30 Jahre Friedensbewegung gegen Nato-Doppelbeschluß

Wie ich bereits gestern in einem Beitrag kurz erwähnt habe: am 10. Oktober 1981 versammelten sich 300.000 Bürger im Bonner Hofgarten, um gegen den Nato-Doppelbeschluß und der damit verbundenen Stationierung von Pershing-II Atomraketen in Deutschland zu demonstrieren. Der Friedensbewegung also einen herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren Protestbewegung!

Auch wenn heutzutage auch noch manchmal hunderttausende für Anti-Atom Proteste auf die Straße gehen, so ist die Größe damaliger Demonstrationen immer noch außergewöhnlich. Wikipedia schreibt hierzu: 

Eine der ersten großen Friedensdemonstrationen fand anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentages im Juni 1981 in Hamburg statt. Am 10. Oktober 1981 demonstrierten im Bonner Hofgarten mehr als 300.000 Menschen friedlich gegen Atomwaffen; am 25. Oktober 1981 demonstrierten 200.000 Menschen in Brüssel, am 21. November 400.000 Menschen in Amsterdam. In Bonn fand anlässlich eines Staatsbesuches von US-Präsident Ronald Reagan am 10. Juni 1982 eine Friedensdemonstration mit ca. 500.000 Menschen statt. Auch die Ostermärsche mobilisierten 1981–84 regelmäßig Hunderttausende in zahlreichen Städten und Regionen Westdeutschlands. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) 1983 in Hannover waren es wieder Hunderttausende, und am 22. Oktober 1983 demonstrierten in Bonn, Berlin, Hamburg sowie zwischen Stuttgart und Ulm insgesamt 1,3 Millionen Menschen. Zwischen Stuttgart und Ulm entstand eine durchgehende Menschenkette. Weitere Großdemonstrationen folgten in Brüssel (am 23. Oktober 1983, mit 400.000 Menschen) und in Den Haag (am 29. Oktober 1983, mit 550.000 Menschen).

300.000, 400.000, 500.000 und sogar 1.3 Mio Menschen, die gegen die damalige Politik protestiert haben. Das sind Mengen, von denen heutige Demonstrationen bisher nur noch träumen können. Doch was brachte die Menschen damals in solchen Massen auf die Straße?

Die Zeit war damals zweifelslos eine andere. Die Menschen waren nach 1968 sehr viel politischer als heutzutage. Sie hatten nicht nur eine politische Meinung wie heute, sondern sie diskutierten auch darüber und gingen für ihre Überzeugung auf die Straße. Und die Situation tat ein übriges dafür: nicht nur, daß sich die Generation der 68er damals emanzipierte, sondern die Menschen in Deutschland waren stets damit konfrontiert, daß alles mit einem großen Knall vorbei sein könnte. Ich kann da allerdings nur für die westdeutsche Bundesrepublik reden, bin mir aber ziemlich sicher, daß auch den Bürgern in der damaligen DDR die Bedrohung durch Atomraketen allgegenwärtig war.

Jederzeit konnte es zum atomaren Schlag kommen. Jederzeit hätte jemand auf der einen oder anderen Seite des Eisernen Vorhangs irgendwelche Radarechos oder sonstige Informationen fehlinterpretieren und auf den Knopf drücken können, um damit den Start von Kurz-, Mittel- oder Langstreckenraketen mit atomaren Sprengköpfen auszulösen – und damit die Menschheit faktisch auszuloöschen. Diese Angst war sehr real und allgegenwärtig. Die Geschichte hat dann im Nachhinein gezeigt, daß die Welt in der Tat nicht nur einmal wie vor Kuba knapp dem Exodus entgangen ist.

Damals als 8jähriger bekam ich natürlich die Nachrichten in Tagesschau und Heute mit. Mehr Programme gab es damals ja noch nicht, aber das hat schon damals ausgereicht, um einen Eindruck von der Bedrohung zu haben. Es ist nun nicht so, daß wir als Schüler in der Grundschule über Politik oder Atomraketen gesprochen hätten – dazu waren wir zweifelslos zu sehr Kinder. Aber unterschwellig verstanden wir durchaus, daß es da zwischen Ost und West etwas gab, was bedrohlich für uns alle sein konnte. Und ich kann mich durchaus an Gedanken in späteren Jahren erinnen, wo ich überlegte, was bei einem Atomkrieg das Beste sei: irgendwo hinfahren, wo man vielleicht eine Überlebenschance hätte? Oder doch dorthin, wo mit Sicherheit eine Atomrakete einschlagen wird, also wo es dann wenigstens schnell zu Ende sein und man nicht viel davon mitbekommen würde, weil man einfach im Atomblitz verdampfen würde.

Wenn also schon ich als 8jähriger Knirps mitbekomme, daß es eine existenzbedrohende Gefahr existiert, die durch die Atomraketen in Ost und West repräsentiert wird, wie offensichtlich muss das also Erwachsenen gewesen sein, die mehr verstanden und mitbekamen als wir Kinder? Daher ist es nur zu gut verständlich, warum die Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre soviele Menschen mobilisieren konnte. Schließlich ging es letztendlich irgendwie um Leben oder Tod jedes Einzelnen.

Und heute? Heute geht es nicht mehr um die Bedrohung durch Atomraketen. Der Eiserne Vorhang ist gefallen, die nukleare Abrüstung hat begonnen, auch wenn noch immer genügend Atombomben vorhanden sind, um die Menschheit mehr als einmal zurück in die Steinzeit zu bomben. Doch die gefühlte Bedrohung kommt nun nicht mehr von den Atommächten. Sie ist einer anderen existentiellen Bedrohung gewichen: statt der Bedrohung von Leib und Leben geht es nun um die Bedrohung unseres Wohlstands und unserer Freiheiten. 

Der Wohlstand ist mittlerweile durch raffgierige Finanzhaie bedroht. Immer weniger Leute besitzen immer mehr Eigentum und Geld. Immer mehr Leute besitzen immer weniger und verdienen immer weniger Geld. Vielen reicht ein Job allein nicht mehr zum Überleben. Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf und haben keine Perspektive, aus dieser Armut jemals wieder heraus zu kommen. Die Politik kürzt bei sozialen Leistungen, schmeißt aber immer mehr Millarden an Euros und Dollar in den Rachen der Finanzbranche. Die Leute können das schon lange nicht mehr verstehen. Und sie gehen seit kurzem wieder auf die Straße, um eine Änderung des Systems zu fordern. In den USA fingen die Proteste in der New Yorker Wallstreet an: unter dem Hashtag #occupywallstreet gingen die Demonstranten direkt dorthin, wo sie das Übel dieser Zeit verorten. Und die Proteste weiten sich aus. In den USA. Und auch weltweit.

Unsere Freiheit ist durch zahlreiche Gesetze seit über 20 Jahren bedroht. Lesern dieses Blogs muss ich dazu nicht mehr viel erzählen. Und auch hier setzen sich Menschen ein und gehen für ihre Überzeugung auf die Straßen. So waren am 10. September über 5000 Menschen bei der "Freiheit statt Angst" Demonstration in Berlin.

Doch von den Menschenmassen der Friedensbewegung sind beide noch weit entfernt. Aber wie lange noch? Werden die Proteste zunehmen? Gibt es wieder eine weltweite Protestbewegung? Zu wünschen wäre es jedenfalls. Für uns alle.
Deshalb macht es vielleicht auch Sinn, einmal auf die Vergangenheit zurückzublicken und zu schauen, was die Menschen damals bewegte. Und was man von der damaligen Protestbewegung lernen und was man für die heutigen Proteste übernehmen kann?

30 Jahre seit der großen Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten gegen den NATO-Doppelbeschluß. Gelegenheit, inne zu halten und zu reflektieren, was in den letzten 30 Jahren alles so schiefgelaufen ist. 

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2 thoughts on “30 Jahre Friedensbewegung gegen Nato-Doppelbeschluß

  1. Und auch vor 30 Jahren wurden wir schon verarscht
    Ich war damals 20 und hier in Bayern konnten wir auch den ORF via Antenne empfangen. Es war schon ein seltsames Gefühl, in den deutschen Nachrichtensendungen zu sehen wie der Bundestag anscheinend über den Doppelbeschluß debattiert und in den ORF-Nachrichten zu sehen, wie die ersten Pershing-II in Deutschland stationiert werden. Und das am gleichen Tag.

    1. Das ist aber ein generelles
      Das ist aber ein generelles Problem mit der Politik. Ebenso wie damals die Sache mit den Pershing II Raketen, laesst sich heutzutage kaum das Millarden-Grab Griechenland/Banken vermeiden. Damals war die Notwendigkeit das Gleichgewicht der Maechte, heute ist es das Bewahren unseres Wohlstands ohne grossartig in die Maerkte einzugreifen und diese neu zu ordnen.

      Gefaellt sicherlich niemanden, aber ist wohl leider eine Notwendigkeit.

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