Grundrechte- statt Religionsunterricht

Auf Twitter flutschte vor ein paar Tagen ein ReTweet an meinen Augen vorbei, den ich sehr bemerkenswert fand. Rene Brosig schreibt darin: 

Shinto GenSek Saarland: "In jeder Schule gibt es Religionsunterricht aber kein Fach über Grundrechte"

Erscheint auf den ersten Blick als Unsinn, weil vermutlich fast jeder von uns, zumindest die in den alten Bundesländern, mit Religionsunterricht in der Schule aufgewachsen sind. In einigen Schulen gab es alternativ zu Reli auch noch das Fach "Werte und Normen". Parallel dazu zumindest bei uns an der Schule in der Oberstufe dann auch noch Sozialkunde, wo einem etwas über das politische System und so beigebracht wurde.

Auf dem zweiten Blick finde ich die Idee aber eigentlich ganz gut, da ich in den letzten Jahren festgestellt habe, daß die Grundrechte bei vielen offensichtlich nicht mehr den Stellenwert haben, den sie haben sollten. Irgendwie habe ich sogar das Gefühl, daß die Bedeutung oder vielmehr die Wertschätzung der Grundrechte seit der Wende und Wiedervereinigung zurückgegangen ist. Das hat wohl damit zu tun, daß wir nun nicht mehr jeden Tag die Bedeutung dermaßen eklatant vor Augen geführt bekommen, wie es damals vor der Wende mit der Mauer der Fall war. Damit konnte jeder eindrücklich sehen und begreifen, was es zum Beispiel heißt, wenn das Grundrecht der (Reise-)Freiheit eingeschränkt ist. Ebenso war das Grundrecht der Rede- und Meinungsfreiheit allgegenwärtig, weil es auch in der DDR politisch Inhaftierte gab.

Im Jahr 1989 reklamierten dann die DDR-Bürger ihre Grundrechte für sich und gingen dafür auf die Straßen. Und sie hatten damit Erfolg. Danach wurden die Grundrechte aber wohl selbstverständlich, weil ja eben die offensichtliche Mauer fehlte, die einem den Wert dieser Rechte vor Augen führte. Und man konnte reisen und kam nicht mehr ins Gefängnis, wenn man die Regierung kritisierte.

Daß aber die Grundrechte immer noch in Gefahr sind und immer wieder erneut verteidigt und zurückerobert werden müssen, zeigen die letzten 20 Jahre, in denen erst mit dem Argument des Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität und dann, nach dem 11. September 2001, gegen den internationalen Terror die Grundrechte im Namen einer übertriebenen Sicherheitspolitik zu opfern. Eine Gesellschaft aber, die Grundrechte abschafft um Sicherheit zu gewinnen, nennt sich nicht mehr frei, sondern diktatorisch. Oder Polizeistaat, wenn ein einzelner Diktator fehlt. Oder Überwachungsstaat.

Deshalb fände ich es gut, wenn in der Tat in der Schule schon von früh an entsprechende Werte und Normen gelehrt werden. Was sind Grundrechte? Woher kommen diese Grundrechte? Warum müssen Grundrechte immer wieder verteidigt werden und wieso sind sie gefährdet? Warum heißt unsere Verfassung nicht Verfassung, sondern Grundgesetz und wieso hat der parlamentarische Rat die Grundrechte an den Anfang des Grundgesetzes gestellt? Worin unterscheidet sich das Grundgesetz von anderen Verfassungen und insbesondere der Weimarer Verfassung?

All das sollte ein Schüler in Deutschland lernen, egal welcher Religion er angehört. Wer die Schule abschließt, sollte bestens über seine Grundrechte informiert sein und warum es so wichtig ist, daß man sie hat und daß man sie verteidigt.

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