Abmahnwahn vs. Meinungsfreiheit

… zumindest wenn es arg schlimm kommt. Aber bisher ist nur eine der beiden Platten im RAID des Servers ausgefallen, so daß ich hoffe, daß die Selbstzerstörung dann doch nicht eintritt. Außerdem hab ich ja auch noch ein mehrfaches Backup. 😉
Wie auch immer: nachdem ich heute per Zufall mal auf die dom0 geschaut habe und dort in “cat /proc/mdstat”, um spaßeshalber mal nach dem Wohlbefinden des RAIDs zu schauen, war es mit dem Spaß vorerst vorbei. Denn dort begrüßte mich dies:

md3 : active raid1 sda5[0]
349405568 blocks [2/1] [U_]

Also hab ich mal die fehlerhafte Partition aus dem RAID entfernt und mit badblocks überprüft, in der Hoffnung, dass sich die Partition nur einmal verschluckt hat und aus dem RAID gefallen ist. Aber das Syslog verriet mir dann noch folgendes:

May 5 16:25:59 gate kernel: ata2: EH complete
May 5 16:25:59 gate kernel: SCSI device sdb: 781422768 512-byte hdwr sectors (400088 MB)
May 5 16:25:59 gate kernel: sdb: Write Protect is off
May 5 16:25:59 gate kernel: sdb: Mode Sense: 00 3a 00 00
May 5 16:25:59 gate kernel: SCSI device sdb: drive cache: write backMay 5 16:26:02 gate kernel: ata2.00: exception Emask 0x0 SAct 0x1 SErr 0x0 action 0x0
May 5 16:26:02 gate kernel: ata2.00: (irq_stat 0x40000008)
May 5 16:26:02 gate kernel: ata2.00: tag 0 cmd 0x60 Emask 0x9 stat 0x41 err 0x40 (media error)
May 5 16:26:02 gate kernel: ata2: EH complete
May 5 16:26:02 gate kernel: SCSI device sdb: 781422768 512-byte hdwr sectors (400088 MB)
May 5 16:26:02 gate kernel: sdb: Write Protect is off
May 5 16:26:02 gate kernel: sdb: Mode Sense: 00 3a 00 00
May 5 16:26:02 gate kernel: SCSI device sdb: drive cache: write back
May 5 16:26:05 gate kernel: ata2.00: exception Emask 0x0 SAct 0x1 SErr 0x0 action 0x0
May 5 16:26:05 gate kernel: ata2.00: (irq_stat 0x40000008)
May 5 16:26:05 gate kernel: ata2.00: tag 0 cmd 0x60 Emask 0x9 stat 0x41 err 0x40 (media error)
May 5 16:26:05 gate kernel: sd 1:0:0:0: SCSI error: return code = 0x08000002
May 5 16:26:05 gate kernel: sdb: Current: sense key: Medium Error
May 5 16:26:05 gate kernel: Additional sense: Unrecovered read error – auto reallocate failed
May 5 16:26:05 gate kernel: end_request: I/O error, dev sdb, sector 199260761
May 5 16:26:05 gate kernel: Buffer I/O error on device sdb5, logical block 29163617
May 5 16:26:05 gate kernel: ata2: EH complete
May 5 16:26:05 gate kernel: SCSI device sdb: 781422768 512-byte hdwr sectors (400088 MB)
May 5 16:26:05 gate kernel: sdb: Write Protect is off
May 5 16:26:05 gate kernel: sdb: Mode Sense: 00 3a 00 00
May 5 16:26:05 gate kernel: SCSI device sdb: drive cache: write back

So, und nun lasse ich die Platte mal besser tauschen, eh da noch was schlimmeres passiert… 🙂

UPDATE:
Zusammen mit dem Hoster 19:30 als Zeitpunkt für den Plattenwechsel ausgemacht, um 19:40 lief der Rechner wieder. Derzeit muss noch das RAID ein bißchen rebuilden, aber ansonsten läuft wieder alles. Super schneller Service! 🙂

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3 thoughts on “Abmahnwahn vs. Meinungsfreiheit

  1. Na, das kommentiere ich doch gern:

    1. Man muss aber auch sehen, daß nicht alle diese Alphablogger ausgebildete Journalisten sind, die sich eventuell auf ihren presserechtlichen Sonderstatus berufen können.

    Doch, klar: Nicht die Auflage bestimmt den rechtlichen Status. Und “Journalist” ist kein geschützter Beruf oder fester Ausbildungsgang. Der Begriff des Journalisten oder der Presse ist gesetzlich noch nicht mal fix definiert. Viele bekannte Journalisten haben nie eine förmliche Ausbildung durchlaufen… Es gilt: Wer sich mit journalistisch-redaktionellen, sprich meinungsbildenden Inhalten, via Internet an die Öffentlichkeit wendet, ist wie ein Journalist privilegiert und verpflichtet – denn auch dessen Pflichten, aber auch Privilegien, ergeben sich letztlich aus den Art. 5, 2 und 1 GG und nicht aus speziellen Gesetzen für eine Berufsgruppe.

    2. Inzwischen scheinen mir Abmahnungen aber eher ein Mittel geworden zu sein, um unliebsame Äußerungen aus der Welt zu schaffen und Kritiker mundtot zu machen, da diese häufig die hohen Kosten, die mit einem Widerspruch und somit einem Gang vor ein Gericht verbunden sind.

    Ja, rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme von Abmahnung und Gerichten kann in der Praxis in der Tat für den Betroffenen ein (wirtschaftliches) Problem sein. Nur, dieses ist dennoch Teil des allgemeinen Lebensrisikos, wie ich mich auch sonst nicht generell und von vornherein vor anderen falschen Beschuldigungen, Rechnungen oder selbst Straftaten schützen kann, sondern damit (leider) umgehen muß und mich dagegen wehren sollte, wenn es mich eben trifft. Das Begehren der Opfer, die weitere Verbreitung falscher und schädlicher, rechtswidriger Äußerung zu verhindern, finde ich aber völlig legitim. Daher muß ihnen diese Möglichkeit erhalten bleiben, selbst wenn die Gefahr von Mißbrauch besteht. “Casus sentit dominus” – es kann einem leider keiner abnehmen, sich gegen rechtsmißbräuchliche Ansprüche wie auch andere Lebensrisiken zu wehren.

    Zudem: In Deutschland ist das doch eigentlich ganz vernünftig gelöst. Kostenrisiko entsteht doch nur für eigene Äußerungen und solche, die man sich “zu Eigen macht”. Und, wer sich massenmedial und öffentlich äußert (das ist nun mal im Internet so), der muß wissen, dass mit zunehmende Relevanz an ihn auch ein zunehmender Maßstab an journalistischer Sorgfalt gelegt werden kann.

    3. Dies wird, wie bereits erwähnt, durch den fliegenden Gerichtsstand verschlimmert, indem ich mir ein mir gewogenes Gericht aussuchen kann. Vielmehr sollte die politische Forderung erst einmal sein, den fliegenden Gerichtsstand abzuschaffen.

    Wieso? Ein Blick in die liberale Schweiz zeigt, dass man das sogar noch steigern kann. Dort darf man bei Verletzungen im Internet u.U. nicht nur den Gerichtsstand wählen, sondern sogar das Recht, das vor dem Schweizer Gericht zur Anwendung kommen soll. Das führt dann noch zu viel krasseren Ergebnissen. Trotzdem redet hier nie einer von der Schweiz… Ich denke daher, nicht die Wählbarkeit des Gerichtsstands ist das Problem, sondern die Möglichkeit des “Forum-Shoppings”, also die Möglichkeit, bei einstweiligen Verfügungsverfahren es bei verschiedenen Gerichten probieren zu dürfen, bis ich eines finde, dessen Meinung sich mit meiner deckt. Nur, das ist eigentlich auch in Deutschland nicht vorgesehen, sondern lediglich Ergebnis unseres Föderalismus. Ich habe inzwischen aber das Gefühl, dass einige Kollegen diesbezüglich überziehen und daher die Quittung bekommen werden. Vielleicht bedarf es dazu noch nicht mal einer Tätigkeit des Gesetzgebers…

    4. Zum anderen gehört es zur Meinungsfreiheit dazu, daß man diese eben auch äußern darf. Eine Meinung erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit. Nur in äußersten Fällen sollte somit eine klar erkennbare oder entsprechend deklarierte Meinungsäußerung auch abmahnwürdig sein.

    Ja, genau. Art. 5 GG ist doch auch völlig eindeutig: Meinungsäußerungen sind absolut geschützt. Aber nicht alles ist eine geschützte Meinungsäußerung – selbst wenn es als solche “deklariert” ist. Manchmal versuchen “ganz Schlaue” z.B. eine Tatsachenbehauptung oder Verleumdung sprachlich als Meinung zu tarnen, oder als Frage. Bsp: “Haben Sie inzwischen eigentlich aufgehört, Ihre Frau zu schlagen?”. Das der Betroffene sich dagegen wehren kann, weil das eben nicht mehr von der Meinungsäußerung gedeckt ist, finde ich völlig OK.

    Ich erlebe in meiner Praxis übrigens nicht, dass Gerichte mit den Verfügungen leicht bei der Hand wären. Im Gegenteil: Oft werden selbst m.E. eindeutig falsche Tatsachenbehauptungen als zulässige Meinungsäußerungen gewertet und der Betroffene muß (auf seine Kosten) den Antrag zurückziehen und bleibt auf seinen Kosten sitzen. Das erfährt natürlich nur keiner…

    5. daß man dann einen Anruf oder eine Email von Firma XYZ bekommt und unverhohlen mit einer Abmahnung gedroht wird. Dies ist zwar schon die bessere Variante als die Abmahnung direkt zu kassieren, führt aber dennoch dazu, daß man im vorauseilenden Gehorsam dann doch seine Meinung wieder löscht. Also seine eigene Meinung zensiert.

    Glaub ich sofort, dass es solche Anrufe gibt. Selbst bei dem Beispiel, dass bei entsprechender Vorgeschichte von der Meinungsäußerung gedeckt ist. Viele Drohungen sind eben totaler Quatsch. Dass man sich davon beeindrucken läßt, hängt eben m.E. auch mit übertriebenen oder schlicht falschen Darstellungen in der Bloggosphäre zu dem Thema zusammen: “Anwälte/Abmahnung ganz schlimmes Risiko, unglaubliche Kosten, keine Chance weil böse Richter, Zensur…” Daher kritisiere ich ja auch den Stefan Niggemeier, den ich ansonsten sehr schätze. Aber, eines ist auch klar: Nur weil man einen Blog (und damit ein Massenmedium) mit wenigen Klicks eröffnen kann, heißt es nicht, das man auch alles ohne Risiko veröffentlichen darf!

    6. Wenn ich mich nicht mehr traue, meine Meinung zu äußern, weil ich befürchten muss, abgemahnt zu werden und dafür Unsummen, die meistens in keinem Verhältnis stehen, zahlen soll, dann ist das defacto die Abschaffung der Meinungsfreiheit.

    Ja, daher habe ich ja auch in meinem Kommentar zum Artikel auf dem Niggemeier-Blog vorgeschlagen, besser über Lösungen nachzudenken und zu diskutieren, die das Kostenrisiko reduzieren. Besser als die Forderung, die richterliche Kontrolldichte zu schmälern. Dass bei uns ein Streit zwischen den Beteiligten ein Richter entscheidet, auf der Grundlage von Gesetzen, finde ich nämlich auch hinsichtlich streitiger Äußerungen besser, als eine “Faust in die Fresse”, wie woanders bei dem Thema üblich 🙂 Auch bei der Gefahr von Fehlurteilen wird nämlich so nicht die Meinungsfreiheit abgeschafft, sondern vielleicht nur die ein oder andere schädliche und rechtswidrige Beleidigung, Verleumdung oder Falschbehauptung an der weiteren Verbreitung gehindert.

  2. Ad 1)
    Ja, bei manchen Alphabloggern sehe ich einen direkten Vergleich mit herkoemmlichen Journalisten durchaus als gerechtfertigt an. Beim Otto-Normal-Blogger wie mir hingegen nicht.

    Ad 2)
    Muss der Abmahner derzeit ernsthaft damit rechnen, auf entsprechenden Kosten sitzen zu bleiben? Meinem Empfinden nach nicht. Zumal er ja auch gar nicht ernsthaft abmahnen, sondern lediglich damit drohen muss, um seine Ansprueche durchzusetzen.
    Bzgl. Gegendarstellung: da sehe ich nicht so recht die zusaetzlichen Kosten oder den Mehraufwand, wenn ich der Firma anbiete, dass sie mir einen Text schreiben kann, den ich dann an gleicher Stelle veroeffentliche. Da sind Blogs vielleicht auch im Vorteil zu Printmedien, wo dann ueber den Ort der Gegendarstellung verhandelt wird. Bei einem Blog kann ich die Gegendarstellung im gleichen Artikel auch noch nachtraeglich unterbringen, so dass beides zusammen auch von Suchmaschinen gefunden wird. Da sehe ich eigentlich einen Vorteil fuer die Gegendarstellung gegenueber einer Abmahnung mit einer damit verbundenen Löschung. Denn bis der Artikel geloescht ist, hat Google den eh schon im Cache. Wenn ich den Artikel update, bekommt Google dies auch mit und updatet seinen Cache.

    Ad 4)
    Ja, es ist absolut wünschenswert, dass sich potentielle Abmahner auf Augenhoehe im Vorfeld mit dem Blogger in Verbindung setzen. Allerdings sollte es eben nicht immer gleich darauf hinaus laufen, dass dann mit einer Abmahnung gedroht wird, ala “also wir wollen ja nicht abmahnen, aber wenn du den Artikel nicht loescht, dann tun wir das trotzdem!” Das ist dann fuer den Betroffenen aehnlich schlimm wie eine kostenlose Abmahnung: er fuehlt sich in seiner Meinungsfreiheit eingeschraenkt. Das ist ein subjektives Empfinden und mag rechtlich gesehen voellig anders sein. Der Blogger aber bekommt ein negatives Bild vom Rechtssystem, wenn er den Eindruck hat, dass seine Meinungsfreiheit nichts mehr zaehlt.
    Wenn beide Seiten die Meinung der anderen Seite als solche akzeptieren und damit auch entsprechend umgehen, waere das die beste Loesung. Bisher hab ich aber (immer noch) das Gefuehl, dass das Mittel der Abmahnung eher dazu benutzt wird, um eine negative Berichterstattung aus der Welt zu bekommen. Das hat noch nicht einmal immer was mit Geschaeftsschadigung, Ehrabschneidung oder Beleidigung zu tun. Wenn ein Blogger ueber seine Erfahrungen mit einem Provider schreibt und das anhand von Emails auch belegen kann, dann ist das kein Grund fuer eine Abmahnung. Genau so etwas passiert aber. Und dann greift der Provider auch noch andere Blogger an, die ueber diesen Fall berichten.

    Ad 6)
    Das Beispiel mit der Politikerin und dem Kind ist vielleicht gar nicht mal so schlecht. Was ist an einer solchen Behauptung denn so schlimm? Ok, es kommt auf den Zusammenhang an: wenn sie verheiratet ist und das im Zusammenhang mit einem Dritten erwaehnt wird. Aber bedarf soetwas wirklich einer Abmahnung? Oder wird es durch eine Reaktion auf so eine Banalitaet
    nicht noch schlimmer (Streisand-Effekt)?
    Das Problem mit “die Meldung spaeter bei Google finden” mag sein, wenn man gezielt danach sucht, aber Google findet zwar viel, aber man muss schon gezielt etwas suchen, um auch das richtige zu finden. Das ist nicht immer ganz einfach. Mal davon abgesehen, kann ich mich durchaus fuer ein “vergessliches” Internet erwaermen.

  3. “Ad 2)
    Muss der Abmahner derzeit ernsthaft damit rechnen, auf entsprechenden Kosten sitzen zu bleiben? Meinem Empfinden nach nicht. Zumal er ja auch gar nicht ernsthaft abmahnen, sondern lediglich damit drohen muss, um seine Ansprueche durchzusetzen.”

    Doch, ja – das ist die Regel, nicht die AUsnahme. In dem Moment, in dem jemand einen Anwalt beauftragt für einen tätig zu werden, muß er ihn auch am Schluß bezahlen und wird der Anwalt das Geld auch von seinem Mandanten fordern. Schließlich leben wir davon und haben ja gearbeitet, selbst wenn der Mandant im Laufe des Verfahrens den Streit z.B. ohne Kostenerstattung beenden will… In der überwiegenden Zahl der äußerungsrechtlichen Fälle bleibt der Auftraggeber daher mindestens auf einem Teil seiner Kosten sitzen. Zudem verlangen spezialisierte Anwälte oft mehr Geld, als die gesetzlichen Gebühren. Es gibt Kollegen in Hamburg, die verlangen wohl 750€ die Stunde von ihren Mandanten – nie im Leben können die rund 800 € bis 2.000 €, die normalerweise so als gesetzliche Gebühren (je nach Gegenstandswert) auf der Kostenrechnung der Abmahnung stehen, also die tatsächlichen Kosten des Mandanten decken! Anders als vielleicht bei anderen Fällen, in denen man auch Abmahnungen bekommen kann (Urheber-, Wettbewerbsrecht etc.) verliert das Opfer in aller Regel nach der Ehre auch noch Geld. Was den Betroffenen nicht sehr amüsiert und daher psychologisch auch nicht gerade zur Entspannung führt.

    Sicherlich: Jeder ist, was seine Empfindlichkeit falsche, schädliche Behauptungen ihn oder seine Firma betreffend, persönlich anders disponiert. Aber gerade bei eindeutig schädlichen Äußerungen hat das Opfer keinen Lust, sich mit langen Diskussionen und Verhandlungen mit dem Täter aufhalten zu müssen, selbst wenn der irrigerweise meint, er habe einen “Anspruch auf Verhandlung”.

    “Bzgl. Gegendarstellung: da sehe ich nicht so recht die zusaetzlichen Kosten oder den Mehraufwand, wenn ich der Firma anbiete, dass sie mir einen Text schreiben kann, den ich dann an gleicher Stelle veroeffentliche…”

    Diese Bereitschaft ist (leider) nicht die Regel. Problem ist: Gegendarstellungen dürfen sich nur gegen Tatsachen richten. Was eine Tatsache ist und was Meinung, ist nicht immer ganz einfach zu bestimmen, darüber geht ja meist der Streit. Daher wird der Abdruck einer Gegendarstellung fast standardmäßig von Zeitungen abgelehnt. Und wenn bei einem längeren Text auch nur eine Formulierung tatsächlich nicht Gegendarstellungsfähig ist, dann kippt das ganze Verlangen und man muß wieder von vorne anfangen (“alles oder nichts Prinzip”). Das verlängert und verteuert das Verfahren für den Betroffenen in der Praxis ungemein. Nur mal so ein willkürlich gegriffenes Beispiel, wie kompliziert das am Ende aussieht, wenn man einen Text durchsetzen will: http://www.presserecht-aktuell.de/urteile/presserecht/lg-berlin-umfang-der-gegendarstellung/

    Zudem bleibt mit einer Gegendarstellung im Internet (anders als bei der gedruckten Zeitung) die falsche Tatsachenbehauptung/ Schmähung ja weiter und dauerhaft in der Welt. Es sieht kommunikativ dann so aus, als stünde lediglich Aussage gegen Aussage. Wenn es aber in Wahrheit eine falsche Tatsache ist, warum sollte der Betroffene es hinnehmen müssen, dass das weiter verbreitet wird? Das will mir nicht einleuchten. Beispiel: “Firma XY betrügt ihre Kunden. Gegendarstellung: Wir betrügen unsere Kunden nicht”. Für den Betrioffenen nicht erträglich. Psychologisch ist nämlich das Problem: Das menschliche Unterbewußtsein kennt kein “Nein”. Es bleibt also in der Erinnerung (mindestens eines Teils der Leser): “Firma XY? Da war doch was mit Betrug?”. Ich google das mal…

    Was Google betrifft: Die Pflicht zur Unterlassung erstreckt sich auch auf den Cache der Suchmaschine. Der Anbieter einer Seite muß das ggfs. also auch von Google entfernen/updaten lassen. Geht aber relativ einfach.

    “Ad 4)
    Ja, es ist absolut wünschenswert, dass sich potentielle Abmahner auf Augenhoehe im Vorfeld mit dem Blogger in Verbindung setzen. Allerdings sollte es eben nicht immer gleich darauf hinaus laufen, dass dann mit einer Abmahnung gedroht wird,ala “also wir wollen ja nicht abmahnen, aber wenn du den Artikel nicht loescht, dann tun wir das trotzdem!””

    Na ja, was soll er denn sonst sagen, wenn der Verbreiter das nicht entfernen/berichtigen will? Soll er sich melden und sagen – wenn Du das nicht löscht, dann ist auch OK, dann nehmen wir das einfach weiter hin? Dann braucht er sich doch nicht zu melden.

    “Das ist dann fuer den Betroffenen aehnlich schlimm wie eine kostenlose Abmahnung: er fuehlt sich in seiner Meinungsfreiheit eingeschraenkt.”

    Ich weiss, deshalb ärgere ich mich ja darüber so sehr, wenn in der Bloggosphäre immer wieder aus der Meinungsfreiheit ein Recht auf “alles sagen was ich will” konstruiert wird. Das ist es eben nicht und war es übrigens auch nie. Auch nicht in den USA. In Deutschland wird nur oft der Ausdruck “freedom of speech” falsch, also wörtlich, übersetzt. Denn auch in den USA darf man keinen beleidigen oder falsche Tatsachen verbreiten – nur haftet dort eben normalerweise im Internet nicht der Intermediär. Der Blogger, der einen eigenen Text schreibt, aber ganz genauso, wie in Deutschland!

    “Das ist ein subjektives Empfinden und mag rechtlich gesehen voellig anders sein. Der Blogger aber bekommt ein negatives Bild vom Rechtssystem, wenn er den Eindruck hat, dass seine Meinungsfreiheit nichts mehr zaehlt.Wenn beide Seiten die Meinung der anderen Seite als solche akzeptieren und damit auch entsprechend umgehen, waere das die beste Loesung.”

    Nachvollziehbar. Nur umgekehrt bekäme das Opfer ebenfalls ein negatives Bild vom Rechtssystem, wenn es den Eidnruck bekommt, es kann sich nicht gegen ungerechtfertigte und schädliche Behauptungen, Beleidigungen etc. zur Wehr setzen und müßte das eben alles als “Meinung” des Anderen hinnehmen.

    Die Zunahme der Fälle hat doch auch was damit zu tun, dass es eben immer mehr Menschen gibt, die manchmal eben gedankenlos ins Internet Sachen schreiben, die eine Zeitung nie im Leben veröffentlichen würde, weil selbst ein Minimum der nötigen Sorgfalt der Recherche fehlt – nur dass das Internet eben noch ein viel mächtigeres Medium als eine Zeitung ist und sich das für das Opfer auch so anfühlt – selbst wenn der “Täter” das selbst gar nicht so empfindet und auch nicht die Aufregung des Opfers nachvollziehen kann/will.

    “Bisher hab ich aber (immer noch) das Gefuehl, dass das Mittel der Abmahnung eher dazu benutzt wird, um eine negative Berichterstattung aus der Welt zu bekommen.Das hat noch nicht einmal immer was mit Geschaeftsschadigung, Ehrabschneidung oder Beleidigung zu tun. Wenn ein Blogger ueber seine Erfahrungen mit einem Provider schreibt und das anhand von Emails auch belegen kann, dann ist das kein Grund fuer eine Abmahnung. Genau so etwas passiert aber. Und dann greift der Provider auch noch andere Blogger an, die ueber diesen Fall berichten.”

    Klar kann jedes (neutrale) Instrument auch zur Drohung eingesetzt werden, um Schaden anzurichten: Mit einem Messer kann man Brot schneiden oder eben auch jemandem bedrohen. Die Kritik, wenn das zu Unrecht geschieht, sollte sich dann aber gegen die Person richten, die das Messer führt und nicht gegen das Messer selbst. Daher kritisiere ich ja auch jene (Alpha-) Blogger als “unpolitisch”, die sich jetzt so vehement gegen das Instrument der “Abmahnung”, den dahinter stehenden Rechtsgedanken, die Pressekammern im Allgemeinen usw. Stimmung machen wollen. Entweder ich kritisiere konkrete systemische Probleme oder konkrete Vorgänge und Menschen und führe dann eben mit denen auch den Streit. Aber bitte nicht beides vermischen.

    “Ad 6)
    Das Beispiel mit der Politikerin und dem Kind ist vielleicht gar nicht mal so schlecht. Was ist an einer solchen Behauptung denn so schlimm?…”

    Ist eine echter Fall, kann ich leider nicht aufdecken. Ja, für die Betroffene war das ein verheerender Eindruck, weil man sie damit ganz bewußt für eine bestimmte Position aus dem Rennen werfen wollte (und auch geschafft hat). Ist aber eben ein schönes Beispiel, warum Gegendarstellungen oft nicht das Mittel der Wahl sind.

    Manche Unwahrheiten erscheinen dem einen Banal, für den Betroffenen wirken sie aber schädlich oder sogar verheerend. Insofern ist es ja auch systematisch OK, das Äußerungsrecht dem Zivilrecht zuzuordnen, da es eben um individuelle Fälle geht, die man nicht generell (per Gesetz, durch Behörde) regeln kann. Wie Du ja auch schon selbst sagst, gilt hier eben der Lieblingssatz des Juristen und der Hasssatz des Naturwissenschaftlers: “Es kommt drauf an” 😉

    “Das Problem mit “die Meldung spaeter bei Google finden” mag sein, wenn man gezielt danach sucht, aber Google findet zwar viel, aber man muss schon gezielt etwas suchen, um auch das richtige zu finden….”

    Doch, leider. Gerade bei Firmen oder Personen die NICHT prominent sind, zeigt Google solche Einträge dann oft eben als so ziemlich ersten oder sogar einzigen Treffer. Zudem neigen Journalisten/Blogger dazu, die “Basisrecherche” immer mehr nur noch mit Wikipedia und Google zu machen. Das heißt, eine falsche/schädliche Tatsache, die z.B. über ein mittelständisches Unternehmen über Jahre im Internet schlummert, taucht (leider) mit ziemlicher Sicherheit in einem Unternehmensporträt auf und zwingt den Betroffenen auch Jahre später noch dazu, sich für etwas zu rechtfertigen, was nie gestimmt hat.

    “Mal davon abgesehen, kann ich mich durchaus fuer ein “vergessliches” Internet erwaermen….”

    Ich auch, nur: Staatlich verordnet wäre es nun tatsächlich mal genau das, was bei der ganzen Abmahndiskussion immer wieder fälschlicherweise so benannt wird: Zensur! Das möchte ich mir nicht wünschen, daher bleibt es wohl eine individuelle (Streit-) Frage im jeweiligen Einzelfall und wir sollten uns bei Zunahme der Fälle besser Gedanken machen, wie man das wirtschaftliche Risiko, das damit für die Beteiligten einhergeht, so in den Griff kriegen, dass das m.E. richtige Instrument nicht wegen des Kostenrisikos mißbräuchlich angewendet wird – aber auch nicht das Opfer mit den Kosten allein bleibt.

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