Wikileaks und die US-Botschaftsdepeschen

Gestern abend hat Wikileaks über 250.000 Depeschen der US-Botschafter veröffentlicht. Spiegel Online ist dabei für den deutschsprachigen Raum die Partner-Seite von Wikileaks und damit mehr oder weniger die erste Anlaufstelle zu diesem Thema.

Das ist insofern interessant, als daß darin auch viele Einschätzungen über Politiker weltweit enthalten sind, die wenig zimperlich sind. So etwa zum Beispiel über Kanzlerin Merkel

Sie habe den Ton der transatlantischen Beziehungen verbessern wollen, stellt der ehemalige US-Botschafter William Timken in einer Depesche von Ende 2006 fest. Nur habe sie "keine mutigen Schritte unternommen, um den substantiellen Inhalt dieser Beziehung zu verbessern". Generell fremdeln die US-Vertreter mit Merkel, intern wird sie in den Berichten "Angela ‘Teflon’ Merkel" genannt, weil viel an ihr abgleite. "Sie meidet das Risiko und ist selten kreativ", heißt es im März 2009. Die Kanzlerin sehe internationale Diplomatie vor allem unter dem Gesichtspunkt, welchen Profit sie innenpolitisch daraus ziehen könne. Allerdings wird das Bundeskanzleramt in außenpolitischen Fragen als besserer Ansprechpartner gesehen als das Auswärtige Amt. Die schwarz-gelbe Koalition wird skeptisch gesehen. Merkel habe das "Joch der Großen Koalition abgeschüttelt, nur um jetzt mit einem FDP-CSU-Doppel-Joch belastet zu sein", heißt es in einer Depesche vom Februar 2010.

Erstaunlich wie offen und ehrlich und vor allem zutreffend die Einschätzungen der US-Diplomaten sind. Fefe weist übrigens auf die gestrige Anne-Will-Sendung (Mediathek) hin, in der über die Depeschen diskutiert wurde.

Mal schauen, was unsere Qualitätjournalisten da in den nächsten Tagen noch alles so ausgraben – und welche Auswirkungen das für die USA haben wird. Ich vermute aber: nach einer kleinen Aufregung wird es Business as usual geben.

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2 thoughts on “Wikileaks und die US-Botschaftsdepeschen

  1. Der Skandal liegt ja nicht im
    Der Skandal liegt ja nicht im eigentlich Gesagten. Ich denke, dass solche und ähnliche Einschätzungen über Politiker völlig normal in der Welt der Diplomatie sind. Ich will nicht wissen, was deutsche Spitzendiplomaten über die Regierung Bush II. nach Berlin gemailt haben.

    Schlimm ist, dass durch das Datenleck einerseits Vertrauen auf Diplomatenebene zerstört wurde, was gerade bei konfliktionären Beziehungen die Handlungsmöglichkeiten einengt. Da muss man nur mal an das denken, was über die Türkei geschrieben wurde – oder der vorsichtig-wohlwollende Umgang mit Jordanien.

    Und zuletzt bin ich mal gespannt, wie Otto-Normal-Verbraucher das Ganze einschätzen und an die berühmten Stammtische tragen wird.

    1. Ich weiss nicht, ob das mit
      Ich weiss nicht, ob das mit dem Datenleck und dem Vertrauensverlust bei Diplomaten nun so schlimm ist. Vielleicht traegt das ganze dann auch zu einer Versachlichung der Kommentare statt subjektiver, persoenlicher Eindruecke bei?

      Ich sehe die Veroeffentlichung auch nicht als grossen Geheimnisverrat oder besonders grossen Coup von Wikileaks an, sondern vielmehr als eine nette Anekdote, die vieles bestaetigt, was man eh schon vermutete.

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