ACTA & PNR – Antworten der EU-Parlamentarier

Es ist zwar schön und gut, daß es im Zuge des ZugErschwG (#zensursula) großen Protest gegen das Vorhaben gab und der Bundestag diese Woche das damalige Gesetz durch ein Aufhebungsgesetzt endgültig ad acta gelegt wurde. Womit wir auch schon beim nächsten Thema wären: ACTA – dem Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Und dem Passagierdatenabkommen Passenger Name Records PNR. Zu beiden Themenkomplexen stehen in der Zeit nämlich Abstimmung im EU-Parlament an. Zeit also, durch ein Anschreiben an seine EU-Abgeordneten das Schlimmste zu verhindern versuchen.

Am 19. November habe ich mir über Abgeordnetenwatch.de diejenigen Abgeordneten herausgesucht, in deren Bundesländern ich einen Wohnsitz habe und diese per Mail angeschrieben und um Ablehnung dieser beiden Gesetzesvorhaben gebeten. Bei einigen war ich mir relativ sicher, daß sie eh meiner Meinung sind, aber trotzdem erhielten diese auch eine Mail von mir. Ganz einfach auch deshalb, damit sie auch ein wenig Rückhalt aus der Bevölkerung spüren. Bei Jan Philipp Albrecht hab ich mir das Anschreiben allerdings gespart, da er sich sowieso aktiv gegen beide Vorhaben einsetzt und wir auch schon zum Beispiel auf der "Freiheit statt Angst" Demo dieses Jahr kurz darüber gesprochen haben.

Meine Mail an die Abgeordneten war im wesentlichen diese: 

Sehr geehrte/r Frau/Herr ….,

als gewaehlter Vertreter ……. sitzen Sie als Abgeordneter im Europaeischen Parlament und vertreten somit auch mich als Einwohner bei der EU.

Die EU-Kommission versucht gerade, verschiedene Vorhaben auf den Weg zu bringen, die unsere Grund- und Freiheitsrechte gefaehrden, indem in diesen Abkommen weitreichende Datenweitergaben von EU-Bürger an die USA geregelt oder aber Rechteinhaber zu Lasten der Meinungsfreiheit und des Datenschutzes bevorzugt werden.

Bei diesen Vorhaben handelt es sich um das Passenger Name Records (PNR) Abkommen und um das Anti Counterfeiting Trade Agreement.

– NoPNR.org zu Passenger Name Records (http://www.nopnr.org/position/):
> Wir kritisieren den Zugriff staatlicher Behörden auf private PNR-Daten. Dadurch lassen sich
> bedenklich viele Rückschlüsse auf das Privatleben (Religion, Sexualität, Lebensgewohnheiten)
> für die überwachungsstaatlichen Behörden ziehen. Der Zugriff auf die  Fluggastdaten stellt
> einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger dar und
> muss daher verhindert werden.
> Da die privaten Daten NUR von privaten Airlines gesammelt werden, ist die Korrektheit der
> Daten auch nicht zu verifizieren. Fehler, die dadurch entstehen, können für die Betroffenen zu
> massiven Einschränkungen ihre Freiheiten führen.

– EDRi.org ueber ACTA (http://www.edri.org/files/ACTA/booklet/ACTAbookletDE.pdf):
> * Die Interessen der Rechteinhaber werden Meinungsfreiheit, Datenschutz und anderen
> fundamentalen Rechten übergeordnet.
> * ACTA legt die Regulierung der Meinungsfreiheit in die Hände privater Unternehmen, da das
> Abkommen Dritte, wie zum Beispiel Internet-Provider, dazu verpflichtet Online- Inhalte zu
> überwachen, deren Rolle es nicht ist, über Meinungsfeiheit zu bestimmen.
> * ACTA könnte den Nutzen des kulturellen Erbes unserer Gesellschaft behindern, da es
> Strafen und kriminelle Risiken erhöht, sobald man Werke nutzen möchte, deren Eigentümer
> oder Rechteinhaber schwierig zu identifizieren oder zu lokalisieren sind (sogenannte
> "verwaiste Werke").
> * Die endgültige Fassung des Abkommens, dessen Bedeutung nicht vor der Ratifizierung
> klargestellt wurde, ist vage und könnte so ausgelegt werden, dass zahlreiche Bürger für
> geringfügige Vergehen kriminalisiert werden.

Waehrend beim PNR-Abkommen die USA der EU die Bedingungen faktisch diktiert werden und dies natuerlich weder fuer das gewaehlte EU-Parlament noch fuer die EU-Buerger hinnehmbar ist, weil kein adaequater Datenschutz gewaehrleistet wird, noch bewiesen ist, dass die abgefragten Daten effektiv fuer die beanspruchten Zwecke benoetigt werden, ist das ACTA Abkommen schon deshalb durch das EU-Parlament abzulehnen, weil das Geheimabkommen durch die Art des Zustandekommens die Wuerde des Parlaments missachtet, mal von der Zustaendigkeit abgesehen.

Bitte stimmen Sie bei einer etwaigen Abstimmung gegen diese Vorhaben und fuer die Wahrung unserer Grundrechte! Vielen Dank!

Mit freundlichen Gruessen,
Ingo Jürgensmann

Sicherlich keine besonders eloquente Anfrage und auch argumentativ hätte man sicherlich mehr rausholen können, aber wie so häufig: so wenig Zeit und so viel zu tun! Mir war es aber lieber, wenigstens irgendwas in Form einer schnell formulierten Mail zu tun als nur tatenlos zuzusehen. Insofern möge man mir das doch bitte nachsehen. Wie auch immer: die ersten Antworten trudelten recht bald ein und waren vielversprechend, da sie meine Ansicht der Ablehnung dieser Vorhaben teilten.

So schrieben Sabine Lösing und Rebecca Harms sehr zügig zurück, daß sie gegen die Annahme dieser Vorhaben stimmen werden. Rebecca Harms verwies zum einen auf die Webseite Act-on-Acta und zum anderen auf Jan Philipp Albrecht, der in den entsprechenden Ausschüssen sitzen und die Themen bearbeiten würde.

Doch es gibt auch die andere Seite. So allmählich trudeln die Antworten ein, die eher für diese Abkommen sind. Hier mal zwei Beispiele, ohne die Namen zu nennen.

Antwort Büro Hans-Peter Mayer:

Sehr geehrter Herr Juergensmann,

vielen Dank für Ihre Ausführungen zu den Themen Passenger Name Records-Abkommen (PNR) und Anti Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) in Ihrer Mail vom 19.11.2011. In der Tat handelt es sich dabei um wichtige Themen, mit denen sich im Moment auch das Europäische Parlament befasst.

Wie Sie richtig erwähnen, besteht bereits ein Abkommen mit den USA, durch das unter anderem auch personenbezogene Daten an die Vereinigten Staaten von Amerika übermittelt werden und welches nun durch ein neues Abkommen ersetzt werden soll. Im Europäischen Parlament befasst sich derzeit der zuständige Ausschuss Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) mit diesem Thema. Es ist frühestens im Januar des nächsten Jahres mit einer Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlamentes zu rechnen, so dass erst dann das Abkommen nach der Zustimmung durch das Parlament in Kraft treten kann. Beteiligt und angehört wird während des beschriebenen Verfahrens wahrscheinlich auch der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter J. Hustinx.

Auch das Anti Counterfeiting Trade Agreement wurde und wird im Parlament beraten und muss, bevor es zu einer Unterzeichnung des Vertrages kommen kann, bestätigt werden. Auch hier ist das Parlament also in die Beratungen einbezogen.

Ich sehe die Würde des Parlamentes nicht in Gefahr, da es ausreichend in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. Vorschlagen möchte ich Ihnen darüber hinaus, die oben genannten Debatten und Ausschusssitzungen im Internet zu verfolgen. Hier können Sie auch die Beweggründe erfahren, warum ein Abkommen mit den USA erforderlich ist.

Beispielsweise finden Sie laufend aktualisierte Informationen unter diesem Link:
http://www.europarl.europa.eu/activities/committees/homeCom.do?language=DE&body=LIBE

Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. Hans-Peter Mayer MdEP

 

Antwort Büro Godelieve Quisthoudt-Rowohl:

Sehr geehrter Herr Juergensmann,
 
im Namen von Frau Dr. Quisthoudt-Rowohl darf ich Ihnen sehr für Ihre Stellungnahmen zu den Themen ACTA und PNR-Abkommen danken. Frau Dr. Quisthoudt-Rowohl hat Ihre Bedenken mit großem Interesse zur Kenntnis genommen und möchte dazu wie folgt Stellung nehmen:
 
ACTA
Das ACTA-Abkommen entwicklet keine neuen Rechte oder Regeln hinsichtlich des Schutzes geistigen Eigentums, sorgt vielmehr  im internationalen Kontextfür die konsequente Umsetzung bestehender Regeln. Die Piraterie und die Nachahmung einer ganzen Reihe von Produkten hat mittlerweile ein solches Ausmass angenommen, dass die Politik handeln muss. Die Konsequenzen eines unzureichenden Schutzes des gesitigen Eigentums sind ein langsameres Wirtschaftswachstum und damit im Zweifel weniger Beschäftigung. Insofern ist der Schutz von geistigem Eigentum von großer Bedeutung für unsere Wirtschaftsordnung.
 
ACTA wurde mit mehreren internationalen Partnern verhandelt und abgeschlossen. Dies wird zu einer effektiveren Kooperation in der Bekämpfung von Piraterie auf internationaler Ebene führen. ACTA versucht auf diesem Weg die bereits bestehenden internationalen Normen zu bereichern, soll aber das erreichte nicht revidieren oder ersetzen. ACTA wird das bestehende EU-Recht dabei nicht ändern.
 
In Abschnitt 5 des Abkommens, das die Durchsetzung der Rechte im digitalen Umfeld betrifft, sprechen sich die Vertragparteien besonders für den Schutz der Meinungsfreiheit und Privatsphäre aus. Dies hat zur Folge, dass die Einholung von Daten nur bei starkem Verdacht auf Verletzung von geistigem Eigentum geschehen darf und auch nur dann, wenn der Schutz der Privatsphäre gewahrt bleibt. Genau dies sieht – wie Sie wissen – das deutsche Recht bereits heute vor.
 
PNR
Das PNR (Passenger Name Records) ist ein Abkommen zwischen den USA und der EU, um möglichen Terrorismus und anderen große Verbrechen vorzubeugen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2011 in New York, sah die Amerikanische Regierung die Notwendigkeit einen "U.S. Aviation and Transportation Security Act" zu erlassen. In diesem Abkommen wurde vorgesehen, dass jede Fluglinie, die einen Passagierflug von, in oder durch die USA durchführt, der Regierung jegliche Information über Fluggäste auf Nachfrage preisgeben muss. Da dieses Abkommen zwischen den USA und der EU von 2004 vom Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklärt wurde, wurde im Oktober 2006 ein Weiteres unterzeichnet, welches 2007 ablief. Daraufhin wurde im Juli 2007 ein langfristigeres Abkommen zwischen der EU und den USA unterzeichnet, das momentan Gegenstand der parlamentarischen Debatte ist.  Das Abkommen sieht vor, dass nur Daten gespeichert werden, welche die Privatsphäre des Einzelnen nicht beeinträchtigen. Das Amerikanische Recht verbietet jegliche Veröffentlichung Unbefugter auf gespeicherte Daten.
 
Ich hoffe Ihnen mit diesen Ausführungen die beiden Abkommen ein wenig näher gebracht zu haben.
 
Mit freundlichen Grüßen,

Positiv ist bei beiden Antworten anzumerken, daß sich die EU-Parlamentarier bzw. deren Büros immerhin die Zeit für eine entsprechende und durchaus auch ausführliche Antwort genommen haben. Während der erste Beispiel relativ neutral bleibt, man allerdings schon eine Grundhaltung für die Annahme dieser Vorhaben erkennen kann, auch wenn sich der Parlamentarier vornehmlich zu Verfahrensfragen äußert, weiß man beim zweiten Beispiel gar nicht, wo man mit dem facialpalmieren anfangen soll?

Ich werde sicherlich beiden Abgeordneten antworten und nochmal meine Sicht der Dinge etwas elaborierter herausstellen. Da das allerdings recht zeitaufwendig werden wird, würde ich mich natürlich über gute Links auf noch bessere Argumente gegen diese beiden Vorhaben freuen. Natürlich werde die einschlägigen Seiten wie nopnr.org und stopp-acta.info konsultieren, aber vielleicht hat ja auch schon jemand ähnliche Antworten geschrieben oder kann ansonsten mit dem einen oder anderen Tipp aushelfen? So einfach will ich denen ihre Zustimmung zu ACTA und PNR jedenfalls nicht machen…

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