Netzaktivisten? Nur wenn es sein muss…

Anfang 2009 hatte ich mich noch darüber beschwert, daß die Medien nur noch Berichte übernehmen und nicht mehr selber recherchieren und daß die Blogs in Deutschland eher unpolitisch seien. Nun, das hat sich dann sehr schnell gewandelt und die Blogs sind unter anderem dank Zensursula und des Zugangserschwerungsgesetzes sehr politisch geworden und haben einiges bewegt. Es hat sich eine neue Bewegung etabliert, die unter anderem auch dazu führte, daß nun 15 Abgeordnete der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus sitzen und daß die Netzpolitik nun in allen Parteien einen entsprechenden Stellenwert einnimmt.

In der Folge wurde viel von Netzaktivisten gesprochen und ich hab diesen Begriff auch häufig benutzt. Nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit dem Netzpolitischen Bier Rostock (#npbhro). Dabei verwende ich den Begriff Netzpolitik im Zusammenhang als "Politik aus dem Netz, für das Netz und im Netz" und es geht schon längst nicht mehr um Politik, die sich unmittelbar auf das Internet auswirkt wie es damals beim Zugangserschwerungsgesetz gewesen ist. Es geht nicht mehr nur um Netzsperren oder freie Downloads aus dem Netz. Sicherlich, viele Themen werden im Netz diskutiert und viele Netzaktivisten verbringen einen Großteil ihrer Aktivitäten im Netz. Deshalb ja auch der Name.

Aber ich habe das Gefühl, daß der Begriff Netzaktivist nicht mehr zutreffend für das ist, worum es den meisten Netzaktivisten geht. Die Diskussion um die Netzsperren bei Zensursula damalsfand zwar größtenteils im Internet statt, aber es ging bereits damals schon um Grundlegenderes: um Bürger- und Grundrechte.
Auch bei Themen wie Überwachung durch Kameras, Weitergabe von Passagierdaten, Datenübermittlung in die USA oder andere Drittstaaten beim SWIFT-Abkommen oder auch beim Geheimabkommen ACTA geht es im Grunde immer um Bürger-, Grund- und Menschenrechte.

Deshalb bin ich der Meinung, daß man nicht mehr von einer netzpolitischen Bewegung sprechen sollte, sondern von einer neuen Bürgerrechtsbewegung. Schließlich geht es hierbei nicht um etwas, das nur eine ominöse Netzgemeinde angeht, sondern diese Themen gehen alle anderen Menschen ebenfalls an. Das Internet ist lediglich das Medium, um sich zu vernetzen und miteinander zu kommunzieren, abzustimmen und Aktionen zu planen.

Und letztendlich muss man auch nicht nur von einer neuen Bürgerrechtsbewegung sprechen, sondern auch so handeln und agieren. Menschen im Netz, aber vor allem auch außerhalb des Netzes müssen aufgeklärt werden, wie sehr die eigenen Grundrechte mittlerweile schon bedroht sind. Beispiele gibt es viele: angefangen von den schon erwähnten Netzsperren, ACTA, PNR, ELENA, INDECT und wie all die anderen Gesetzesvorhaben heißen, die die Sicherheitspolitiker seit Jahren auf den Weg bringen, teilweise im Geheimen unter Ausschluß der Öffentlichkeit und von Parlamenten. Und allein das ist schon Grund genug, sich für seine eigenen Rechte zu engagieren, denn auf die Parlamente kann man sich eben deshalb nicht verlassen, weil diese Vorhaben gar nicht mehr von Parlamenten beschlossen werden, sondern von Regierungschefs, internationalen Anwaltskanzleien und Think-Tanks.

Wir können aber die Demokratie aber dadurch stärken, indem wir uns wieder selber stärker in die Politik einbringen. Indem wir uns bei jedem Vorhaben fragen, wem dieses Gesetz nützt und wo der Haken bei der Sache ist. Verbessert der Datenzugriff der Amerikaner auf die Passagierdaten oder die innereuropäischen Finanztransaktionen wirklich unser aller Sicherheit und verhindert Terroranschläge, wie uns diese Sicherheitspolitiker immer Glauben machen wollen, oder steckt da etwas anderes dahinter? Warum darf man keinen normalen Packungsgrößen von Zahnpasta, Duschgel oder Haarshampoo mit ins Flugzeug nehmen, sondern muss Sondergrößen kaufen und diese noch dazu in einer wiederverschließbaren Plastiktüte verpacken? Einen Sicherheitsgewinn kann ich dabei nicht erkennen, wohl aber eine Einschränkung meiner Freiheits- und Persönlichkeitsrechte.

Es gibt soviele andere Beispiele, wie unsere Grundrechte immer mehr eingeschränkt werden, obwohl das Grundgesetz uns diese Grundrechte aus guten Gründen als Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber des Staates zugesichert hat. Freiheit muss jeden Tag aufs Neue verteidigt werden. Wenn wir von Bürgerrechtlern statt von Netzaktivisten reden, spiegelt dies wieder, daß es eben nicht allein um Themen des Internets geht, sondern es alle Menschen betrifft.

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