Der Staat, der Verfassungsschutz und die linke Szene

In den letzten Tagen wurde viel über den Verfassungsschutz und den rechten Terror geschrieben. Und auch darüber, daß die Verfassungsschutzbehörden offenbar lieber die linke Szene gegen die Nazis beobachtet als die Nazis selber. Sind ja auch unangenehme Typen, diese Nazis. Da ist es doch verständlich, daß man sich lieber mit normalen Leuten beschäftigt, oder? Wie zum Beispiel Günter W., wie die Sueddeutsche zu berichten weiß: 

Günter W. ist 65 Jahre alt, Arzt von Beruf – und bekennender Nazi-Gegner. Seit Jahren übt er sich im zivilen Ungehorsam, was ihm einigen Ärger einbrachte. Zuletzt, weil er auf marschierende Neonazis Tomaten geworfen hatte. Die Polizei kennt W. und hat ihn in eine Datei aufgenommen mit dem Titel "linksmotivierte Straftäter". Das ist bemerkenswert, weil noch kein Verfahren gegen W. mit einer Verurteilung endete. Das aber ist für die Polizei nicht relevant: "Er muss nicht rechtskräftig verurteilt sein", heißt es. Es genüge, wenn eine Person "verdächtig" sei, das Polizeirecht gebe das her. Dieses erlaubt offenbar auch, dass von W. ein "Delikt" aus dem Jahr 1987 noch immer gespeichert ist.

Ein bedauerlicher Einzelfall? Der Artikel der Sueddeutschen führt noch mehr Beispiele auf. Während diejenigen, die auf Demos für unsere Verfassung und gegen die Nazis auf die Straße gehen, wiederholt Strafbefehle bekommen und verurteilt werden, tut sich der gleiche Staatsapparat offensichtlich damit schwer, rechte Gewalttaten zu bestrafen. So wundert man sich bei dem einen oder anderen Video über rechte Demos, wie die Polizei nichtstuend daneben stehen kann, während die Nazis hetzerische Parolen gröhlen oder ungeniert den Hitlergruß zeigen?

Ein besonderes Beispiel findet nicht nur bei der Sueddeutschen Erwähnung, sondern auch im Grundrechtereport 2011

Die wohl bekannteste Auseinandersetzung zwischen Nazi-Gegnern und der Staatsmacht dreht sich um Aida. Das Antifaschistische Informationsarchiv gilt seit drei Jahren im Verfassungsschutzbericht als linksextremistisch. Das steht im Gegensatz zur Anerkennung, die Aida auch aus der bürgerlichen Mitte erhält. Das Landesamt für Verfassungsschutz tut sich schwer, vor Gericht mit seinem Vorwurf zu bestehen: Aus dem Bericht für 2008 musste Aida ganz gestrichen werden, man hatte den kleinen Verein ohne jede Begründung als demokratiefeindlich bezeichnet.

In den zwei folgenden Berichten darf laut erstinstanzlichem Beschluss nicht mehr erwähnt werden, dass Aida angeblich maßgeblich von Linksextremisten geprägt werde. Das Landesamt lieferte teils merkwürdige Begründungen. So hieß es als Beleg für den Extremismus des Aida-Vorsitzenden, dass er zu 600 Mark Strafe verurteilt worden war. Das war vor 25 Jahren, nach Protesten am Bauzaun in Wackersdorf.

Warum der Staat sich also in Form des Verfassungsschutzes ständig gegen seine Bürger richtet, die ebenfalls um den Schutz der Verfassung besorgt sind und sich dafür einsetzen, daß unsere Verfassung nicht von Nazis zersetzt wird, ist mir ein Rätsel. Auf jeden Fall ist das irgendwie kontraproduktiv und der Staat muss sich deswegen auch unangenehme Fragen gefallen lassen. Etwa die, warum sämtliche Anti-Rechts-Gruppierungen die Extremismusklausel unterschreiben müssen, aber die Vertriebenenverbände nicht?

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