Versandhändler-FAIL – Teil 2

Heute morgen hab ich noch gefragt, wann die Bundesregierung komplett in Sachen ACTA bzw. SWIFT umkippt. Heute nachmittag gab es dann die ersten Meldungen, daß das Justizministerium auch sein OK gegeben hätte:

Die Bundesregierung ist auf Druck der USA bei SWIFT umgekippt und wird sich bei der Abstimmung im EU-Rat der Stimme enthalten. Damit kann das SWIFT-Abkommen noch vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages beschlossen werden. Das ist kein guter Tag für unsere Bürgerrechte. Schade, dass die FDP ausgerechnet bei ihrem Kern-Bürgerrechtsthema “Kontodaten” umgekippt ist. Da hätte man ruhig mal Krach in der Koalition organisieren können.

Das Handelsblatt zitiert entsprechende Kreise folgendermaßen:

Die Bundesregierung hält sich mit Blick auf den kleineren Koalitionspartner FDP bedeckt. “Eine Enthaltung ist sehr wahrscheinlich, ein Nein fast ausgeschlossen”, heißt es in der Umgebung von Innenminister Thomas de Maizière. Noch wolle man die Tage bis zur Abstimmung nutzen, um auf den schwedischen EU-Vorsitz einzuwirken, den Text im Sinne eines effektiveren Datenschutzes zu “optimieren”. Im Hintergrund stehen Überlegungen, dass ein Scheitern des Interimsvertrags einen vertraglosen Zustand zur Folge hätte und nur noch bilaterale Rechtshilfen möglich wären. Letztlich würde dann allein das schwächere US-Datenschutzgesetz greifen.

Wie man hieraus sehen kann, geht es gar nicht mehr darum, das Abkommen zu verhindern, sondern um einen “vertragslosen Zustand” zu verhindern. Also ähnlich wie z.B. beim Zensurgesetz, ganz grib gesagt. Die Interessen der EU-Bürger zählen hierbei nicht, lediglich die der USA im Kampf gegen den achso allgegenwertigen Terror. So kommt dann auch Bundesdatenschützer Peter Schaar im Handelsblatt mit deutlichen Aussagen zu Wort:

Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, sagte dem Handelsblatt, das Abkommen sei “undemokratisch” zustande gekommen und “höchst intransparent”. “In einer Art Geheimgesetz sollen die Bürgerrechte ausgeschaltet werden”, so der Datenschützer. Dem Parlament werde kein Mitspracherecht eingeräumt, eine öffentliche Diskussion verhindert. “Das ist ein massives Demokratiedefizit.” Niemand der Beteiligten könne für sich “Legitimität” für sein Handeln beanspruchen. “Nicht einmal der genaue Text ist öffentlich. Das ist nicht verfassungsgemäß.” Schaar rechnet damit, dass das Abkommen beim Europäischen Gerichtshof oder beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe scheitern werde.

Und ähnlich wie beim Zensurgesetz ergibt sich ein Legalisierungsproblem, denn die EU-Kommission ist nicht durch die EU-Bürger legitimiert, sondern durch die Regierungen der Länder eingesetzt. Die einzelnen Länder-Regierungen sind zwar für sich vom Bürger legitimiert worden, aber eben nur für die Politik im jeweiligen Land, nicht aber für die europäische Politik. Hierfür gibt es ja eben das EU-Parlament und die Europaparlamentswahl.

Aber nach den ersten Meldungen zum Umknicken der Bundesregierung in Sachen ACTA/SWIFT gab es auch rasch ein Dementi aus dem Justizministerium, wie Heise in seinen News berichtete:

Das Bundesjustizministerium hat einem Bericht widersprochen, wonach Berlin den Weg für das umkämpfte transatlantische Abkommen für den Zugriff von US-Behörden auf Daten des Finanzdienstleisters SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) frei gemacht haben soll. Es gebe noch keine gemeinsame Linie der Bundesregierung in der Auseinandersetzung um die Weitergabe europäischer Überweisungsinformationen an die USA, erklärte ein Sprecher von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am heutigen Mittwochnachmittag gegenüber heise online. An der bekannten kritischen Haltung der Ministerin zu dem Vorhaben habe sich “nichts geändert”.

Es mag zwar vielleicht sein, daß das Justizministerium und insbesondere die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ihre Meinung nicht geändert haben, aber wenn der bisherige Merkel-Vertraute und jetzige Innenminister de Maizière andere Aussagen tätig, dann läßt das durchaus einen Schluß auf die Tendenz zu, wie sich die Bundesregierung am Montag bei der Abstimmung entscheiden wird. Es steht also schlecht um die ablehnende Haltung Deutschlands in dieser Sache. Lediglich der beginnende Widerstand auch einiger Landesinnenminister, wie z.B. aus Rheinland-Pfalz, kann ein leichter Grund für ein bißchen Hoffnung sein.

Im Übrigen hat “Die Zeit” auch einen interessanten und lesenswerten Artikel zum Thema. Dort heißt es unter anderem:

Das wäre tragisch. Denn der Streit um das sogenannte Swift-Abkommen lässt sich auf eine einzige Frage reduzieren – die gleiche, die sich in den vergangenen Jahren immer stellte, wenn es um Terrorismus ging: Wollen wir für seine Bekämpfung wirklich alle rechtsstaatlichen Grundsätze opfern, die sich Demokratien mühsam errungen haben?

Und um nichts anderes geht es hier im Prinzip auch: für den heiligen Krieg der USA gegen den vielfach beschworenen internationalen Terrorismus werden immer mehr Bürgerrechte und rechtsstaatliche Grundsätze geopfert, die man sich über viele Jahrhunderte hinweg mühselig und teils blutig, teils friedlich erstritten und den jeweiligen Machthabern abgetrotzt hat.
Jährlich sterben weitaus mehr Menschen im Straßenverkehr, am Rauchen, an Hunger oder an der ganz normalen saisonalen Grippe als am internationalen Terrorismus. Dennoch werden weder die Entwicklungshilfeprogramme, noch die Gesundheitsprogramme oder die Verkehrssicherheit so gepuscht wie der Bürgerrechtsabbau im Namen des Terrorismus. Trotzdem reden uns die Politiker und selbsternannten “Sicherheitsexperten” immer wieder aufs Neue ein, welche fürchterlichen Gefahren doch von diesem Terrorismus ausgehen. Hat jemand schon einmal die Opfer gezählt, die im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus gestorben sind, und mit denen verglichen, die durch den direkten Terrorismus getötet wurden?

Wenn durch den Terrorismus eine wirklich existente und große Gefahr ausgehen würde, könnte man über verschiedene Maßnahme für einen befristeten Zeitraum ja reden, aber die Maßnahmen, die die Politik in den letzten Jahren seit 2001 beschlossen hat, sind weder befristet noch geeignet, das bißchen Terrorimus in den Griff zu bekommen. Stattdessen werden die Bürgerrechte abgebaut. Den Terroristen sind Banküberweisungen egal. Die transportieren das Geld dann halt in Bar, um unerkannt zu bleiben. Was jedoch bleibt, ist die massenhafte Überwachung unbescholtener Bürger und die Öffenlegung ihrer Daten für fremde Staaten und fremde Institutionen, ohne daß der Bürger auch nur den Hauch einer Chance hat, seine Daten kontrollieren oder gar bei nicht befugten Stellen löschen zu können.

Umso wichtiger ist es, dem Vorhaben der EU-Kommission Einhalt zu gebieten!

UPDATE:
Auch Spiegel Online hat inzwischen einen lesenswerten Artikel. Seltsamerweise in der Rubrik “Netzwelt” und nicht “Politik”, wie man annehmen sollte.

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2 thoughts on “Versandhändler-FAIL – Teil 2

  1. Manche haben eben wegen Reichtum geschlossen. 😉
    Aber manchmal habe ich auch das Gefühl, dass das gerade auch ein Problem der Billigheimer ist. Gestern wollte ich auch ein neu herausgekommenes technisches Gerät erwerben. 449 Euro bei einem Handyversand, 464 Euro bei einem großen Buchhändler und 481 Euro bei einem Handynetzbetreiber. Was macht man also? Man klickt sich durch die Bestellung des Handyversandes, bis man dann noch mind. 9 Euro mehr für den Versand und mind. 5,90, meist aber über 10 Euro für die Bestellung über Kreditkarte oder anderen Zahlungsystemen bezahlen soll …
    Den Bestellvorgang habe ich abgebrochen und bin dann zum etablierten Buchhändler auf die Seite gegangen. Bei dessen 464 Euro war alles inkl.

  2. Ja, ich bin auch nicht unbedingt ein Freund von Versandhaendlern und billigen Preisen. Ausschlagebend war nun die recht kurze Lieferzeit des Notebooks. Der oertliche M-Markt hatte ca. 2 Wochen Lieferzeit. Ein kleinerer Fachhaendler wollte mir eigentlich bis gestern ein Angebot zuschicken, was aber aus zeitlichen Gruenden nicht geklappt hat. Auch dort war die Lieferzeit laenger.

    Ansonsten bevorzuge ich, wie z.B. bei meinem Desktop-Rechner letztens wirklich lokale Haendler, auch wenn die etwas teuerer sind, was aber in dem Fall auch nicht so war.

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