Piratenpartei mit NPD-Problemen

Als die Piratenpartei im Zuge der Diskussion um Zensursula und Netzsperren in aller Munde waren und einen massiven Zulauf an neuen Mitgliedern hatte, gab es auch den einen oder anderen darunter, der der Partei Probleme aufgrund gewisser Aussagen bereitete, die dem rechtsaußen Spektrum zuzuordnen waren. So machten 2009/2010 die Fälle von Bodo Thiessen und Aaron König die Runde.

Nun stellt sich heraus: die Piratenpartei hat wieder ein Problem mit rechts. Sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Oberbayern gibt es Mitglieder der Partei, die ehemals Mitglieder der NPD waren und nun ein Amt innehaben, ohne vorher ihre NPD-Vergangenheit transparent gemacht zu haben. Während in Oberbayern Valentin Seipt als Kreisvorsitzender deswegen zurücktrat, scheint Matthias Bahner aus Greifswald sein Kreisratsmandat nicht niederlegen zu wollen.

Pikant wird das ganze noch dadurch, daß Bahner in einer ersten Stellungnahme sich dahingehend äußerte, daß er 2003 zwar aufgrund seines damaligen Freundeskreises in die NPD eingetreten, aber 2004 wieder ausgetreten sei. Allerdings hat sich der NPD-Vorstand inzwischen dahingehend geäußert, daß Bahner 2005 noch Mitgliedsbeiträge gezahlt haben soll und erst 2006 wegen Nichtzahlung eben dieser von der Mitgliederliste gestrichen worden sei.

Auch auf den Mailing Listen der Piratenpartei kochte das Thema entsprechend hoch, aber bis auf eine halbherzige Stellungsnahme Bahners am gestrigen Mittwoch, also gut 4 Tage später, hat sich Bahner, selbst auf gezielte Nachfragen seiner Parteikollegen nicht weiter hierzu geäußert.

Nun ist es natürlich jedem zugestanden, auch als Politiker Jugendsünden zu begehen, aber die Kritik entzündet sich hauptsächlich daran, daß Bahner erst nach der Wahl mit seinem Geständnis an die Öffentlichkeit ging. Und daß er dies aus eigenem Antrieb tat, muss man ihm auch zugute halten. Auch gibt es Hinweise, wie die Stellungnahme der NPD zum Beispiel, daß Bahner hierbei auch nicht die volle Wahrheit gesagt hat. Zudem agiert er etwas unglücklich und beantwortet Nachfragen anderer Parteimitglieder nicht.

Wie gesagt: Jugendsünden seien jedem zugestanden. Auch die Ikonen der bundesdeutschen Widerstandsbewegung, Hans und Sophie Scholl, waren einst sehr engagierte Nazis, die zum Beispiel maßgeblich am Aufbau des Ulmer Gau-Verbandes der Hitler-Jugend beteiligt waren. Auch bei ihnen setzte später ein Umdenken ein und sie engagierten sich gegen das Nazi-Regime. Sie leisteten Widerstand und wurden dafür von den Nazis in einem Schauprozeß zum Tode durch den Strang verurteilt.

Bahner hingegen scheint sich eher als Opfer einer Diffamierungskampagne zu sehen, wie seine gestrige Stellungnahme vermuten läßt: 

da die Medien in diesem Lande mich – Student der Politikwissenschaft und unbescholtenen Bürger – innerhalb von 48 Stunden durch eine Mitgliedschaft als Teenager in der NPD – deutschlandweit zum „Staatsfeind Nummer 1“ erkoren haben und die Piratenpartei Deutschland nun auf eine öffentliche Stellungnahme durch mich drängt, gebe ich zu, dass ich – wie jeder „normale Mensch“, erst persönlich Rücksprache mit einem Anwalt und dem Vorstand halten werde.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der seit Sonntag geäußerten Kritik geschweige denn die Beantwortung der an ihn gestellten Fragen, fehlt leider völlig. Auch wenn Bahner sich nun in der Opferrolle sieht, ist er keineswegs ein Märtyrer und somit auch auch so weit von der Klasse der Geschwister Scholl entfernt, wie es nur irgendwie geht. Dabei hätte Bahner der Fall aus der unmittelbaren Nachbarschaft eine Lehre sein müssen: kurz vor der Landtagswahl in MV kam heraus, daß der Direktkandidat der CDU auf Rügen ehemals Kreisvorsitzender der DVU war. Vielleicht hat ihn das ja bewogen, wenigstens nach der Wahl an die Öffentlichkeit zu gehen, aber die Art und Weise der Kommunikation danach sind sicherlich für die Piratenpartei nicht hinnehmbar. Das zeigen allein schon die Reaktionen auf der Mailing Liste der Partei.

Die Piratenpartei hingegen ist sicherlich gut beraten, nun Tabula Rasa zu machen und "Vergangenheitsbewältigung" zu betreiben. Für eine demokratische Partei, die auf Transparenz setzt und mit einem neuen Politikstil punkten will, wäre es nicht verkehrt, die Mitglieder auf die freiheitlich demokratische Grundordnung festzunageln und aufzurufen, etwaige Mitgliedschaften in extremistischen Parteien oder Organisationen, links wie rechts, offen zu legen und sich davon loszusagen. Zukünftig sollten nur noch Mitglieder zur Wahl aufgestellt werden, die schriftlich versichern, solcherlei Dinge offengelegt zu haben. Dies ist sicherlich nicht nur für die Piratenpartei sinnvoll, sondern auch für alle anderen Parteien. Jeder Mensch kann sich ändern und zum Beispiel erkennen, daß die NPD keine Partei ist, die sich der Wahrung der freiheitlich demokratischen Grundordnung verpflichtet fühlt, aber der Wähler muss im Vorfeld wissen, was er von den Kandidaten zu halten hat.

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