Frag deine Politiker – OB Wahl: Dr. Sybille Bachmann antwortet

Am 5. Februar wird in Rostock ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Vorausgesetzt, daß einer der 7 Kandidatinnen und Kandidaten dann bereits schon die absolute Mehrheit bekommt. Andernfalls kommt es am 19. Februar zu einer Stichwahl. Auch bei dieser Wahl habe ich den Kandidatinnen und Kandidaten einen Fragenkatalog mit der Bitte um Beantwortung zugeschickt.

Dr. Sybille Bachmann hat nun als erste die Fragen beantwortet: 

1) Was sind die Top 3 Punkte ihres Wahlprogramms und wie versuchen Sie diese dem Buerger zu vermitteln?

  1. Umgestaltung der Verwaltung in eine serviceorientierte Dienstleisterin für Bürger und  Unternehmen sowie innovative Problemlöserin
  2. Strategische Neuaufstellung Rostocks als Innovations- und Kulturstadt im Rahmen einer aktiven Bürgerstadt
  3. Schaffung einer Vertrauenskultur in der Verwaltung und Stadtgesellschaft

Die Vermittlung dieses Programms an den Bürger erfolgt über einen selbst erstellten Internetauftritt, zwei Facebook-Seiten, einen Programmflyer, drei Postkartenflyer, die Teilnahme an über 10 Foren, die Beantwortung zahlreicher Anfragen, Plakate und die Präsens auf der Straße (Gespräche mit Bürgern).
Mein Wahlkampf hat ca. 10.200,- Euro gekostet, die Spanne soll bis 250 TEUR bei Konkurrenten gehen. Ich habe den Eindruck, dass es bis dato recht wenig um Inhalte und Personen ging, vielmehr Stammwählerschaft und Wahlkampfgeld einen erheblichen Ausschlag geben werden.

250.000 Euro für den OB-Wahlkampf? Das sind schon Beträge, die ich lieber in die sozialen Einrichtungen der Stadt investiert sehen würde. Klar. Wahlkampf kostet Geld, aber 250.000 Euro? Finde ich eigentlich schon relativ frech, daß soviel Geld für sowas aufgebracht werden kann, während bei vielen Vereinen die Zuschüsse gekürzt werden. Ich glaube, wenn die Zahlen stimmen sollten, dann ist eigentlich klar, wer soviel Geld für die Wahl ausgeben kann.

Was die drei Punkte angeht, kann ich das durchaus nachvollziehen.

2) Was betrachten Sie als das draengendste Problem in Rostock und wie moechten Sie dieses Problem angehen bzw. vielleicht sogar loesen?

Das drängendste Problem ist die Wiederherstellung von Vertrauen, Verlässlichkeit, Rechtssicherheit und Demokratie.
Das Hauptmittel ist eine veränderte Führungskultur: Es wir meinerseits Offenheit und Transparenz in der Darstellung von Zielsetzungen und Gründen kommunalen Handelns geben. Die Rollenverteilung zwischen den Institutionen und Organen akzeptiere ich. Mein politisches Handeln erfolgt nachvollziehbar und abgestimmt. Es besteht Verantwortlichkeit für Qualität und Zielerreichung im Sinne eines Einstehens für das persönliche Handeln vor der Öffentlichkeit. Teilhabe und Mitbestimmung Beteiligter und Betroffener werden abgesichert. Mein Handeln erfolgt uneigennützig allein im öffentlichen Interesse. Ich werde aufrichtig sein, falls private Interessen mit den Pflichten des Amtes kollidieren sollten. Bei Entscheidungen zugunsten oder zulasten von Personen zählt für mich Objektivität. Diese Prinzipien werden durch Führungsmaßnahmen und eigenes Vorleben gefördert und unterstützt.

Was dabei herauskommen kann, wenn man private Interessen mit dem Amt vermischt, sieht man ja seit Wochen bei höchsten Amt im Staate. Daß viele Bürger das Gefühl haben, daß diese Verquickungen nicht nur auf dieses Amt beschränkt sind, brauch ich ebenso wenig betonen, wie die Tatsache, daß Rostock eine solche Verquickung nicht gebrauchen kann. Leider hab ich das Gefühl, daß sowas in der Hansestadt aber auch schon Gang und Gäbe ist.

3) Als Einwohner Warnemuendes hat man das Gefuehl, dass die Stadt Rostock zwar gerne die Einnahmen abzweigt, die die Cash Cow an der Warnow Muendung generiert, aber wenig in Warnemuende investiert. Betrachtet man die Seebaeder oestlich und westlich von Warnemuende, so faellt auf, dass diese in einem weitaus besseren Zustand sind als das Aushaengeschild Rostocks. Waehrend in Kuehlungsborn der touristische Kernbereich hervorragend saniert und erneuert wurde, glaenzt Warnemuende mit kaputten Strassen, unebenen Buergersteigen und macht generell einen fast schon verwahrlosten Eindruck abseits des Alten Stroms. Was ist, ihrer Meinung nach, hier in Warnemuende in den letzten 20 Jahren schief gelaufen und was muesste nun gemacht werden?

Ich würde dies auf zwei Punkte konzentrieren: Eine Vernachlässigung des Ortes sowie erhebliche Mängel bei der Bürgerbeteiligung und Bürgermitbestimmung.
Die Gegenmittel sind somit eine stärkere Berücksichtigung und Förderung dieses besonderen Ortsteils, der zugleich höchste Bedeutung für ganz Rostock hat, und die stärkere rechtzeitige Bürgereinbeziehung und Bürgermitbestimmung. In beiden Punkten gibt es erste Ansätze, die auszubauen sind.
Den zweiten Punkt fasse ich in das Konzept „Rostock – Stadt der Bürger“ mit Elementen wie einer bürgernahen Verwaltung, einem Open Data Portal Rostock mit Bürgerplattform sowie einer Teilung von Gestaltungsmacht. Das Fachwissen der Verwaltung muss sich mit dem Alltags- und Erfahrungswissen der Bürger sowie der Kompetenz der regionalen Unternehmen verbinden. Zugleich sind Solidarität und Eigenverantwortung zu stärken. Die Bürger sind vor Entscheidungen in Planungsprozesse einzubinden. Vorstellbar wären Planungswerkstätten von Bürgern und Stadtplanern (z. B. bei Hafenerweiterung, Mittelmole). Nach Erstellung eines lesbaren Bürgerhaushalts könnte ich mir auch eine ortsteilbezogene Budgetierung von Haushaltsmitteln vorstellen, über deren Verwendung die Bürger vor Ort mit entscheiden.

Der Hinweis auf das Alltags- und Erfahrungswissen der Bürger ist durchaus ein interessanter Aspekt, den ich so auch noch nicht bedacht hatte. Ebenso die Idee von Planungswerkstätten. Das Konzept gefällt mir und vielleicht könnten wir darüber beim nächsten #nbhro sprechen…

4) Fuer die Stadtentwicklung in Warnemuende gibt es das Strukturkonzept, das gerade im Ortsbeirat diskutiert wird. Viele Punkte sind ziemlich umstritten wie zum Beispiel der geplante Caravan-Stellplatz auf der alten Muelldeponie am Weidenweg. Wie beurteilen Sie das Strukturkonzept als solches und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Dem Strukturkonzept Warnemünde ist einstimmig oder fast einstimmig im Ortsbeirat Warnemünde zugestimmt worden, in den Debatten, an denen ich teilgenommen habe, gab es keine wesentlichen Änderungswünsche. Probleme könnten aber in der konkreten Umsetzung auftreten. Wenn dies der Fall ist, sollten in einem umfassenden Dialogprozess gemeinsam Lösungen erarbeitet werden.
Einem Caravan-Platz auf der ehemaligen Mülldeponie werde ich nicht zustimmen.

Leider konnte ich an den letzten Ortsbeiratssitzungen nicht teilnehmen, so daß ich zu den Abstimmungen nichts sagen kann. Aber es erscheint mir in höchstem Maße unlogisch und kontraproduktiv, einen Caravan-Stellplatz in einem renomierten Seebad ausgerechnet auf einer ehemaligen Mülldeponie erbauen zu wollen, zumal es sinnvolle Drittkonzepte gibt. Insofern begrüße ich natürlich die Ankündigung, gegen ein solches Vorhaben zu stimmen.

5) Am 5. Dezember 2011 wurde in der Rostocker Buergerschaft ein Antrag zur Erstellung eines Open Data Konzeptes fuer die Hansestadt Rostock angenommen. Wie stehen Sie zu Open Data, Open Government und Open Access, also der staerkeren Einbindung von Buergern in die Entscheidungsprozesse der Kommunalpolitik?

Dies ist Kern meiner Politik. Der Antrag zu Open Data stammt aus meiner Feder.

Da ich das natürlich weiß, aber die Fragen natürlich für alle Kandidatinnen und Kandidaten gleich waren, wäre hier natürlich die Gelegenheit gewesen, nochmal ausführlich auf das Thema zu sprechen zu kommen. Andererseits sind wir uns da ja sowieso weitestgehend einig, so daß es für mich persönlich nicht nötig war. Aber vielleicht für die Leser dieses Blogs…

6) Am 19. Februar 2011 fand in Dresden ein Nazi-Aufmarsch und eine Gegendemonstration statt, bei der von zehntausenden und teilweise unbeteiligten Buergern ueber 1 Mio. Verbindungsdaten (Handygate) erhoben und danach widerrechtlich von der Polizei ausgewertet wurden. Auch Rostock hat eine starke rechte Szene und auch viele Buerger, die sich gegen Rechts engagieren. Wie stehen Sie dazu, unbescholtene Buerger mittels Funkzellenauswertung (FZA) wie in Dresden pauschal zu ueberwachen?

Dies wird meinerseits abgelehnt.

Das ist natürlich begrüßenswert! Selbstverständlich ist die Einflußmöglichkeit für Politiker auf eine solche Überwachung gering. Aber halt in kleinem Rahmen vielleicht doch möglich, da sich Polizei und lokale Behörden sich im Vorfeld einer solchen Demonstration für gewöhnlich vorher abstimmen. 

7) Funkzellenauswertung in Dresden, die Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung im Rahmen des rechtsextremistischen Terrorismus (Zwickauer Terrorzelle, Nationalsozialistischer Untergrund) und noch viele weitere Gesetze und Gesetzesvorhaben schraenken unsere Buergerrechte im Namen des Kampfes gegen den Terror nach dem 11. September 2001 ein, ohne dass deren Wirksamkeit bewiesen oder evaluiert wurde. Die Vorratsdatenspeicherung war, bis sie vom Bundesverfassungsgericht fuer nichtig erklaert wurde, in keinster Weise fuer die Strafverfolgung so nuetzlich wie haeufig geaeussert. Lediglich bei 6 von 100.000 Verbrechen wurde auf Daten aus der Vorratsdatenspeicherung zurueckgegriffen, ohne dass dies die einzigen Ermittlungsansaetze gewesen waren. Das entspricht in etwa dem Vorgehen, wegen eines Diebstahls saemtiche Wohnungen einer Grosstadt wie Rostock pauschal zu durchsuchen. Werden Sie sich als Oberbuergermeister(in) fuer die Wahrung der Buerger-, Grund- und Freiheitsrechte ihrer Buerger einsetzen und sich fuer eine Abschaffung dieser Ueberwachungsmassnahmen bei ihren Kollegen aus Bundes- und Landtag stark machen? Auch ein/e Oberbuergermeister(in) sollte ein Interesse an der Wahrung von Grund- und Menschenrechten haben, ohne die auch eine entsprechende Kommunalpolitik nicht moeglich ist, wenn die Buerger aus Angst vor ueberbordende Ueberwachung sich nicht mehr demokratisch engagieren (Chilling Effekt).

Derartige Maßnahmen haben keinen nachweisbaren Effekt und gefährden teilweise die Demokratie. Als OB würde ich mich mit anderen Stadtoberhäuptern über den Städte- und Gemeindetag für eine Änderung/Abschaffung einsetzen. Am Aktionstag gegen Vorratsdatenspeicherung habe ich mich persönlich beteiligt.
Kommunen sind das Rückgrad der Gesellschaft. Hier leben und arbeiten wir Bürger zusammen und bilden Netzwerke. Diese auf Vorrat zu speichern ist nicht hinnehmbar. Datensammlungen ohne konkreten Anfangsverdacht und ohne konkrete Gefahr, mit denen man zugleich Persönlichkeitsprofile erstellen kann, lehne ich ab. Die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie ist verfassungswidrig, weil es keine konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit sowie zu niedrige Hürden für staatliche Zugriffe gibt. Sowohl die EU-Richtlinie als auch die Umsetzung in Deutschland sind zu ändern. Es kann nur um einzelfallbezogene Verfahren gehen.

Angehängt habe ich eine Zusammenfassung meines Programms sowie meine Antworten auf die Wahlprüfsteine der Piratenpartei Rostock.

Zu dieser Antwort hab ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich hoffe und gehe davon aus, daß die Unterstützung am Aktionstag gegen die VDS nicht die letzte gemeinsame Aktion sein wird.

Insgesamt bin ich mit den Antworten sehr zufrieden und gerade auch die Transparenz hinsichtlich der Wahlkampfkosten finde ich positiv. So wünsche ich mir das eigentlich auch von anderen Politikern.

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