. "Es muss mit Nachdruck und allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln aufgeklärt werden, welche Dimension rechtsextreme Netzwerke und Organisationen in Deutschland haben", sagte die Ministerin.

An diesen drei Aussagen kann man auch sehr schön erkennen, daß dieser Vorgang einer rechtsextremistischen Gruppierung anscheinend völlig überraschend auf der Bildfläche erschienen ist. Aber ist das wirklich so überraschend? Gibt es ansonsten nur linken und islamistischen Terror?

Ich bin ja eigentlich eher dafür, daß man nicht so häufig von Terror und Terroristen spricht. Die inflationäre Verwendung dieser Begriffe ist erschreckend. In erster Linie handelt es sich um Verbrecher, die in diesem Fall seit über 10 Jahren aktiv waren und mehrere Menschen umgebracht oder verletzt haben. Zum Terrorismus fehlt meiner Meinung nach aber die Absicht, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung durch diese Verbrechen beseitigen zu wollen, wie es zum Beispiel bei der Roten Armee Fraktion (RAF) der Fall war. Die Morde an ausländischen Einzelhändlern mögen politisch motiviert gewesen sein, aber sie waren wenig geeignet, eben jene freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es waren feige Morde und die Täter waren Mörder, jedoch keine Terroristen.

Wie aber konnten diese Verbrecher nun vor gut 10 Jahren aus der rechtsextremen Szene untertauchen und ihre Taten über all die Jahre hinweg unentdeckt begehen? Wurde die Gruppe vom Verfassungsschutz gedeckt? Vieles scheint darauf hinzudeuten, wie auch Spiegel schreibt: 

Auch der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, verlangt Informationen über die Ermittlungen gegen die mutmaßliche Terrorgruppe. Der CDU-Politiker fordert im selben Blatt: "Es muss aufgeklärt werden, wie es möglich war, dass das Trio zehn Jahre unbehelligt im Untergrund leben konnte."

Schon in der Samstagsausgabe der "Mitteldeutschen Zeitung" hatte CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl angemerkt, dass den jüngsten Erkenntnissen eine Verfassungsschutz-Affäre folgen könnte. "Ich habe das Gefühl, das wird noch sehr interessant", hatte der Politiker gesagt. Möglicherweise habe der Geheimdienst mehr über die Hintergründe der Taten gewusst, als bisher bekannt sei.

Merkwürdig ist, daß sich der Verfassungsschutz und andere Behörden meistens sehr in der Verfolgung der linksextremistischen Gefahr engagiert haben und dabei mit Massentelefonüberwachungen von Demonstrationsteilnehmern in Dresden und der Hausdurchsuchung eines Jenaer Pastors weit über das rechtsstaatliche Ziel hinausgeschossen sind. Schon bei den Demonstrationen gegen Nazis in Dresden und anderswo hatte man häufig, das vage Gefühl, daß die Nazis in Ruhe demonstrieren durften, während die Gegendemonstranten mit aller Gewalt daran gehindert wurden. Irgendwie gibt es da ein G’schmäckle…

Und nein, was wir jetzt sicherlich nicht brauchen, ist sicherlich kein Kompetenzzentrum gegen Extremismus. Wir brauchen Polizei und Sicherheitsbehörden, die sich wirklich an Recht und Gesetz halten und nicht meinen, sie stünden außerhalb dieser Rechte und Gesetze. Wenn sich nämlich bewahrheitet, daß der Verfassungsschutz da seine Finger im Spiel hat, dann hat sich dieser Verfassungsschutz unglaubwürdig und vor allem untragbar gemacht und gehört dann abgeschafft.

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2 thoughts on “Rechtsextremismus und Verfassungsschutz

  1. Hmm interessanten Fakten,
    Hmm interessanten Fakten, vielen Dank Windflüchter 🙂

    Ich kann mir die Vielzahl der Taten und dass das unentdeckt blieb, auch nicht erklären. Aber mal gesponnen, vielleicht probiert man auch so nur, möglichst viele ungeklärte Fälle einer Gruppierung anzuhängen? Keine Ahnung, ist mir aber plötzlich sehr sehr viel Echo…

    1. Naja, ob es Fakten sind, muss
      Naja, ob es Fakten sind, muss die Zeit noch zeigen. Im Moment sind es Anhaltspunkte bzw. Verdachtsfaelle. Aber merkwuerdig ist die ganze Sache schon. Und wenn selbst der Uhl gespannt darauf ist, “wie die Sache ausgeht”, dann verwundert mich das noch umso mehr…

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