Der Castor und die Politik

Der Castor ist am Dienstag Morgen noch immer nicht an seinem Ziel angekommen. Die Castor-Gegner haben gestern die Zufahrt von der Verladestation zum Zwischenlager erfolgreich lange Zeit wieder blockiert. Es ist erstaunlich, mit welchen Mitteln und wie kreativ die Gegner dabei manchmal vorgehen. Doch den Politikern der Union fällt hingegen nichts Kreatives ein. So gab es bereits gestern im TAZ Live-Ticker folgendes zu lesen: 

7.25 Uhr: "Schuld sind die gewaltsamen Atomgegner"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat laut der Agentur reuters Forderungen aus Niedersachsen nach einer gerechteren Verteilung der Kosten für den massiven Polizeieinsatz beim Castor-Transport eine Absage erteilt. Es sei einheitliche Regel, dass die Bundesländer sich gegenseitig die Kosten für ihre eingesetzten Polizisten in Rechnung stellten, sagte Herrmann am Montag im Deutschlandfunk. So werde Niedersachsen für die rund 500 bayerischen Polizisten, die zur Sicherung des Castor-Transportes eingesetzt seien, aufkommen.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) hatte eine gerechtere Verteilung der Lasten gefordert, die durch die Absicherung der Transporte entstehen. Er beklagte, dass sein Land zwar eine nationale Aufgabe erfülle, aber allein für die 20 bis 25 Millionen Euro aufkommen müsse, die der Polizeieinsatz je Castor-Transport koste. "Das ist und bleibt eine Ungerechtigkeit", sagte der CDU-Politiker am Sonntag ebenfalls im Deutschlandfunk.

Herrmann hielt dagegen, dass man nicht über die Verteilung der Kosten streiten, sondern folgendes klar machen müsse: "Gäbe es diese illegalen, gewalttätigen Demonstranten nicht, gäbe es die Kosten nicht." Sie seien die Verursacher der Kosten. "Man muss sich eher fragen, warum die nicht die Kosten zahlen." (reuters)

Das ist halt die Denke von diesen komischen Konservativen aus Bayern: erst bei sich die meisten Kernkraftwerke hinstellen, dann aber den Müll bei anderen im Garten entsorgen und diese dann auch noch beschimpfen, wenn die Leute dort davon nicht begeistert sind. und sich wehren.

CSU-Mann Hermann sollte sich mal wieder das Grundgesetz als Lektüre vornehmen, denn Demonstrationen sind keineswegs illegal, sondern vom Grundgesetz als Grundrecht gedeckt. Daß es von Seiten der Demonstranten auch einzelne Übergriffe geben mag, ist genauso verwerflich wie vereinzelte Übergriffe von überforderten und übermüdeten Polizisten. Das macht die Demonstranten in toto aber weder illegal noch gewalttätig. Auch bei der Kostenbeteiligung greift Hermann in seiner Denkweise zu kurz. Ursächlich ist nämlich die Politik, die Gorleben nicht nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten als Zwischen- und Endlager ausgewählt hat, sondern aus rein politischen. Das ist natürlich bei einer Lagerzeit von 1 Mio. Jahren völlig in akzeptabel. Hier muss vorbehaltlos (oder wie die Politiker neuerdings gerne sagen: alternativlos) nach dem bestmöglichen und sichersten Endlager gesucht werden. Zudem fällt nun nach dem Ausstieg aus dem Atom-Ausstieg vermehrt gefährlicher Atommüll an.

Das Magazin Panorama vom NDR hat übrigens eine sehenswerte Reportage über das Thema. Zu sehen bei Youtube in drei Teilen

Die derzeitige Atompolitik ist also absolut nicht an Sachzwängen ausgerichtet, sondern an politischen Schachereien, die ihren Ursprung in den 70er Jahren haben. Und gleichzeitig sprechen die Unionspolitiker dem Widerstand ihr garantiertes Grundrecht zu demonstrieren ab.

Einen lesenswerten Kommentar von Martin Kaul ist übrigens bei der TAZ zu lesen: 

Denn politischer Widerstand gegen die inakzeptable Atompolitik der Bundesregierung vermag nur dann den Verantwortlichen zuzusetzen, wenn er sowohl in die Breite wächst als auch tatsächlich stört. Gewöhnlich gilt ja: Wird eine Bewegung breiter, also bürgerlicher, dann tut sie niemandem mehr weh. Radikalisiert sie sich hingegen, wendet sich die breite Masse ab. Am Wochenende jedoch gelang den AtomkraftgegnerInnen die fruchtbare Verbindung beider Phänomene. So hat sich die Struktur der Protestgemeinde im Vergleich zu den Vorjahren entscheidend verändert: Wer früher mit der Bewegung sympathisierte, aber trotzdem zu Hause blieb, geht heute zur Demo. Wer dort schon mal war, ist jetzt Sitzblockierer. Und aus geübten Blockierern sind nunmehr "Schotterer" geworden, die offen Sabotageakte ankündigen, also mit Gefängnisstrafen und Prügelorgien rechnen müssen.

Da es in Deutschland keinen Volksentscheid wie in der Schweiz (Panorama Reportage) gibt, bleibt den Bürgern nur das Mittel der Demonstration und als ultimo ratio das des (gewaltlosen) Widerstands. Die Wahlen alle paar Jahre sind wohl als ungeeignet anzusehen, da dort nicht über einzelne Themen abstimmen kann. Eigentlich hat man nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Auch wenn ich tendentiell eher gegen häufige Volksentscheide bin, weil sie auch mißbraucht werden können, um populistische Meinungen durchzusetzen, würde ich mir einen Volksentscheid bei grundlegenden Fragen wünschen, die die Allgemeinheit betreffen.

Im nächsten Jahr sind jedoch zuerst einmal ein paar Landtagswahlen. Unter anderem in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Es dürfte durchaus interessant werden, wie der Wähler dann entscheidet.

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